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Peter Fabjan erinnert sich an seinen Halbbruder Thomas Bernhard

Der Unleidliche

Berlin (WB)

Er sei ein Meister im Demütigen gewesen, schreibt Peter Fabjan über seinen Halbbruder Thomas Bernhard. Dennoch oder gerade deswegen hat Fabjan seine Erinnerungen an den berühmten Schriftsteller in einem Buch veröffentlicht. Herausgekommen ist dabei keine Abrechnung, sondern eine posthume Verneigung vor einem Genie.

Hartmut Horstmann

Peter Fabjan: Ein Leben an der Seite von Thomas Bernhard. Ein Rapport, Suhrkamp Verlag, Berlin 2021, 192 Seiten, 24 Euro

Zu Lebzeiten Thomas Bernhards (1931-1989) war jeder neue Roman, jedes neue Theaterstück ein Ereignis. Wer der Sogkraft seiner Sprache erlegen war, hatte keine Wahl. Gerade die unentwegte Wiederholung von Schimpfkanonaden und Kaputtheits-Szenarien konnte zur Obsession führen. Dass Leser und Rezensenten oft versucht haben, aus dieser Art von Literatur den autobiographischen Anteil herauszufiltern, liegt auf der Hand. Zumal der österreichische Autor mit seinen Kindheitserinnerungen selbst Spuren gelegt hat.

Die Verehrung seines Großvaters, eines ebenso unbeugsamen wie erfolglosen Schriftstellers, das schwierige Verhältnis zur Mutter, die den unehelichen Sohn in ein Pflegeheim gab, der Ziehvater, der seine leiblichen Kinder bevorzugte: Konstellationen wie diese werden im Erinnerungsbuch „Ein Leben an der Seite von Thomas Bernhard“ beleuchtet. Als Mediziner hatte der Autor Peter Fabjan stets auch einen fürsorglichen Blick auf seinen von vielen Krankheiten geplagten Bruder – vielleicht war das auch ein Grund dafür, dass Thomas Bernhard ihn zum Alleinerben und Nachlassverwalter machte.

Peter Fabjan hat sich in die Pflicht nehmen lassen – diesen Eindruck erweckt auch das Buch, das sich durch das angenehme Fehlen jeglicher Form von Eitelkeit auszeichnet. Eine Vielzahl von Personen aus dem Leben Bernhards stellt der Halbbruder in Kurzkapiteln vor – eine Fleißarbeit für Liebhaber, die ihren Bernhard-Kosmos erweitern wollen. Ein strengeres Lektorat hätte dem Buch an mancher Stelle gut getan, gleichwohl verstärkt das Unfertige den Charme des Ehrlichen.

Peter Fabjan hat seinen Bruder bewundert, dieser revanchierte sich oft mit Garstigkeit. Bezeichnend eine Stelle, an der sich der Biograf an Bernhards Genesen nach einer schweren Erkrankung erinnert: „Als seine Unleidlichkeit wieder zum Vorschein kommt, sind wir beruhigt. Er ist wieder der, den wir kennen.“

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