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Remensnider-Haus in der Brüderstraße wurde 1521 errichtet

Eine Herforder „Perle“ wird 500 Jahre alt

Herford (WB)

Mit Superlativen ist Stadtführer Matthias Polster eher zurückhaltend, wenn es um Baudenkmäler geht. Anders ist es, wenn er über das Remensnider-Haus spricht, das in diesem Jahr 500 Jahre alt wird. „Das Gebäude ist nicht nur einzigartig in der Region, sondern für mich europäisches Kulturgut“, sagt Polster.

Ralf Meistes

Insgesamt 21 Figuren zieren die Fassade des Remensnider-Hauses. Die unteren Schnitzereien sind Darstellungen „seelischer Laster“, zu denen unter anderem Zorn, Schmähsucht und Narrheit zählen. Foto: Ralf Meistes

Nicht immer sind die Herforder aber pfleglich mit dem Fachwerkhaus aus dem Jahr 1521 umgegangen. Als Eigentümer Frank Liedtke das dreigeschossige giebelständige Haus 1998 von der damaligen Wohnbau (heute WWS) erworben hat, war es in einem desolaten Zustand, wie alte Aufnahmen aus der Zeit beweisen.

Viel Gerümpel und Müll hat Liedtke, der im Erdgeschoss des Fachwerkhauses sein Immobilienbüro untergebracht hat und im Stockwerk darüber wohnt, vor 20 Jahren aus dem Haus tragen lassen. In den Jahren 1999 bis 2001 hat Familie Liedtke das Haus in der Brüderstraße 26 komplett saniert.

Ziemlich heruntergekommen war das denkmalgeschützte Gebäude, bevor es ab 1999 durch Familie Liedtke saniert wurde Foto:

„Wenn diese Wände reden könnten“, sagt er. Dann wüssten wir heute mehr über jenen Hinrick Aldach, genannt Remensnider, der das Haus anno 1521 errichten ließ.

„Er war Riemenschneider, also Gürtelmacher. Vielleicht hat er auch Taschen und Sättel gemacht, aber da bewegen wir uns schon im Bereich der Vermutungen“, sagt Matthias Polster.

Was wir wissen, und das beeindruckt, dass das Haus vor 500 Jahren aus Eichen gezimmert worden sind, die ihrerseits bereits 250 Jahre alt gewesen sein dürften. Das Haus war auch ursprünglich viel länger. Vermutlich doppelt so lang wie heute, in Richtung Martinsgang ausgerichtet.

In der Kellerwand sind Spolien, also Überreste eines anderen alten Bauwerks zu entdecken. Foto: Ralf Meistes

Denn, so Polster, so ein Gürtelmacher benötigte Lagerfläche, eine Werkstatt, einen Verkaufsbereich. Die Ware konnte auf einem Karren durch das Tor gefahren werden. „In den Etagen darüber waren Bretter im Boden eingelassen, die herausgenommen werden konnten, um die Ware mit einer Seilwinde bis unter das Dach zu transportieren.“

Wenn Polster die Situation von damals schildert, wird Mittelalter lebendig. Er erinnert daran, dass Herford zu jener Zeit vielleicht nur 1500 oder 2000 Einwohner hatte. Dass es rund um das Haus vermutlich viel Grünfläche gab.

Heute verfügt das Gebäude über eine Heizung in der Wand. „Als wir das bei der Sanierung vor 20 Jahren so geplant haben, gab es viel Kritik. Heute wird es von Denkmalschützern sogar empfohlen“, sagt Liedtke. Matthias Polster ist der Auffassung, die Stadt müsse dem Eigentümer sehr dankbar dafür sein, dass dieser so sehr auf den Rat von Denkmalschützern gehört und das Gebäude so liebevoll restauriert habe.

Blick in den winzigen Kellerraum des Gebäudes. Fünf ungleich große Stufen führen unter das Haus. Foto: Ralf Meistes

Im winzigen Keller, über den das Haus ebenfalls verfügt und das über fünf unterschiedlich hohe Stufen zu erreichen ist, sind in den Wänden verzierte Steine verbaut. Matthias Polster vermutet, dass diese Steine mit ihren Mustern aus derselben Zeit stammen, in der das Gebäude errichtet worden ist. Vielleicht zierten sie früher mal einen Kamin, der dann abgetragen worden ist und die Steine zur Ausbesserung verwendet worden sind.

Bei Stadtführungen geht niemand am Haus Brüderstraße 26 einfach so vorbei. An der Fassade befinden sich 21 geschnitzte Figuren mit christlichen Darstellungen (siehe Kasten). Auf einer Schwelle des Schaugiebels kann der Betrachter folgenden lateinischen Text lesen: „Auxilio has Edes fido difendiete divi Que frontispicio stemmata vestra gerunt“. (Verteidigt dieses Haus mit der treuen Hilfe Gottes, das Euren Stammbaum in dem Giebel trägt).

Über der Inschrift sind Wappen der Landesherren von Ravensberg, Lippe, Schaumburg, Waldeck, Osnabrück, Braunschweig und Köln zu erkennen. Die Wappen seien ein Hinweis „auf die weitgespannten politischen und wirtschaftlichen Beziehungen Herfords in dieser Zeit“, schreibt das LWL-Amt für Denkmalpflege in Münster. Matthias Polster ist da zurückhaltender in der Bewertung.

Dicke, uralte Eichenbalken durchziehen die Wohnung von Frank Liedtke in der ersten Etage. Foto: Ralf Meistes

Da die Quellenlage aus jener Zeit insgesamt äußerst dünn sei, müsse man als Historiker viel den Konjunktiv verwenden. „Vielleicht“, so Polster, „wollte Hinrick Aldach einfach nur die Städte ehren, mit denen er besondere Geschäftsbeziehungen gepflegt hat“.

Viel beeindruckender findet der Stadtführer die Tatsache, dass das Haus um 1840 in einem schmalen Bändchen über Deutsche Holzbaukunst im Mittelalter auftaucht. „Während andere Baudenkmäler in dem dünnen Bändchen nur kurz erwähnt werden, haben die Autoren dem Remensnider-Haus eine ganz Seite gewidmet.“

Das Haus befand sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Besitz des Sattlers C. Gellert. Die Stadt Herford hat das Gebäude 1899 gekauft. Im Jahr 1985 erfolgte die Übertragung auf die Wohnbau Herford GmbH. 1998 hat dann die Familie Liedtke das Fachwerkhaus von der Stadt Herford gekauft und saniert.

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