Bluttat von Eilshausen: am zweiten Prozesstag werden erstaunliche Details bekannt
Fluchtauto für 25 Euro verkauft
Bielefeld/Hiddenhausen (WB). Sie machen keine Angaben zur Sache, noch nicht einmal zur eigenen Person. Im Prozess um die Bluttat vom 30. Mai in Eilshausen schweigen die Brüder Ismet A. (31) und Ferhan A. (33) eisern. Am zweiten Prozesstag vor dem Landgericht Bielefeld wurde möglicherweise deutlich warum.
Denn am Tag nach dem Tod von Raschad A. (30), der auf offener Straße mit 20 Messerstichen getötet worden war, hatte sich Ismet A. ausführlich in zwei
Vernehmungen geäußert – und offenbar in Widersprüche verstrickt. Zum Tatzeitpunkt will er im Haus seiner Eltern in Herford an der Diebrocker Straße geschlafen haben, sein Handy habe er in seiner Wohnung an der Mindener Straße liegen lassen, gab er gegenüber den Vernehmungsbeamten an. Auch vom Tod Raschad A.s habe er erst von der Polizei erfahren.
„Er wirkte erschöpft“
Dabei belegt laut Polizeiakten ein Gesprächsprotokoll, dass Ismet A. in der Tatnacht und am anderen Morgen über sein Handy Kontakt zu einem guten Freund aufgenommen hatte – obwohl ihm dies angeblich nicht zur Verfügung stand? „Raschad ist tot“, lautete eine um 9.18 Uhr abgesetzte Chat-Nachricht. „Deshalb ist seine Darstellung unglaubwürdig“, sagte am Freitag ein Kriminalhauptkommissar im Zeugenstand, der den Herforder am 31. Mai vernommen hatte.
A. hatte sich in der Polizeiwache an der Hansastraße gestellt – nach eigenen Angaben allerdings nur, weil er wissen wolle, warum die Polizei am frühen Morgen nach der Tat seine Wohnung durchsucht habe. Sein Vermieter habe ihn informiert. Zu diesem Zeitpunkt war A. bereits zur Fahndung ausgeschrieben. Gegenüber Familienmitgliedern soll er geäußert haben, sie sollten einen Anwalt informieren, wenn er nicht um 18 Uhr wieder zu Hause sei.
„Er wirkte sehr erschöpft und auch so, als wenn er Drogen genommen hätte“, sagte der Polizist. „Ich hatte den Eindruck, er war am Ende.“ A. gab bei den Vernehmungen an, dass Raschad A. bei ihm mit 1200 Euro in der Kreide stehe. Als er das Geld habe zurückfordern wollen, habe Raschad A. ihm am 29. Mai an der Tür seiner Wohnung an der Maschstraße in Eilshausen unter Zuhilfenahme eines Quarzsandhandschuhs mit kräftigen Schlägen das Nasenbein gebrochen – zweifach. Er habe sich im Klinikum behandeln lassen, das Krankenhaus dann aber entgegen ärztlichen Rats verlassen. Am nächsten Tag, dem Tattag, hätten ihn Eltern und Geschwister überredet, zu ihnen zu kommen.
Vernehmung ohne Anwalt
Das Verhältnis zu seinem Schuldner sei gut, ja freundschaftlich gewesen. Im Streit um das Geld habe Raschad A. ihn aber übel beleidigt und dann eben massiv verletzt. Einen Tag später war der Hiddenhauser tot. In der Vernehmung mit der Nachricht über den gewaltsamen Tod konfrontiert, sei er „unberührt“ geblieben, sagte eine Polizistin im Zeugenstand, die bei den Vernehmungen ebenfalls anwesend war. „Er wurde jedoch unruhiger, als wir ihn mit dem Chatverlauf konfrontierten, der belegt, dass sein Handy in der Tatnacht genutzt worden war.“ Das Mobiltelefon, das sich nach Darstellung Ismet A.s noch in seiner Wohnung befinden sollte, ist bis heute verschwunden.
Dass er bei den Vernehmungen keinen Rechtsbeistand an seiner Seite hatte, sieht die Verteidigung offenbar als Hebel, die Verwertbarkeit der Aussagen in Zweifel zu ziehen. Denn bei der zweiten Vernehmung habe A. darum gebeten, wegen des Nasenbeinbruchs ein Schmerzmittel zu bekommen. Sogar ein Arzt sei hinzugezogen worden. „Warum ist aber der auffällige Zustand nicht im Verhörprotokoll vermerkt worden“, fragte Martin Lindemann, Verteidiger von Ismet A. Beide Polizeibeamte gaben jedoch an, dass A.s Zustand keinen Anlass gegeben habe, die Vernehmung abzubrechen.
Fortsetzung am 27. Januar
Das mutmaßliche Fluchtauto, eine Mercedes A-Klasse, war erst im Herbst im Zuge eines Weiterverkaufs in Bad Salzuflen wieder aufgetaucht. „Der Bezug des Fahrersitzes war abgezogen. Das war auffällig“, berichtete der Kriminalhauptkommissar. Schwestern der Angeklagten hätten das Fahrzeug am 3. Juni abgemeldet. Das erst wenige Tage vor der Tat für 350 Euro erworbene Auto sei für 25 Euro an einen Bulgaren verkauft worden.
Der Prozess wird am 27. Januar fortgesetzt. Dann geht es um die Vernehmung von Ferhan A. Er soll das spätere Opfer mit einem Anruf zum Tatort an der Bünder Straße gelockt haben. Er selbst hatte gegenüber der Polizei erklärt, sich an dem Abend ebenfalls im Haus seiner Eltern aufgehalten zu haben. Laut Protokoll soll sein Handy allerdings zum Tatzeitpunkt (gegen 23 Uhr) in einer Funkzelle in Hiddenhausen eingeloggt gewesen sein, erst um 23.29 Uhr an der Diebrocker Straße in Herford.
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