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Weg von der bloßen Funktionalität: Im Marta wird Design der 70er und 80er Jahre gezeigt

Die neue Fröhlichkeit

Herford (WB). Die Avantgarde hat in Ostwestfalen ein Zuhause – und zwar in Lübbecke. Eine dortige Apotheke zähle zu den ersten postmodernen Gebäude in Deutschland, ist der neuen Marta-Ausstellung zu entnehmen.

Hartmut Horstmann

Michael von Jakubowski mag die Kaffeekannen, die den Titel »Die seltenen Vögel« tragen. Der 60-Jährige hat mit seinem Partner die Sammlung aufgebaut, die ab Sonntag gezeigt wird. Foto: Hartmut Horstmann

Der Design-Spezialist Michael von Jakubowski weiß, dass die 1979 fertiggestellte Bahnhofapotheke zumindest in der Anfangszeit umstritten war. Zu den seinerzeit gebräuchlichen Anti-Kosenamen zählte »Waschmaschine«.

Postmoderne Apotheke

Der Weg von Lübbecke nach Herford ist nicht weit. In diesem Falle führt er übers Design. »Rebellische Pracht – Design-Punk statt Bauhaus« lautet der Titel der Ausstellung. Sie enthält Exponate aus der Sammlung der Designfirma Anthologie Quartett, die ihren Sitz im niedersächsischen Bad Essen hat.

Gegründet wurde die Firma von Michael von Jakubowski und seinem mittlerweile verstorbenen Partner Rainer Krause, der in Lübbecke gleichzeitig als Apotheker tätig war. Kontakte zur italienischen Architekten- und Designergruppe Superstudio hatten dazu geführt, dass Designsammler Krause einen der Architekten mit der Planung des Apothekengebäudes beauftragte.

Wenn das Haus den einen oder anderen Zeitgenossen irritiert haben mag, so wohl auch, weil es nicht das darstellte, war man von einem Geschäftshaus erwartete. Kein schnörkelloser Funktionsbau, sondern eine geradezu fröhliche Ästhetik – womit die Brücke zum Rest der Ausstellung in der Lippold-Galerie geschlagen ist.

Schrille Farben, Kaffeekannen, die Namen wie »Die seltenen Vögel« tragen, ein Einkaufswagen als Stuhl: Alles schien möglich, als Designer in den 70er und 80er Jahren gegen die Vorgaben des Funktionalismus rebellierten. Rainer Krause zählte zu den Fans – und sammelte. Heute befindet sich die Sammlung des Anthologie Quartetts im Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden – zahlreiche Exponate wurden fürs Marta zur Verfügung gestellt.

»Die große Langeweile«

»Design-Punk statt Bauhaus«: Im Titel schwingt eine Abgrenzung mit. Angesichts der vielen Bauhaus-Jubiläumsfeiern in diesem Jahr wollten die Marta-Verantwortlichen einen anderen Weg gehen. Gegen das Prinzip des »Form follows function« setzten die Designer etwas Spielerisches, was nicht im bloßen Nutzen aufgeht. Dennoch enthält die Ausstellung auch Zitate der Klassischen Moderne. So hat eine Designergruppe einen Sitzkreis entworfen, der sich an einen Stuhl aus der Frankfurter Küche anlehnt.

Um die Stimmung zu beschreiben, die das Design explodieren ließ, erinnert Michael von Jakubowski an die 60er und 70er Jahre: »Alles musste zusammenpassen. Irgendwann konnte man die Spießigkeit nicht mehr ertragen. Es war die große Langeweile.« Also galt es, einen Angriff auf den vermeintlich guten Geschmack zu wagen – und auch die glamouröse Geste wurde wieder salonfähig.

Die Ausstellung

Die Ausstellung wird am Sonntag, 26. Mai, um 11.30 Uhr eröffnet. Gezeigt werden Möbel, Leuchten und weitere Objekte von Designern wie Ettore Sottsass, Matteo Thun und Michele De Lucchi. Optisches Zentrum der bis zum 1. September zu sehenden Ausstellung ist ein langer Tisch, auf dem Objekte verschiedener Designer stehen oder liegen – so bunt kann die Esszimmerwelt sein.

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