Jan Bürger bietet einen Streifzug durch die hanseatische Kulturgeschichte
Hamburg in Häppchen
Bielefeld (WB)
Der Bankier Salomon Heine (1767-1844) war einer der reichsten Menschen in Hamburg und trat als wohltätiger Stifter auf. Über seinen Neffen Harry sagte er: „Hätte er etwas gelernt, bräuchte er keine Bücher zu schreiben.“ Dass gerade der nichtsnutzige Neffe – Heinrich Heine – für das Weiterleben des Familiennamens sorgen sollte, ist einer dieser Triumphe, die die Kulturgeschichte mitunter schreibt.
Nachzulesen ist das komplizierte Verwandtschaftsverhältnis in einem neuen Buch des Literaturwissenschaftlers Jan Bürger. Es trägt den Titel „Zwischen Himmel und Elbe“ und bildet eine originelle Verbindung von Kulturgeschichte und Reiseführer.
Ausgehend vom Liniennetz des Hamburger Verkehrsverbundes, dienen einzelne Haltestellen als Ausgangspunkt für intellektuelle Streifzüge. Entstanden ist so eine pointierte Kulturgeschichte, die auch von Menschen ohne Hamburg-Fahrplan im Kopf mit Gewinn gelesen werden kann.
Bereits in seiner Einleitung macht Bürger deutlich, was Hamburg von einer klassischen Kulturstadt samt reichhaltiger Historie unterscheidet: „Während andere Metropolen durch ihre politische Funktion Bedeutung gewannen, durch Höfe oder Regierungssitze, wuchs die Stadt an der Elbe allein durch den Handel.“
Entsprechend groß war die Rolle, die das kaufmännische Kalkül spielte. Für Harry (später Heinrich) Heine war Hamburg „die Stadt der Pfeffersäcke“. Und wenn eine solche Stadt über ein imposantes Gebäude wie einen gotischen Dom verfügt, wird er abgerissen, weil er in der nüchtern protestantischen Welt nutzlos geworden ist.
Und so macht sich der Autor auf Spurensuche. Wenig überraschend beginnt die Tour an der Elbphilharmonie. 866 Millionen Euro kostete der Bau, dessen Entstehen von Pannen und Protesten begleitet war. Doch auch das ist Hamburg: In Rekordzeit ist der spektakuläre Konzertsaal nach seiner Einweihung im Jahr 2016 zum Wahrzeichen geworden.
Jan Bürger nimmt den Leser mit zu den Stationen, an denen Autoren wie Gotthold Ephraim Lessing, Heinrich Heine oder Hans Erich Nossack wirkten. Der Leser erfährt, dass es auch den Komponisten Johann Sebastian Bach fast nach Hamburg verschlagen hätte. Er war als Organist für St. Jacobi im Gespräch, faszinierte beim Vorspielen – und scheiterte aus einem wahrhaft hanseatischen Grund: „Letztlich fehlte ihm das Geld, das er an die Kirchenkasse hätte entrichten müssen.“
So ist Kulturgeschichte immer auch eine Geschichte der verpassten Chancen. Jahrhunderte später indes sollte Hamburg ganz vorne mit dabei sein. Von der Reeperbahn aus starteten die Beatles ihre Karriere. Im Lokal Indra, das es heute noch gibt, gab die Band ihr erstes Konzert. „Die Musik ist ein schrammiger Schrott“, meinte ein Zeitgenosse. Der Rest ist popkulturelle Weltgeschichte.
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