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Medizinstudent leitet Herforder Corona-Testzentrum

Abstriche im Akkord

Herford (WB). Er ist gerade mal 23 Jahre jung – und leitet das Corona-Testzentrum in Herford. Ach ja: Und ganz nebenbei hat der Medizinstudent vor ein paar Tagen sein zweites Staatsexamen geschrieben. Wie schafft Finn Leciejewski das? Was treibt ihn an? Und wie geht er mit der Verantwortung um? Ein Besuch in der Abstrichstelle.

Moritz Winde

Der Abstrich dauert in der Regel nur wenige Sekunden. Viele empfinden ihn – vor allem in der Nase – aber als unangenehm. Foto: Moritz Winde

Vor dem umfunktionierten Bürogebäude an der Oststraße hat sich Kemal Sahin (40) postiert. Er passt auf, wer wann rein kommt und hält damit dem Team den Rücken frei. Neben dem Sicherheitsmann steht noch immer fälschlicherweise auf einem Schild „Akutzentrum für Atemwegserkrankungen“.

Am Empfangstresen: Finn Leciejewski (rechts) koordiniert den Kundenandrang und erläuteret die Modalitäten. Der 23-jährige Medizinstudent leitet die Abstrichstelle in Herringhausen. Foto: Moritz Winde

Doch wer sich wirklich krank fühlt, hat hier nichts zu suchen, sondern muss sich an den Hausarzt wenden. „Wir testen ausschließlich Leute ohne Symptome wie Reiserückkehrer, Kontaktpersonen oder Firmenmitarbeiter“, stellt Prof. Dr. Franz-Josef Schmitz klar und schiebt hinterher: „Ich halte es aber für richtig, zusätzlich wieder ein Fieberzentrum zu installieren.“ So könnten die niedergelassenen Ärzte entlastet und Patienten unkompliziert und schnell getestet werden. Zumal Platz ausreichend vorhanden ist. „Die Bedingungen sind ideal.“

Der 57-Jährige ist Leiter des Laborzentrums Weser an den Mühlenkreiskliniken in Minden, das im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung und des Kreises Herford die Abstrichstelle in Herringhausen koordiniert. In Minden würden wöchentlich zur Zeit 16.500 Covid-19-Proben analysiert, knapp zwei Prozent seien positiv. „Das lag mal bei einem Prozent.“

Prof. Dr. Franz-Josef Schmitz (57) leitet das Laborzentrum Weser, in dem täglich 16.500 Corona-Tests analysiert werden. Foto: Moritz Winde

Die Kapazitäten sind übrigens noch lange nicht ausgeschöpft. Schmitz: „Wir können wöchentlich 60.000 Tests auswerten, wobei es unser Ziel ist, alle Proben, die bis 24 Uhr im Labor sind, am nächsten Morgen um 8 Uhr analysiert zu haben.“

Da der Chefarzt auch jetzt schon alle Hände voll zu tun hat und nicht überall sein kann, hat er die Leitung der Herforder Abstrichstelle in andere Hände gelegt – und zwar in die seines Studenten.

Der Professor lobt seinen Schützling in den höchsten Tönen, hat schon mehrfach versucht, ihn dauerhaft ans Labor zu binden. „Finn hat alles super im Griff. Ich kann mich hundertprozentig auf ihn verlassen. Er ist ein kompetenter junger Mann. Das ganze Team ist toll.“

Jurastudentin Melissa Arweiler hat soeben einen Corona-Abstrich genommen. Angst vor einer Ansteckung habe sie nicht, sagt die 23-Jährige. Foto: Moritz Winde

Finn Leciejewski fühlt sich geschmeichelt, bezüglich des Job-Angebots aber winkt er höflich, aber bestimmt ab. „Ich möchte Internist werden, am liebsten in einer eigenen Praxis“, sagt der 23-Jährige, der am Ravensberger Gymnasium Abitur gemacht und dann sein Medizinstudium an der Ruhr-Uni Bochum – später am Mindener Campus – in fünf Jahren durchgezogen hat.

Zum Test-Zentrum sei er eher durch Zufall gekommen. „Die haben Studenten gesucht, die bei den Abstrichen helfen. Es interessierte mich, ich wohne nur fünf Minuten entfernt und die Bezahlung von 30 Euro pro Stunde ist ja auch nicht schlecht“, sagt der Herforder. In all den Monaten wurde dem Nachwuchs-Mediziner immer mehr zugetraut – seit einigen Wochen hat er sogar das alleinige Sagen.

Gemeinsam mit acht anderen Studenten sorgt der 23-Jährige für einen reibungslosen Ablauf im Test-Zentrum. Täglich werden hier bis zu 300 Menschen auf das Coronavirus getestet. Bald soll die Anlaufstelle auch samstags geöffnet sein. Die Kosten übernimmt in der Regel die Krankenkasse, Selbstzahler müssen 50 Euro bezahlen – ausschließlich per Karte.

Mund auf, Stäbchen rein: Finn Leciejewski stellt sich immer wieder auch für Übungszwecke zur Verfügung. Foto: Moritz Winde

Die Handgriffe sind eingespielt. „Das geht alles zack, zack. Wir brauchen pro Abstrich höchstens 60 Sekunden. Auch wenn sich manchmal längere Schlangen bilden, niemand sollte länger als 20 Minuten warten“, sagt Finn Leciejewski, der trotz aller Routine größten Wert auf Genauigkeit legt.

Regelmäßig stellt er sich für Übungszwecke zur Verfügung, denn die Abstrich-Technik will gelernt sein. Das unangenehme Gefühl und die Tränen – das Stäbchen muss knapp fünf Zentimeter in die Nase geschoben werden – nimmt er in Kauf. Ist ja zum Wohle der Medizin.

Prof. Schmitz spricht sogar von einer Arbeit von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Finn Leciejewski selbst ist etwas bescheidener: „Ich freue mich dabei zu helfen, das Virus einzudämmen.“ Am 16. November beginnt Finn Leciejewskis praktisches Jahr am Klinikum in Herford. Aber wer soll dann die Abstrichstelle leiten? „Das bekomme ich schon irgendwie hin“, ist er sich sicher.

Auf dem Posten: Kemal Sahin (40) ist an der Abstrichstelle für die Sicherheit zuständig. „Es gab bisher keine Probleme.“ Foto: Moritz Winde
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