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Kunst im öffentlichen Raum: ein Streifzug durch Herford

Wenn die Museen geschlossen sind

Herford (WB)

Ein Kometeneinschlag im Stadtpark, ein Hubschrauber auf einer Trafo-Station, ein schwimmender Kopf, der singt: „Ich habe genug“: Die Kunst, die sich den Passanten in der Stadt Herford präsentiert, ist vielfältig. An viele der Arbeiten haben sich die Bürger gewöhnt, einige fallen kaum noch auf. Doch in Zeiten, in denen die Museen wegen Corona geschlossen sind, bietet der öffentliche Raum Chancen der Neuentdeckung. Und gesund ist ein Kunstbummel an der frischen Luft allemal.

Hartmut Horstmann

Innen und außen: Die Architektur des Paderborners Wilfried Hageböllingam Pöppelmann-Haus findet ihre Negativ-Entsprechung im Erdreich. Allerdings kaum erkennbar, da ein Gitter unachtsame Zeitgenossen davor bewahrt, ins Kunst-Loch zu fallen. Foto: Foto: Hartmut Horstmann

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Sinnvoller Ausgangspunkt einer kleinen Wanderung ist das „Stadt-Stift-Denkmal“ des Bildhauers Wolfgang Knorr an der Markthalle. Der Bürgermeister sitzt auf dem Schoß der Äbtissin – ein Bild für das alte Miteinander von Stadt und Stift, ein Bild für die Blütezeit Herfords.

In die Gegenwart führt das Projekt „Fünf Tore/Fünf Orte“. Unter Federführung des Museums Marta geht es darum, die verschwundenen Stadttore mittels Kunst im öffentlichen Raum ins Bewusstsein rufen. Bisher sind zwei Arbeiten entstanden, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Den Anfang machten die „Safety Cones“ des amerikanischen Künstlers Dennis Oppenheim am Bergertor. Der Aufstellung im Herbst 2010 war eine hitzige Kontroverse vorausgegangen, die im Bürgerentscheid mündete – die erste Abstimmung über Kunst im öffentlichen Raum in NRW. Die Befürworter siegten knapp – sodass die großen Pylonen mit ihren blauen Fenstern seitdem durch die Nacht leuchten.

Weniger spektakulär fällt die zweite Arbeit aus, die Skulptur „Melilla Mauerspringer“ des spanischen Künstlers Fernando Sánchez Castillo. Doch auch vor der Aufstellung der auf einem Laternenpfahl sitzenden Figur gab es Probleme. So hatte sich der Künstler für einen Masten auf dem Mittelstreifen der Lübberstraße entschieden, doch die Behörde Straßen NRW lehnte ab. Es wurde befürchtet, das Kunstwerk könnte die Autofahrer ablenken. Der Künstler wich auf eine Bushaltestelle an der Ecke Jahnstraße aus.

Die Gefahr, dass Verkehrsteilnehmer abgelenkt werden, besteht an der Stelle tatsächlich nicht – um den Preis, dass die Skulptur kaum wahrgenommen wird. Das Motiv des Flüchtlings, das der Künstler in seiner Arbeit aufgreift, wird so an den Rand gedrängt.

Dass Kunst nicht zu Unfällen führt, wird aus dem Schicksal einer Arbeit aus dem Jahr 1992 deutlich. „Stehender Verkehr“ heißt die Schrott-Installation von Jürgen Heckmanns auf der Kreuzung am Go Parc. Viele Autofahrer indes nehmen die aus einem Volvo gepresste Säule kaum wahr.

Mit einer Art Schattendasein muss sich auch die Skulptur „Die Philosophin“ begnügen. Direkt neben dem Eingang des Marta steht die Figur von Markus Lüpertz – und zwar so nah am Museum, dass sie von Spaziergängern meist übersehen wird, aber immerhin wettergeschützt ist.

Anders der Gangster-Rapper Tupac, den der Künstler Pablo Chiasera auf einem hohen Sockel in maskuliner Pose präsentiert. Ein paar Meter weiter dann der obligatorische zeitgenössische Beitrag für Spötter, die gerne fragen: Das soll Kunst sein? Der Künstler Michael Sailstorfer hatte einen Hubschrauber besorgt, der mittels Kran auf eine Trafo-Station gesetzt wurde. „Hoher Besuch“ heißt die Installation, die aus einem schmucklosen Funktionsgebäude immerhin einen Sockel für die Kunst macht.

Um ein Trafo-Haus machte sich auch der dänische Street-Art-Künstler Victor Ash verdient. Seine Gestaltung im Stadtpark soll an einen Kometeneinschlag erinnern. Könnte aber auch als Vorlage für ein Hemd-Muster aus den 70er Jahren dienen. Doch wie dem auch sei: Ash zählt zu den renommierten Street-Art-Künstlern – wie überhaupt in der Stadt Herford seit der Street-Art-Aktion während der Hansetage im Jahr 2013 zahlreiche bemalte Fassaden zu sehen sind. Besonders beliebt der „Bobby“ des britischen Künstlers Boxi, Radewiger Straße. Mit einer Plexiglasscheibe wird das Wandbild mittlerweile geschützt.

Eine besondere Art von Schutz erfährt auch eine Arbeit des Paderborners Wilfried Hagebölling am Pöppelmann-Haus. Sie besteht aus einer Betonarchitektur und einer Art Negativform dazu, die in den Boden eingelassen wurde. Hagebölling wollte das Kunst-Loch frei zugänglich machen. Doch ein Gitter sorgt dafür, dass niemand hineinfallen kann – sodass die Arbeit „Ohne Titel“ verschwindet. Kunstgeschichten, die der Alltag schreibt.

Geschichten von Leben und Tod erzählt die Arbeit von Alexandra Ranner an der Johanniskirche. In einem Haus ist ein Film zu sehen, in dem ein Kopf auf einem Wasser treibt und singt: „Ich habe genug.“ Vor der Aufstellung der Installation an einem Standort, der der Kirche gehört, wurden kritische Stimmen laut. Nach der Aufstellung verstummten sie.

Bemerkenswert bei der Arbeit von Ranner, aber auch bei anderen Beispielen von Kunst im öffentlichen Raum ist: Die Finanzierung erfolgte über Sponsoren. Ohne sie wäre das Kunstleben ärmer.

Hilfreiche Hinweise samt Plan für einen Kunstbummel liefert der Pro-Herford-Flyer „Stadtrundgänge“.

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