Flächendeckende Versorgung wird zum relevanten Problem: Tierärzte starten 2023 Pilotversuch
14 Praxen stellen Notdienst für Kleintiere im Kreis Höxter
Kreis Höxter
14 Tierarztpraxen haben sich zusammengeschlossen, um für die Region einen flächendeckenden kleintierärztlichen Wochenend-Notdienst zu organisieren. Jeweils zwei Praxen, eine im Norden und eine im Süden des Kreises, sind immer von Freitag, 18 Uhr, bis Montag, 8 Uhr, sowie an Feiertagen für dringende Notfälle erreichbar.
Dieses Organisationsmodell geht im neuen Jahr an den Start: „Für das erste Halbjahr 2023 ist eine Pilotphase vorgesehen“, berichtet Dirk Koch, Kleintierpraxis Peckelsheim, der dem Notdienstring aus 14 Kleintier- und Gemischtpraxen aus dem Kreisgebiet und dem nahen Umland angehört. „Der abendliche Notdienst innerhalb der Woche wird zunächst weiter durch jede Praxis eigenständig geregelt“, berichtet der Veterinärmediziner.
Er verspricht sich ebenso wie seine Höxteraner Kollegin Dr. Beatrix Borgmann eine Verbesserung der Situation. Noch würden Kleintierbesitzer für Notfälle oft an entfernt gelegene Kliniken verwiesen. „Durch das Notdienstmodell haben sie kürzere Fahrwege“, so Dr. Borgmann. Und wenn das schwer erkrankte Tier dann trotzdem in die Klinik müsse, könne das Team der Notdienst-Praxis es vorher schonmal stabilisieren. „Beim Hund mit Magenumdrehung können wir einen Zugang legen und den Magen abgasen. Dann schafft der Hund den Weg in die Klinik“, nennt Dr. Borgmann ein Beispiel. Vorteile wie diese im Blick, hat sie sich mit ihrer Praxis in Höxter dem Notdienstring angeschlossen und geht davon aus, dass das Organisationsmodell funktioniert.
In 47 Prozent aller Haushalte leben Haustiere
Initiativ geworden waren die Veterinärmediziner, weil die flächendeckende Versorgung von Kleintieren im Notfall auch im Kreis Höxter ein wachsendes Problem werde, so Dirk Koch. „Immer mehr Hunde, Katzen und Heimtiere werden in Deutschland gehalten.“ Aktuell lebe in 47 Prozent der Haushalte mindestens ein Haustier. „Wer möchte da für seinen Liebling nicht rund um die Uhr eine tierärztliche Versorgung sichergestellt wissen?“, so Koch. Aber die Versorgungslage im tierärztlichen Notdienst werde seit Jahren schlechter. In den vergangenen Monaten hätten verschiedene Tierkliniken in der näheren und weiteren Entfernung den 24-stündigen Notdienst eingestellt.
Die Gründe dafür seien vielfältig. „Der Mangel an ausgebildeten Fachkräften nimmt zu. Viele Tiermedizinische Fachangestellte und auch Tierärztinnen und Tierärzte wechseln aus der kurativen Tätigkeit in einen anderen Bereich, der möglicherweise besser bezahlt wird oder in dem keine Nacht- und Wochenenddienste geleistet werden müssen“, schildert Dirk Koch die Situation. Das Arbeitszeitgesetz mache es in vielen kleinen Praxen nahezu unmöglich, die angestellten Mitarbeiter im Notdienst gesetzeskonform zu integrieren. Letztlich bleibe dann der gesamte Notdienst den Inhabern überlassen. „In den großen Klinken wird für eine 24-Stunden-Betreuung an 365 Tagen Personal in einer Anzahl benötigt, welches nicht vorhanden ist.“
Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass der Notdienst in einigen Fällen durch Patientenbesitzer ausgenutzt werde: „Heute Abend habe ich Zeit, morgen muss ich ja wieder arbeiten“. Es werden laut Dirk Koch Lappalien – wie eine Zecke oder einen Floh – gefunden und vorgestellt, die es nicht rechtfertigen, die Frei- oder Ruhezeit der Tierärztinnen und Tierärzte zu stören, da es schlichtweg keine Notfälle sind. „Daher kommt Unmut auf, überhaupt noch am Notdienst teilnehmen zu wollen.“
Erfahrungen im ersten Halbjahr 2023 sammeln
Im Kreis Höxter seien sich die Veterinärmediziner der Verantwortung bewusst, was es heiße, Tierarzt zu sein und für die geliebten Vierbeiner da zu sein. „Wir wollen einen flächendeckenden tierärztlichen Notdienst für Kleintiere aufrechterhalten.“ Daher hätten sich die 14 Praxen zusammengeschlossen und beraten, wie ein kreisweiter tierärztlicher Kleintiernotdienst aussehen könnte.
Dieser geht nun in wenigen Wochen in den Probelauf. Dr. Beatrix Borgmann gibt den Kleintierbesitzern einen wichtigen Hinweis: Wenn sie bei ihrem Haustierarzt anrufen, erfahren sie über den Anrufbeantworter, welche zwei Kollegen Wochenendnotdienst haben. „Bewahren Sie bitte Ruhe und hören Sie das Band bis zum Ende ab“, appelliert die Veterinärmedizinerin an die Kleintierbesitzer. Eine zentrale Rufnummer sei wünschenswert. Sie werde es aber nicht sofort geben. Daher gehen die Tierärzte den Weg über die Bandansagen.
Tierärzte geben Hinweise
Um den Notdienst möglichst reibungslos durchführen zu können, seien weitere Regelungen wichtig, erläutert Dirk Koch. Die Tierärzte haben eine Liste für die Kundschaft erarbeitet: „Bitte überdenken Sie, ob es sich um einen dringenden oder lebensbedrohlichen Zustand Ihres Tieres handelt. Eine leichte Lahmheit, eine verstopfte Analdrüse oder einmaliges Erbrechen eines gesunden Tieres sind in der Regel kein Grund für die Inanspruchnahme des tierärztlichen Notdienstes. Rufen Sie Ihren Haustierarzt an und hören Sie die Ansage ab, welche Tierarztpraxis im Wochenendnotdienst rufbereit ist. Notieren Sie die Telefonnummer und Adresse. Telefonieren Sie zunächst mit den dienstbereiten Kollegen und Kolleginnen, um das Problem und das weitere Vorgehen zu besprechen. Manche Dinge lassen sich bereits telefonisch klären, für andere ist sicherlich die Untersuchung des Tieres notwendig und wieder andere Fälle müssen möglicherweise in eine Tierklinik überwiesen werden.“
Die Kunden sollten auch bedenken – darauf weisen Dirk Koch und Beatrix Borgmann ausdrücklich hin –, dass nach der Gebührenordnung für Tierärzte eine Notdienstgebühr von 50 Euro plus Mehrwertsteuer erhoben werden müsse. Hinzu kämen Kosten für Leistungen im zwei- bis vierfachen Satz der Gebührenordnung sowie Medikamente. „Häufig werden Menschen mit einem Tier im Notdienst als Neukunde in einer Praxis vorstellig. Bezahlt werden muss immer bar oder mit EC-Karte. Die Erstellung einer Rechnung wird bei Neukunden nicht möglich sein.“
Bezahlt werden muss sofort in der Praxis
Grundsätzlich wird jedem Tierhalter von den Tierärzten empfohlen, über den Abschluss einer Tierkrankenversicherung nachzudenken. Die Kosten für die Erbringung tierärztlicher Leistungen im Notdienst und auch im normalen Tagesbetrieb seien aufgrund der Erhöhung der Gebührensätze (neue Gebührenordnung für Tierärzte seit November 2022) deutlich gestiegen. Jede Tierarztpraxis berät die Kunden.
Dem Kleintiernotdienst sieht Dirk Koch zuversichtlich entgegen: „Wir hoffen, eine gute und flächendeckende tierärztliche Versorgung im Notfall auf die nächsten Jahre gewährleisten zu können.“
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