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Bonitas-Gesellschafter Lars Uhlen spricht im Interview über Schnelltests, Shutdown und Corona-Tote

„Sinkende Zahlen wären doch unlogisch“

Kreis Herford (WB)

Die Massen-Impfungen laufen: Seit Sonntag wird der Stoff im Kampf gegen die Pandemie in Alten- und Pflegeheimen gespritzt. Bis zur Herdenimmunität wird es aber noch dauern. Das heißt, Corona-Schnelltests bleiben wichtig. Auch darüber hat Bonitas-Gesellschafter Lars Uhlen mit Redakteur Moritz Winde gesprochen.

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Lars Uhlen hat mit Bonitas einen der größten Pflegedienste in Deutschland gegründet. Vor Kurzem gab der 52-Jährige die Geschäftsführung ab, bleibt aber Gesellschafter. Foto: Moritz Winde

Herr Uhlen, seit wann setzen Sie in den Bonitas-Einrichtungen Schnelltests ein?

Lars Uhlen:  Wir testen seit der zweiten Novemberwoche. Im November waren es 38.490 Tests. Im Dezember haben wir zwischen 10.000 und 15.000 pro Woche gebraucht. Im Großen und Ganzen rechnen wir mit 50.000 bundesweit, also mit allem was zur Bonitas-Gruppe gehört.Wir haben bereits Mitte Oktober als erster überhaupt bestellt und uns 300.000 Tests gesichert. Diese reichen wahrscheinlich bis in den April.

Welche Erfahrungen haben Sie mit den Schnelltests gemacht?

Uhlen: Die Schnelltests sind eine große Erleichterung, einfach in der Handhabung und sie geben eine große Sicherheit, die man erst empfindet, wenn man sie durchgeführt hat.Beim negativen Test ist erst zu spüren, wie sehr im Kopf parallel die Angst und die Vorsicht mitlaufen, gepaart mit der Verantwortung den Patienten gegenüber.

Haben Sie Verständnis für Heime, die sagen, der Aufwand sei zu groß?

Uhlen: Nein, im Gegenteil: Das empfinde ich als störend. Es ist Aufgabe aller, die medizinischen Möglichkeiten zu nutzen, weil es die größtmögliche Sicherheit für unsere Bewohner und Patienten bietet.

Der Abstrich aus Rachen und/oder Nase muss in eine spezielle Flüssigkeit getaucht werden. Foto: Moritz Winde

Wie beurteilen Sie den abermaligen Shutdown?

Uhlen: Der Shutdown war überfällig bei den aktuellen Zahlen. Ich persönlich finde es etwas schräg, wenn gefühlt die Welt untergeht, aber ein Shutdown ein paar Tage Vorlauf lässt, sodass alle noch einmal richtig aktiv werden.

Sie kritisieren die Politik?

Uhlen: Ich denke, das Krisenmanagement der Politik ist im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr gut. Mir scheint, dass die Politik im Rahmen der Fortschritte der Wissenschaft sehr zügig und kompetent reagiert.

Sie haben die hohen Infektionszahlen angesprochen. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Uhlen: Ich bin kein Experte, aber meine nichtwissenschaftliche einfache Logik sagt mir, dass wenn seit November in der kompletten Pflege viele Millionen Schnelltests durchgeführt werden, dass es dann völlig unlogisch wäre, wenn die Zahlen nicht steigen würden. Das irritiert mich schon etwas.

Also mehr Tests, mehr Infizierte?

Uhlen: Im Prinzip ja. Wenn Bonitas im Dezember bereits 50.000 Tests durchführt, müssen es in der gesamten Pflege und dem Gesundheitsbereich weit mehr als fünf Millionen sein, das ist das doppelte der üblichen Testkapazität. Zwar ist unsere Trefferquote, Gott sei Dank, sehr niedrig, zumal wir auch symptomfrei testen.Nichtsdestotrotz gibt es natürlich Zufallstreffer, was hochgerechnet auf die vielen Menschen selbstverständlich zu einer erhöhten Fallzahl führen muss. Ist nun bundesweit die Fallzahl eher als stabil wahrzunehmen, ist das theoretisch ja mal ein Erfolg.

Schlagen Sie einen Strategiewechsel vor?

Uhlen: Nein, viel zu testen ist richtig. Und es ändert auch gar nichts an den Maßnahmen zur weiteren Eindämmung. Aber ich vermisse sehr, dass dieses einer sehr simplen Logik entsprechenden Phänomen nicht in der täglichen Berichterstattung und auch nicht von Politikern Erwähnung findet.Wahrscheinlich würde nicht nur ich, sondern auch viele andere sich mehr mitgenommen fühlen. Wir müssen es gemeinsam verhindern, dass Menschen sich übersättigt fühlen, innerlich dicht machen – angesichts der nicht enden wollenden Schleife an Hiobsbotschaften und Kommentaren zum Thema Corona.

Bereits nach 15 Minuten liegt das Ergebnis vor. Ein Strich bedeutet negativ – ähnlich wie beim Schwangerschaftstest. Foto: Moritz Winde

Es gibt sie aber nun einmal, die Hiobsbotschaften. Im Kreis Herford sind bislang 56 Menschen im Zusammenhang mit Corona gestorben.

Uhlen: Ja, und das ist eine Tragödie. Ich fühle aus ganzen Herzen mit diesen Menschen, den Angehörigen und natürlich auch ganz besonders mit den Kollegen in der Pflege. Es tut mir so leid für die Verstorbenen, die so plötzlich aus dem Leben gerissen worden sind, in dem Bewusstsein der Endlichkeit vielleicht noch die Hoffnung hatten ein eventuell schönes Weihnachten zu erleben.Ich fühle aber auch ganz besonders mit den Pflegekräften, die sicherlich alles denkbare getan haben, ihre Patienten und Bewohner zu schützen – und hoffentlich nicht zu intensiv mit dem subtilen Gefühl von Schuld belastet sind.

Was sagen Sie zum Impf-Start?

Uhlen: Das ist ein historisches Ereignis, an das man sich noch in vielen Jahren erinnern wird – nach dem Motto: Da war ich da und da. Ich hoffe, es geht jetzt zügig voran, weil es die Grundvoraussetzung ist, wieder ins Leben zu kommen.

Blick ins Corona-Testzentrum im kleinen Bonitas-Heim am Herforder Wall: Leiterin Daniela Wexel nimmt einen Abstrich von Kollegin Nicola Meier. Foto: Moritz Winde
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