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Aktion „Lichtfenster“ an diesem Wochenende erinnert an die vielen Verstorbenen der Pandemie – Landrat lobt Initiative – mit WB-Kommentar

Corona-Gedenken: Menschen im Kreis Höxter wollen innehalten

Kreis Höxter

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zum bundesweiten Gedenktag am Sonntag, 18. April, aufgerufen. Erinnert werden soll das gesamte Wochenende abends durch Kerzen in Fenstern an die vielen Menschen in Deutschland und auch im Kreis Höxter, die in Folge einer Corona-Infektion gestorben sind. Die Gesellschaft soll innehalten.

wn

Die Aktion Lichtfenster läuft an diesem Wochenende und erinnert an die Covid-19-Verstorbenen. Die Menschen sind aufgerufen, Kerzen ins Fenster zu stellen.

Mit einer zentralen Gedenkfeier will Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Sonntag, 18. April, in Berlin der mehr als 71.500 Menschen gedenken, die bislang in Deutschland nach einer Corona-Infektion gestorben sind.

Landrat Michael Stickeln Foto: Kreis Höxter

„Wir sollten dies zum Anlass nehmen, auch im Kreis Höxter innezuhalten und von den bisher 137 Verstorbenen in Würde Abschied zu nehmen“, unterstützt Landrat Michael Stickeln das Ansinnen des Staatsoberhauptes. Steinmeier setze in schwierigen Zeiten das richtige Signal, betont Stickeln.

„Ich habe schon beobachtet, dass viele Menschen im Kreis Höxter dem Aufruf unseres Bundespräsidenten gefolgt sind, als Zeichen der Trauer und Anteilnahme ein Licht ins Fenster zu stellen“, sagt Stickeln und spricht für diese Gesten seinen Dank aus.

Man nehme die Zahlen zur Corona-Pandemie täglich zur Kenntnis und gerate dadurch in Gefahr, zu vergessen, dass hinter jeder einzelnen Zahl ein Schicksal stehe. „Hier haben Menschen ihre Liebsten verloren, haben gebangt und konnten sich im schlimmsten Fall nicht einmal von ihnen verabschieden“, macht Stickeln die Dramatik deutlich.

Und selbst die gemeinsame Trauer, zu der eine enge Umarmung gehört, um sein Mitgefühl auszudrücken, sei nicht möglich gewesen. „Wie oft konnten die Menschen nur im aller kleinsten Kreis von ihren Liebsten Abschied nehmen, selbst nächste Verwandte und Freunde mussten von der Trauerfeier ausgeschlossen werden“, so Stickeln. Umso wichtiger sei es, an die Toten zu erinnern.

Deshalb ruft Landrat Michael Stickeln auf, an diesem Sonntag um 13 Uhr die Gelegenheit zu nutzen, an der zentralen Gedenkfeier des Bundespräsidenten teilzunehmen, die unter anderem im ZDF live übertragen werden soll.

Höxteraner Aspekte

Der WESTFALEN-BLATT-Kommentar von Sabine Robrecht

Die Corona-Pandemie macht die Gesellschaft inzwischen mütend. Mit dieser Wortneuschöpfung beschreiben Menschen in den sozialen Netzwerken den verschärften Gemütszustand der Nation in der dritten Welle: Die Menschen sind nicht mehr nur (pandemie-)müde, sondern auch wütend. Angesichts steigender Infektionszahlen trotz vieler Geimpfter (im Kreis Höxter liegt die Inzidenz wieder über 100) und dem Durcheinander der föderalen Politik wachsen Enttäuschung, Pessimismus und Wut. Der Geduldsfaden steht bei Menschen allen Alters auf Spannung. Verständlicherweise.

In diese aufgeheizte Stimmung hinein richtet Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Aufmerksamkeit auf die Menschen, die in Zusammenhang mit dem Corona-Virus ihr Leben verloren haben. Im Kreis Höxter sind es 137.

Indem er an die Verstorbenen erinnert, verdeutlicht der Bundespräsident noch einmal, wie viel Leid dieses gefährliche Virus über unzählige Menschen gebracht hat. Familien trauern um einen Verstorbenen. Sie müssen nicht nur den Verlust verkraften, sondern auch die den Umständen geschuldete Grausamkeit, dass sie ihn nicht einmal begleiten und ihm in seinen letzten Stunden am Krankenbett die Hand halten konnten. Besuchsverbote in Krankenhäusern schafften eine schmerzliche Distanz. Das galt für die Angehörigen von Covid-19-Patienten und auch für all diejenigen, deren Angehörige wegen einer anderen Erkrankung in der Klinik oder in einem Altenheim verstorben sind. Besuchsverbote betrafen alle. Sie setzen Trauernden in der Verarbeitung des Verlustes nachhaltig zu.

Die Besuchsverbote erschwerten aber auch die Genesungswege derer, die Covid-19 (oder andere Erkrankungen) besiegt haben. Diesen Patienten blieb die liebevolle Zuwendung ihrer Liebsten – eine immens wichtige Medizin – versagt. Nähe heilt, Distanz tut weh.

Das Leid in Folge der Pandemie hat viele Gesichter. Wir müssen sie uns vor Augen führen, um nicht gleichgültig zu werden und hinter den Zahlen der Nachrichten auch immer die einzelnen Menschen und Schicksale zu sehen. In dieser Achtsamkeit bringt uns die Gedenkstunde des Bundespräsidenten auf Kurs. Steinmeier ist dabei, mit der Aktion „Lichtfenster“ vom Januar und jetzt mit dem Gedenktag eine öffentliche Erinnerungskultur für die Corona-Toten zu etablieren und auch den Hinterbliebenen eine Stimme zu geben. Im Kreis Höxter greift unter anderem der Ambulante Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst den Gedenktag auf und regt an, in der Abenddämmerung ein kleines Licht anzuzünden und innezuhalten. Landrat Michael Stickeln legt den Menschen ans Herz, via TV bei der zentralen Gedenkveranstaltung dabei zu sein. Pfarrer Wilhelm Koch, Leiter des Pastoralen Raums Brakeler Bergland, ruft zum Gebet für die Opfer und Betroffenen der Corona-Pandemie auf und lässt am Sonntag zwischen 12 und 12.15 Uhr anlässlich des bundesweiten Gedenkens die Glocken aller Kirchen läuten.

Zu diesen vielen Gesten können wir alle beitragen. So entsteht von vielen kleinen Orten aus im Gedenken und im Gebet ein Schulterschluss, der Mitgefühl und auch die Zuversicht des zurückliegenden Osterfestes ausstrahlt. Diese Hoffnung gibt Patienten und den Hinterbliebenen von Verstorbenen Kraft. Als Gesellschaft sind wir ihnen diese warmherzige Solidarität schuldig. Wir dürfen in unserem Pandemie-Frust nicht in einen kollektiven kalten Egoismus abdriften. Gut, dass der Bundespräsident unseren Kompass wieder justiert.

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