Das WESTFALEN-BLATT trauert um Rainer Grotjohann – Ehemaliger Leiter der Lokalredaktion Bünde ist im Alter von 67 Jahren verstorben
Er war ein Vollblutjournalist
Bünde (WB)
Er war ein Vollblut-Lokaljournalist für den Kreis Herford und ganz besonders für Bünde: Nach langer und schwerer Krankheit ist Rainer Grotjohann am Samstag, 16. Januar, im Alter von nur 67 Jahren verstorben. Er hat 36 Jahre für das WESTFALEN-BLATT gearbeitet – zuletzt als Leiter der Lokalredaktion in Bünde.
„Konferenz!“ – so schallte es jeden Morgen um 10 Uhr durch die Redaktionsräume, wenn Rainer Grotjohann mit einem großen Pott Kaffee in der Hand alle Kollegen zu sich ins Büro rief, um die Zeitung für den nächsten Tag zu planen. Auf seinem Schreibtisch türmten sich derweil Berge mit Notizen in seiner kryptischen Handschrift. Dazu klingelte das Telefon ununterbrochen. Immerhin recherchierte er an mehreren Geschichten gleichzeitig. Selten stand dabei schon morgens fest, was abends als Aufmachung die erste Bünder Lokalseite schmücken würde. Fest aber stand immer, dass er bis Redaktionsschluss nimmermüde telefoniert, sich informiert und kräftig in die Tasten gehauen hat, und zwar so, dass man es im Nachbarbüro noch hören konnte – bis die Aufmachung stand. Ging‘s um eine wichtige Angelegenheit, hat er nie auf die Uhr gesehen.
Rainer Grotjohann war politisch sehr gut vernetzt – vor allem in der Zigarrenstadt. Er bekam oft wichtige Insiderinformationen. Seine politische Berichterstattung war oft kritisch, ohne dabei verletzend zu wirken. Auch über die Politik hinaus hatte er sehr gute Kontakte, von denen die Redaktion noch nach dem Beginn seines Ruhestands am 30. September 2017 profitierte. Immer mal wieder griff Rainer Grotjohann zum Telefon und gab seinen „alten Kollegen“ einen Tipp. Egal ob es etwas politisch Hochbrisantes oder der kuriose Namensstreit bei einem Imbiss sein mochte: Auf seine Hinweise war immer Verlass, die gute Geschichte garantiert.
In seinen 36 Berufsjahren hat Rainer Grotjohann zahlreiche Volontäre ausgebildet, Jungredakteure unterstützt und weiter gefördert. Sein pointierter und rhetorisch ausgefeilter Schreibstil, seine markanten Kommentare und sein umfassendes kommunalpolitisches Verständnis ließen ihn dabei zu einem journalistischen Vorbild werden. Praktikanten konnte er mit seiner lockeren Art und seinen Sprüchen („Ein großes Bild ist schnell geschrieben“) für den Journalismus begeistern und sie so dauerhaft als freie Mitarbeiter für die Redaktion ins Team holen. Dabei musste er gar nicht so viel erklären: Er lebte einfach vor, was einen guten Lokaljournalisten ausmacht. Er schmiss den einen oder anderen auch mal ins kalte Wasser bei einem der ersten Termine, stand beim Schreiben dann aber gerne helfend zur Seite. Bis heute sind einige der Mitarbeiter, die er ausgebildet hat, noch an Bord und schreiben für den Bünder Lokalteil.
Trotz seiner herausragenden journalistischen Arbeit nahm sich Rainer Grotjohann selber nie allzu wichtig. Alle, die mit ihm zusammenarbeiten durften, wissen das. Gleichzeitig stand er immer hinter seinem Redaktionsteam – auch und gerade dann, wenn mal Probleme ins Haus standen. Eine seiner Stärken war, dass er niemandem böse sein konnte, selbst wenn im Redaktionsalltag mal etwas schiefging. Seine Bürotür war immer offen, wer ein Problem hatte, ging gerne zu ihm. „Das kriegen wir schon hin“, sagte er – und so war‘s auch.
Gerade wegen dieser Eigenschaften war auch mit dem Beginn seines Ruhestands der Kontakt zu seinen engsten Kollegen nie abgerissen. Regelmäßig – meist im Vier-Wochen-Rhythmus – gab es kleine gesellige Runden, in denen man sich austauschte, klönte und den „Ex-Chef“ über die neuesten Entwicklungen in Bünde auf dem Laufenden hielt. Für ihn sei es nicht selbstverständlich gewesen, dass er „immer noch so dazugehöre“, sagte Rainer Grotjohann einmal. Und doch war es genau das für sein „altes Team“.
Rainer Grotjohann wurde nicht nur von seinen direkten Kollegen sehr geschätzt. In Konferenzen hatte er gerne mal einen markigen Scherz parat. Sein Humor kam an. Und auch lauthals geflucht wurde da manchmal, das konnte er wie kaum ein anderer. Das gehörte eben dazu.
Nachbarredaktionen wussten, dass auf ihn Verlass ist, wenn es „brennt“. Ein Unfall in Enger kurz vor Feierabend, die Zeit bis zum Abmelden der Seiten wird knapp: Ein Anruf bei Rainer Grotjohann in Bünde und er sagte zur langjährigen Kollegin: „Fahr in Ruhe raus und kümmere dich. Ich les‘ deine Seiten Korrektur und mache den Rest hier gerade fertig.“
Seine Wahlheimat Bünde war Rainer Grotjohann schnell ans Herz gewachsen. So engagierte er sich praktisch von Beginn an für den Förderverein zum Erhalt des Filmtheaters Universum. Viele Jahre war er hier als Vorsitzender aktiv und durch diese Tätigkeit eng mit der Bünder Stadtkultur vernetzt. Bis zuletzt war er Ehrenvorsitzender des Vereins.
Und das waren Rainer Grotjohanns WB-Stationen: Nach seinem Volontariat begann er seine WB-Laufbahn am 1. Oktober 1981 als Redakteur in Lemgo bei der Lippischen Rundschau. Zum 1. November 1988 erfolgte der Wechsel als verantwortlicher Redakteur in die Redaktion Bünde. Seit dem 1. Juni 1995 war der gebürtige Vlothoer für die Redaktion Herford als stellvertretender Redaktionsleiter verantwortlich – er arbeitete eng mit dem damaligen Lokalchef Dieter Schneeberg zusammen. Zum 1. Januar 2005 ging es dann als Redaktionsleiter zurück in „seine“ Lokalredaktion Bünde.
Das WESTFALEN-BLATT trauert um Rainer Grotjohann und wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Das aufrichtige Mitgefühl aller Kollegen gilt seiner Ehefrau und seinen beiden Söhnen.
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