300 Jahre Stadtrechte: Historische Kommission für Westfalen stellt neuen Band vor
„Ein Ort an der Weser wird Akzisestadt“
Vlotho (WB). Die Stadt Vlotho hat im vergangenen Jahr ein rundes Jubiläum gefeiert: 300 Jahre Stadtrechte. Gewürdigt wurde dieser Jahrestag mit der Präsentation einer Wanderausstellung anlässlich der Stadtrechtsverleihung durch den Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1719. Nun ist auch ein Buch zu diesem Thema in der Reihe der Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen erschienen.
Die Vlothoer Heimathistorikern Inge Wienecke hat mit einem Beitrag über Vlothos Stadtentwicklungsgeschichte daran mitgewirkt. Gemeinsam mit Dr. Burkhard Beyer vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe hat sie jetzt mehrere Exemplare des druckfrischen Werkes unter dem Titel „Akzisestädte im preußischen Westfalen“ an Bürgermeister Rocco Wilken übergeben. Die Exemplare werden nun der Stadtbücherei und dem Heimatmuseum des Heimtatvereins zur Verfügung gestellt.
Ergänzung zur Wanderausstellung
„Das ist heute etwas ganz Besonderes, dieses Buch vorzustellen. Denn der Blick zurück, die Frage ‚Woher kommen wir?‘ ist sehr wichtig für uns“, sagte der Bürgermeister. Gleichzeitig dankte er Inge Wienecke und dem Mitherausgeber Burkhard Beyer für Arbeit an diesem Buchprojekt.
„Diese Veröffentlichung ist ein Tagungsbuch und dokumentiert die im März 2019 diskutierten Ergebnisse. Fragestellungen waren unter anderem: Was sind Akzisesteuern?, Welche Chancen hatten die acht Flecken der Grafschaft Ravensberg von der Akzisesteuer zu profitieren?“, so Herausgeber Beyer. Ein weiteres Ziel der Arbeit sei gewesen, im zeitlichem Zusammenhang mit der Wanderausstellung Hintergrundwissen zu liefern, sagte Beyer.
Zum Inhalt
Mit dem Edikt von 1719 hatte der Preußenkönig acht Orten der Grafschaft Ravensberg das Stadtrecht verliehen: Borgholzhausen, Bünde, Enger, Halle, Preußisch Oldendorf, Versmold, Vlotho und Werther. Anlass war die Steuerpolitik der Preußen. Dabei wurde die Akzise eingeführt, eine am Stadttor auf Verbrauchsgüter kassierte Steuer. In den Ortsbeiträgen wird die Entwicklung dieser Kommunen im 18. Jahrhundert zu kleinstädtischen Zentren beleuchtet. Außerdem behandelt der von Dr. Burkhard Beyer und Dr. Johannes Altenbernd herausgegebene Band die grundlegende Themen der Geschichte Ravensbergs in jener Zeit: darunter die Grundzüge der Akzise-Politik, die Folgen der Steuer für das ländliche Leben und für die Juden.
Das Vlotho-Kapitel
Den Beitrag zu Vlotho hat die Vlothoer Historikerin Inge Wienecke gemeinsam mit Sebastian Schröder, Doktorand an der Universität Münster, unter dem Titel „Ein Ort an der Weser wird Akzisestadt – Vlothos städtische Entwicklung seit dem 18. Jahrhundert“ verfasst. „Wir hatten dabei die Stadtentwicklung vor und nach dem Edikt im Blick“, erläuterte Inge Wienecke.
Die Autoren zeichnen dabei – illustriert mit farbigen Abbildungen zum Beispiel zahlreicher wichtiger Urkunden zur Stadtgeschichte – den Weg Vlothos vom Bau einer befestigten Hafenanlage (1720) über den Aufstieg der örtlichen Schiffergilde bis hin zu einem bedeutenden Handelsplatz im 19. Jahrhundert, der Standort der aufstrebenden Zigarrenindustrie (1830) wurde. „Interessant ist dabei insbesondere die Alltagsgeschichte der Weser-Schifffahrt in Vlotho zu beleuchten“, so Inge Wienecke. Deutlich werde dabei der Gegensatz im Alltagsleben der wohlhabenden Schiffseigner, die seinerzeit der Kirche ein wertvolles Abendmahlsgeschirr stiften konnten, und derer, die für sie arbeiten mussten“, so die Historikerin. Dieser Gegensatz habe beispielsweise 1752 in einen Krieg mit den Weser-Treidlern gemündet, als deren Broterwerb – das Ziehen der Weserlastkähne – durch Pferdekraft abgelöst werden sollte. 1798 wurde dann der Einsatz von Pferden beim Treideln Vorschrift.
Fazit
Haben der König und Vlotho von der Akzise in den Ravensberger Kommunen profitiert? „Hier muss man differenzieren. In vielen Bereichen mussten Kompromisse mit den bestehenden örtlichen Eliten geschlossen werden. Viele Bestimmungen konnten nicht umgesetzt werden, da Infrastruktur wie gepflasterte Straßen erst geschaffen werden musste und eine durchgehende Verwaltung bis in die unterste Ebene zunächst fehlten“, bilanzierte Beyer.
Erhältlich ist der 360 Seiten-Band (Auflage 500 Exemplare) im Buchhandel (Regenwurm).
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