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Eva Liesche von der Diakonie Herford spricht über ihre Arbeit in Corona-Zeiten

Wenn die Einsamkeit kommt

Herford (WB)

Die Zahl der Krisengespräche nimmt nicht zu, aber deren Intensität, sagt Eva Liesche von der Diakonie Herford. Die Psychotherapeutin hilft vor allem Spielsüchtigen, ihre Probleme in den Griff zu bekommen.

Ralf Meistes

Die Zahl der Telefonate hat bei Eva Liesche nicht zugenommen, wohl aber die Intensität der Beratung. Foto: Oliver Berg

In Corona-Zeiten, in denen die Beratung auf das Telefon beschränkt ist, treten aber immer häufiger auch andere Ängste zu Tage. Da ist die Angst vor der Einsamkeit, die von ihren Klienten immer wieder angesprochen wird. Die Wochen des Lockdowns, der Selbstisolation, hinterlassen Spuren. Es geht auch um existenzielle Nöte, beispielsweise, weil jemand, der Liesches Nummer gewählt hat, sich Sorgen um seinen Arbeitsplatz macht oder diesen gerade als Folge der Pandemie verloren hat. Und schließlich schwingt in Gesprächen häufiger als sonst die Angst mit, wieder rückfällig zu werden. Denn wer zurzeit nicht arbeiten kann, nicht ins Fitness-Studio darf und auch ansonsten kaum Ablenkung hat, der greift im Zweifel wieder häufiger zum Smartphone und landet auf einer der vielen Online-Spiele-Plattformen.

Die Spielotheken sind zwar derzeit geschlossen, aber die Online-Spiele boomen. „Online-Spiele locken ja damit, dass sie anfangs kostenlos sind. Nach einer gewissen Zeit, müssen die Nutzer dann doch Geld bezahlen, wenn sie im Spiel weiterkommen wollen. Ich vergleiche das kostenlose Online-Spiel manchmal mit dem alkoholfreien Bier für Alkoholiker. Ist man erst mal wieder auf den Geschmack gekommen, ist die Gefahr größer, wieder rückfällig zu werden“, sagt Eva Liesche. Hinzu käme die Sorge, aufgrund von Job-Verlust die Spielschulden, die man irgendwann aufgebaut hat, nicht zurückzahlen zu können.

Die Beratung auf Distanz, also per Telefon, hat so ihre Tücken. „Sitzt mir ein Klient im Raum gegenüber, kann ich auch über Mimik und Gestik erfahren, wie es ihm momentan geht. Das ist per Telefon, wo es darum geht, Untertöne herauszuhören, natürlich schwieriger“, erklärt Liesche. Damit sich ihr Gegenüber voll und ganz auf das Gespräch konzentriert, simuliert sie ein Bürogespräch.

„Ich sage der Person, mit der ich telefoniere, dass sie sich in ihrer Wohnung oder ihrem Haus einen ruhigen Ort für das Gespräch suchen soll. Ein Gespräch führen und nebenbei kochen oder auf einem Computer herumdaddeln funktioniert nicht“, sagt Liesche. Bis zu 50 Minuten dauern die Gespräche in der Regel. Etwa 20 dieser Gespräche führt sie in der Woche.

Was aus ihrer Sicht in der Gruppe der Spielsüchtigen, die sie betreut, gut funktioniert, sei die gegenseitige Unterstützung. „Die sind in Whats-App-Gruppen oder anderen Social-Media-Gruppen organisiert und sprechen sich gegenseitig Mut und auch mal Trost zu“, berichtet die Psychotherapeutin.

Eva Liesche ruft ihre Klienten auch an, um einfach mal zu hören, wie es so geht. Sorgen macht sich die Psychotherapeutin in diesen Tagen um die Menschen, die die Beratungsstellen nicht erreichen. Menschen mit Kontaktstörungen, die aufgrund ihrer Persönlichkeit es nicht schafften, zum Telefonhörer zu greifen und um Hilfe zu bitten. „Das sind einsame Wölfe. Die melden sich nicht.“

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