Das innovativste Stadtviertel Ostwestfalen-Lippes ist um ein bemerkenswertes Objekt reicher geworden
Das „Lui.House“ hat viel zu erzählen
Herford (WB).
Die Fassade möchte etwas sagen. Wie das Wasserzeichen einer Banknote schlängelt sich eine schwarze Linie über den dunkelroten Handformklinker des „Lui.Houses“ an der Luisenstraße 4, dem Neubau der Herforder Architekten Heike und Karsten Monke. Es ist eine extra für das Haus eingestreute Manganspur.
Der viergeschossige Bürobau wirkt zwischen dem mächtigen Intercity-Hotel oben und dem villahaften Domizil der „Competenz-werkstatt Beruf“ unterhalb etwas versteckt. Immerhin steht es im architektonisch innovativsten Viertel der Region, mit dem Marta, dem Elsbachhaus und dem Rubens als direkte Nachbarn, dem „Wohnzimmer“ einen Steinwurf weit entfernt als Magnet zu Wilhelmsplatz und Innenstadt. So ein Viertel erwartet man vielleicht in Frankfurt am Main, in München, Berlin oder Hamburg. Aber nicht in der sechstgrößten Stadt Ostwestfalen-Lippes.
Das „Lui.House“ gehört in diese Nachbarschaft. Mit diesem Gebäude haben die Monkes eine Idee umgesetzt, vor der jeder rein monetär denkende Investor erst einmal zurückschrecken würde. Doch die Geschichte muss vom Dach aus erzählt werden.
Hier oben und in den darunter liegenden Zwischendecken ist alles montiert, was das Haus braucht, um zu funktionieren. Zum Beispiel die Photovoltaik-Anlage, die den gesamten Strombedarf deckt. Auch jenen der Beleuchtung, die auf jeder Etage über Ipads gesteuert wird, die wiederum in Wänden aus gereifter Douglasie eingebaut sind. Warme und kühle Luft strömen auch aus den Zwischendecken. Das Gebäude verfügt über eine Tiefengeothermieanlage mit elf Bohrungen in jeweils 100 Metern Tiefe. Eine Betonkernaktivierung nutzt die Fähigkeit der Decken und Wände im Gebäude, thermische Energie zu speichern und damit Räume zu heizen oder zu kühlen. „Überspitzt gesagt nutzen wir aus dem öffentlichen Netz nur den Trinkwasseranschluss. Und den Kanal natürlich“, sagt Karsten Monke.
Im Dach ist ein schwarz lackiertes Gittergestell verankert, das als Trennelement durch das gesamte Treppenhaus bis hinunter in den Keller reicht – ein Spinnennetz, das Auf- und Abstieg voneinander teilt, ohne den Blick zu verbauen. Das Dach verleiht einer weiteren Innenraumtreppe die notwendige Statik. Sie verbindet die verschiedenen Arbeitsetagen miteinander und mündet im Erdgeschoss, ohne den Boden zu berühren. Monke: „Die Treppe scheint zu schweben.“
In den Zwischendecken ist schließlich noch die gesamte Technik installiert, die es zum Beispiel im „Creativ Lab“ erlaubt, eine fünf mal drei Meter umfassende Medienwand herunterfahren zu lassen, auf der Videokonferenzen, Präsentationen oder digitale Workshops umgesetzt werden können. Auf allen Etagen gibt es über Glasfaser eingespeistes WLan. Das „Creativ Lab“, das Kreativ-Labor, ist ein rundum verglaster, 200 Quadratmeter umfassender Veranstaltungsraum direkt unterm Dach. Er kann ebenso gemietet werden wie die angrenzende Dachterrasse mit Blick auf das Marta.
Denn so zeitgemäß die Idee nachhaltiger Architektur auch sein mag, sie muss bezahlbar sein. Neben geringen Unterhaltungskosten trägt dazu zuallererst das Architekturbüro „Archwerk“ der Familie Monke bei, das mit 24 Architekten das komplette zweite Obergeschoss belegt. Dafür wurde der bisherige Firmensitz an der Schillerstraße aufgegeben. Zins und Tilgung für die 4,3 Millionen Euro-Investition sollen darüber hinaus durch die Vermietung hochwertig ausgestatteter Büros für eine bis vier Personen im ersten Obergeschoss erwirtschaftet werden. Dienstleister und Freiberufler, darunter IT-Experten, Finanz- und Versicherungsmakler, hätten bereits Interesse an Räumen in diesem Coworking-Businesscenter signalisiert. Sie können darüber hinaus fünf unterschiedlich große Konferenzräume für Gruppen von fünf bis 18 Personen im Erdgeschoss nutzen – was übrigens auch für Geschäftsleute und Firmen gilt, die sich im gegenüberliegenden Intercity-Hotel einquartiert haben.
Das Erdgeschoss wartet darüber hinaus mit einer luftigen Lobby, einer von Elsbach-Koch Marc Höhne betriebenen Café-Bar samt Außengastronomie und einer „Ape“ aus dem Jahr 1969 auf, einem italienischen, dreirädrigem Kleintransporter, auf dessen Ladefläche Monke eine Kaffeemaschine installieren ließ: „Von diesem Modell gibt es nur drei in Europa. Eines davon steht jetzt hier.“
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