Neuer Briefband: Der Autor schimpft über Verleger, hadert mit dem Altern und erinnert sich an Herforder Schulfreunde
Hans Wollschläger: Aus dem Innenleben eines streitbaren Literaten
Herford
Der Teufel hole den Tod, schreibt Hans Wollschläger. Der von Krankheit gezeichnete Zustand eines alten Freundes veranlasst ihn zu diesem Satz. Aber auch der Autor selbst hatte mit dem Älterwerden seine Probleme. Dies zeigt ein Briefband, der jetzt im Wallstein-Verlag erschienen ist.
Hans Wollschläger (1935 - 2007) ist als Sohn eines Pfarrers auf dem Herforder Stiftberg aufgewachsen. Später zog er nach Bamberg, übersetzte den „Ulysses“, verfasste eine wegweisende Karl-May-Biographie und tat sich als Herausgeber und zeitkritischer Essayist hervor.
Die jetzt im Wallstein-Verlag erschienenen Briefe kreisen vor allem um das Werk Hans Wollschlägers. Da geht es um die Suche nach einem Verlag für die neue Karl-May-Gesamtausgabe, aber auch um die eigenen Bücher. Fast schon resigniert muss der Autor feststellen, dass sein einst hochgelobtes Tierschutz-Plädoyer „Tiere sehen dich an“ kaum noch verkauft wird.
Doch jenseits aller Werk-Gedanken offenbaren die Briefe auch Privates. So berichtet Wollschläger im Mai 2005 von einer Begegnung mit ehemaligen Mitschülern des Friedrichs-Gymnasiums. Der Verfasser selbst war da 70 Jahre alt und schreibt: „Die Woche mit den Mitschülern war doch sehr eigenartig: furchtbar vergreiste Menschen allesamt.“ Gleichzeitig rühmt Wollschläger aber auch die nach Jahrzehnten noch vorhandene Vertrautheit.
Ein Jahr später erzählt er in einem Brief von einer Reise, die mit einem Klassentreffen verbunden war. Gemeinsam habe man eine Woche in einem Hotel in Palermo gewohnt. Bilder von der Reise zeigen eine Gruppe, zu der auch Jan Ahlers gehörte. Zudem taucht der Unternehmer in dem Buch auch als Briefpartner auf.
Für Wollschläger war es aber vor allem eine Reise mit gesundheitlichen Konsequenzen: Denn beim Rückflug fing er sich einen Keim ein, von dem er sich nie mehr richtig erholen sollte.
Der Autor hing an den alten Freundschaften, nahm durch sie aber immer auch das eigene Altern war: „Vielleicht sollte man alte Leute, die man jung gekannt hat, überhaupt nicht mehr in Augenschein nehmen?“
Die Stadtentwicklung Herfords nach dem Zweiten Weltkrieg hat Wollschläger heftig kritisiert. Verbundenheit mit seiner Heimat wird aber in einem Brief deutlich, den er an den Marienpfarrer Friedrich Brasse richtete. Über den Stellenwechsel seines Vaters Hermann Wollschläger, der Herford einst verlassen hatte, schreibt er: „Eine Frage der Nachkriegszeit, die sich mir nie geklärt hat, betrifft den Weggang meines Vaters vom Stiftberg: aus der wunderbaren Marienkirche in das öde Ruhrgebiet.“
Kritik äußert der Pfarrerssohn aber an der Neugestaltung des Gotteshauses. Er spricht von „leerem Modernistenwerk“ und hofft, dass eine neue Generation die schöne alte Bemalung der Jahrhundertwende unter der jetzigen Wartesaal-Tünche wieder hervorhole.
In seinen Briefen wird der Autor, sonst ein Freund der ineinandergreifenden Schachtelsätze, oftmals erfrischend direkt. Vor allem die Verleger haben es ihm angetan. Schnell wird aus einem von ihm gefeierten Literaturförderer ein vermeintlicher Übeltäter, der nur Schlechtes bewirke. Da wirkt es fast skurril, wenn der Atheist Wollschläger den in eine finanzielle Schieflage geratenen Verleger und Ex-Freund Haffmanns als „inzwischen zu Fall gekommenen Erzschurken und Antichristen“ tituliert.
Das Schimpfen über die wechselnden Verleger zieht sich durch das Buch. Lediglich der Wallstein-Verlag, in dem die Wollschläger-Gesamtausgabe erscheint, bleibt von Kritik verschont. Der Herausgeber Thomas Körber setzt hier auf die Mündigkeit des Lesers, der die Streitbarkeit des Autors erkennt und den Anschuldigungen nicht blind Glauben schenkt.
Dieses Durchschauen ist notwendig, da die Briefpartner in dem Buch nicht zu Wort kommen. Dennoch hätte man sich bei besonders harten Vorwürfen die eine oder andere aufklärende Bemerkung des Herausgebers gewünscht.
Darüber hinaus erlebt der Leser einen Hans Wollschläger, wie er Duftmarken setzt, überempfindlich reagiert oder von seinen Leiden, von Nikotinentzug und Blutdruck senkenden Tabletten, berichtet. Als Gradmesser des eigenen Wissens führt er die „Lektüre von etwa 25.000 Büchern“ an, andererseits verheimlicht er auch die Spuren der Depressionen und des Älterwerdens nicht: „Mich haben die Jahre doch ziemlich benagt, und meine Fähigkeit, mich gut leiden zu können, hat erheblich abgenommen, weshalb auch immer seltener jemand auf die Idee kommt, mich vors Objektiv zu nehmen.“ Schönere Worte lassen sich über die Kehrseite der Eitelkeit kaum finden.