1. www.westfalen-blatt.de
  2. >
  3. OWL
  4. >
  5. Herford
  6. >
  7. Models in Müllsäcken

  8. >

Aktivisten protestieren gegen »arbeitsrechtliche Grausamkeiten« von H&M in Herford

Models in Müllsäcken

Herford (WB). Ungewöhnliche Demo vor der H&M-Filiale im Gehrenberg: Mit einer »Modenschau der arbeitsrechtlichen Grausamkeiten« haben am Freitag etwa 20 Aktivisten gegen die Personalpolitik des schwedischen Mode-Giganten protestiert.

Moritz Winde

Modell »Willkür« und »Gewerkschaftsfeind«

Mit Lumpen bekleidet und in Müllsäcke gehüllt, stolzierten die »Models« über einen roten Teppich. In den Händen hielten sie Schilder mit den Namen der Outfits aus ihrer aktuellen Herbst-Kollektion. Die Modelle »Willkür«, »maximal wenig Personal«, »Mein Frei gehört H&M«, »Gewerkschaftsfeind«, »Flex-Verträge« und »Teilzeit« sollten die nach Ansicht der Protestler »perfiden Profitquellen« des Konzerns ans Licht bringen.

Für seinen alljährlichen Protest gegen Unternehmen am Aktionstag »schwarzer Freitag, der 13.« hatte sich der Kölner Verein »Arbeitsunrecht – Initiative für Demokratie in Wirtschaft & Betrieb« – per Online-Abstimmung diesmal den Bekleidungs-Riesen als »Horror-Arbeitgeber« ausgesucht. In deutschlandweit 21 Fußgängerzonen fanden Aktionen statt – als einziges in OWL gehörte Herford dazu.

Passanten bleiben verblüfft stehen

Mitglied Tim Bergmann aus Bad Oeynhausen sagte, dass der Verein sich zum Ziel

gesetzt habe, gegen die professionelle und systematische Bekämpfung von Betriebsräten, Lohndrückern und skrupellosen Profit-Maximierern zu kämpfen. »Leider sind die Gewerkschaften in dieser Hinsicht mittlerweile viel zu zurückhaltend. Das ist schade!«

Der 32-Jährige erklärte den teilweise verblüfften Passanten, was es mit der »Modenschau der Grausamkeiten« auf sich hat. »Nach eigener Darstellung ist es großartig, bei H&M zu arbeiten. Doch H&M gehört zu den Spitzenreitern bei Arbeitsverträgen, bei denen auf die Interessen der Beschäftigten keinerlei Rücksicht genommen wird. Es herrschen Willkür und Gewerkschaftsfeindlichkeit. Betriebsräte werden systematisch bekämpft. Um eine aufmüpfige Belegschaft loszuwerden, wird sogar geplant, einen ganzen Standort, nämlich das Großlager in Großostheim, zu schließen.«

20.186 Mitarbeiter in Deutschland

Die schwedische Aktiengesellschaft Hennes & Mauritz machte im Jahr 2016 mit 23,6 Milliarden Euro den größten Umsatz der Unternehmensgeschichte. H&M Deutschland beschäftigt insgesamt 20.186 Frauen und Männer und betreibt 436 Geschäfte. »Der Gewinn der Aktionäre basiert auf ausbeuterischen Produktionsbedingungen und der Ausbeutung des Personals«, sagte Bernd Mehrhoff. Der 63-jährige Sozialpädagoge und Vorsitzende des Verdi-Ortsvereins Minden-Lübbecke gründete mit einige Mitstreitern vor einigen Monaten den Verein »Roter Punkt OWL«, der die Aktionen des Vereins »Arbeitsunrecht« unterstützt.

Anfang des Jahres hatten sich Demonstranten die Median-Klinik am Park in Bad Oeynhausen vorgeknöpft. Als Kammerjäger verkleidet, hatten sie damals symbolisch »Bazillen« vom Gehweg gefegt, um den Umgang des Konzerns mit einem Teil der 15 000 Beschäftigten zu kritisieren.

Mit der Aktion in Herford ist Tim Bergmann zufrieden. »Wir wollen das Thema in die Öffentlichkeit holen. Das ist uns heute gelungen.«

Der nächste Freitag, der 13., ist übrigens im April. Mal sehen, gegen welches Unternehmen sich dann der Widerstand der Aktivisten richten wird. »Wir kommen auf jeden Fall wieder«, kündigt Tim Bergmann an.

Das sagt H&M

Das schwedische Textilunternehmen weist die Vorwürfe des Vereins »Arbeitsunrecht« zurück. »Wir erschweren keine Betriebsratsarbeit. Es ist nicht korrekt, dass wir Betriebsräte zermürben oder diesen juristisch nachstellen. Im Fall von Kündigungen liegen sehr gut begründete Tatschen vor«, sagt Deutschland-Sprecherin Anna Bünger.

Nie habe es Kündigungen aufgrund von Gewerkschafts- oder Betriebsratsarbeit gegeben und werde es auch in Zukunft nicht geben. Die Maßstäbe für eine Kündigung setzten die gesetzlichen Vorgaben. Als verantwortungsvoll agierendes Unternehmen habe man sowohl die betriebswirtschaftlichen als auch die Interessen der Mitarbeiter im Blick. »Wir nutzen verschiedene Arbeitszeitmodelle, welche das deutsche Arbeitsrecht zulässt.«

Bünger: »H&M pflegt mit dem Gesamtbetriebsrat und den einzelnen Betriebsräten einen konstruktiven Dialog.« Es sei von großer Bedeutung, eine gute Beziehung zu allen Mitarbeitern zu haben. H&M habe sich weltweit zur Einhaltung der Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, bekannt.

Startseite
ANZEIGE