Stadttheater Herford: Das Lippische Landestheater begeistert mit grandioser „Aida“-Aufführung
Die Liebe siegt über das Vaterland
Herford (WB). „Aida“ gehört zu den bekanntesten Werken der Opernliteratur. Das Landestheater Detmold präsentierte die italienische Oper in einer grandiosen Aufführung und begeisterte das Stadttheater-Publikum.
Es ist im modernen Regietheater schon so vieles da gewesen, manche Intention bleibt dem Publikum verborgen oder es musste feststellen, dass die Musik in den Hintergrund tritt. Es ist sicher nicht leicht, eine der letzten Opern Verdis, die 1871 in Kairo uraufgeführt wurde, zu inszenieren: Monumentale Massenszenen und intime Seelenschilderungen prallen aufeinander.
Der berühmte „Triumphmarsch“ ist immer wieder als Symbol für (staatliche) Gewaltbereitschaft interpretiert worden. Die Perspektive entscheidet, ob „Aida“ mit Pharaonenkitsch als hollywoodreifes Spektakel oder als Studie menschlicher Gefühle in den Zwängen von Krieg und Fanatismus verstanden wird.
Der Ansatz des international tätigen Regisseurs Joan Anton Rechi (Andorra) der Detmolder Inszenierung ist der eines Kammerspiels: Es geht um die intime Liebes-/Dreiecksgeschichte zwischen drei Personen: Zwei Frauen (Aida, Amneris) streiten um einen Mann (Radames). Die Handlung in ein ägyptisches Museum der Jetztzeit zu versetzen, ist nicht neu, aber reizvoll. Aida ist Reinigungskraft, die anderen Protagonisten Museumsangestellte, der Pharao der Direktor, Radames Wachdienst.
Aida hat sich in einen Mitarbeiter verliebt. Mit Hören der ersten Takte „Aida“ aus ihrem kleinen Radio träumt sie sich in eine ägyptische Welt, in der plötzlich alle als Angestellte eines Pharaonenstaates erscheinen. Von da an läuft das Geschehen auf zwei Ebenen (real und geträumt), was nicht immer konsequent durchgehalten werden kann. Aida ist hier keine starke Frauenfigur, sie wird zwischen den Fronten (Radames-Amneris-Amonasro) hin- und her geschubst – die Idee, sie als Raumpflegerin darzustellen, hat also durchaus seine Berechtigung.
Die Musik erklingt auf höchstem Niveau. Megan Marie Hart (Aida) und Ji-Woon Kim (Radames) singen eindrücklich die Hauptpartien. Besonders Aidas Klage zu Beginn des 2. Aktes, als sie sich bewusst wird, dass sie ihre Heimat nicht mehr sehen wird, geht ans Herz. Khatuna Mikaberidze (Amneris, als Gastverpflichtung) ist Aida eine ebenbürtige Gegenspielerin mit großer musikalischer Ausdrucksfähigkeit. Und auch die kleineren Rollen sind mit Irakli Atanelishvili (Pharao), Seungweon Lee (Oberpriester – besonders eindrücklich beim Tribunal im 4. Akt) und Andreas Jören (Amonasro) hervorragend besetzt.
György Meszaros leitet das gesamte Ensemble, das auch mit großem Extra-Chor angetreten ist, souverän. Bemerkenswert sind die Chorauftritte (Touristen und Wachpersonal), bei denen die sich immer wiederholenden Abläufe wie albtraumhafte Schleifen des Alltagstrotts wirken. Man wundert sich, wie das Orchester, das durch seine Reisetätigkeit gewohnt ist, an unterschiedlichen Orten zu spielen, es schafft, in dem kleinen Orchestergraben Platz zu finden. Schöne Soli gelingen besonders den Holzbläsern. Die Bühnenmusik der Bläser erscheint sehr präsent, so dass sie beim „Triumphmarsch“ in den Klang des großen Orchesters eingebettet ist.
Am Ende entscheidet sich Aida gegen das Vaterland, für den Tod mit dem Geliebten. Die große Schlussszene ist eine von Verdis ergreifendsten Eingebungen und zeigt seine große kammermusikalische Sensibilität, die im „Massengetümmel“ der Oper oft untergeht, hier aber wunderbar herausgearbeitet wird. Die Idee der Inszenierung, die Übergänge der Handlung auf Gegenwarts-Alltag und Traum-Vergangenheit erscheinen oft willkürlich, sind nicht immer logisch nachvollziehbar. Das macht aber nichts, denn das musikalische Geschehen wird dadurch in keiner Weise gestört.
Eine Inszenierung mit offenen Fragen. Musikalisch: ein großer Opernabend im Sinne von italienischem Belcanto.
Startseite