Reaktion der BI Atomfreies Dreiländereck nach Anhörung der Entsorgungskommission
Atommülllager Würgassen: Standortentscheidung weckt schlechte Erinnerungen
Beverungen-Würgassen
Die Desaster der Atommüllentsorgung wie bei der Asse und bei Morsleben sollten sich nicht wiederholen. Deshalb entließ die Politik die Energieversorgungsunternehmen gegen Zahlung von circa 23,2 Milliarden Euro aus der Verantwortung. Unter Leitung von bundeseigenen Gesellschaften sollte jetzt die Entsorgung sicherer werden.
„Diese Hoffnung erweist sich im Fall des Logistikzentrums Konrad (LoK) als Trugschluss“, schreibt Martin Ahlborn, Vorsitzender der Bürgerinitiative Atomfreies Dreiländereck, nach dem Besuch der Entsorgungskommission (ESK) in Lauenförde. „Wurden früher wirtschaftliche Aspekte auf Kosten der Sicherheit höher priorisiert, so sind es heute politische Entscheidungen, die sachlich kaum begründbar sind“, sagt er.
Seit Jahren werde insbesondere von den Grünen bei der Atommüllentsorgung der Gedanke der Lastenteilung verfolgt. „Eine Verteilung auf mehrere Bundesländer soll angeblich gerechter sein, dient aber im Kern nur parteipolitischen Interessen“, so Ahlborn. „Da voraussichtlich in Niedersachsen das Endlager Konrad Ende 2023 freigegeben wird, möchten einige Politiker die risikoreiche und verkehrsträchtige Anlieferung in einem angrenzenden Bundesland ansiedeln.“
Politische Absprachen statt Sachargumente
Schon 2016 habe sich der damalige Umweltminister Niedersachsens Stefan Wenzel damit gerühmt, dass der Weg für die Lastenteilung beim Atommüll freigemacht werden könne. „Kritiker nennen diese politische Schacherei Atommülltourismus“, so Ahlborn. Unter diesem Aspekt werde nun auch verständlich, warum sich das Bundesumweltministerium so vehement gegen die Erstellung eines sachlichen Gutachtens zur Überprüfung der Notwendigkeit eines LoK gewehrt habe bzw. warum ein derartiges Gutachten nicht im Vorfeld einer Standortentscheidung erstellt worden sei.
Dass nun ausgerechnet die ESK in einem Anhörungstermin für Klarheit sorgen soll, betrachtet auch Beverungens Bürgermeister Hubertus Grimm skeptisch. „Die Ausgangssituation ist klar, die bisherigen Entscheidungen basierten nicht auf wissenschaftlichen Sicherheitskriterien, sondern resultieren aus politischen parteiübergreifenden Absprachen. Ob die neue Stellungnahme der ESK daran etwas ändern wird, bleibt abzuwarten. Die bisherigen ESK-Sicherheitsempfehlungen wurden von den Entscheidern weitestgehend ignoriert.“
Diese Form der Atommüllentsorgung seitens des Bundesumweltministeriums unterscheidet sich laut Ahlborn inhaltlich maßgeblich von den bisherigen Maßstäben der alten Führungsriege wie etwa dem ehemaligen Umweltminister Jürgen Trittin, der den Standort Würgassen aufgrund seiner Nichteignung für tot erklärt hatte. „Demgegenüber scheinen sich die Umweltminister aus Hessen und NRW linientreu gegenüber dem Bund zu verhalten, hüllen sich in Schweigen, und verstecken sich hinter der ESK.“ Weiter sagt der BI-Vorsitzende: „Aber langsam schwant es dem einen oder anderen Politiker doch, dass Würgassen eine schlechte Entscheidung war. Denn das geplante Zwischenlager liegt so nah an der Landesgrenze zu Niedersachsen, dass es sich eigentlich schon in Niedersachsen befindet. Und in der Tat werden zukünftig die zusätzlichen Atommülltransporte vorwiegend kreuz und quer durch NRW, Hessen und insbesondere Niedersachen laufen.“
Findet ein Umdenken in Sachen Würgassen statt?
Im Ergebnis bedeute Lastenteilung in der Atommüllentsorgung in der Regel höhere Strahlenbelastung für die Bevölkerung, unsicherere Transportwege und höhere Kosten als an geeigneten Standorten. „Auch dem Umweltminister Niedersachsens Christian Meyer ist dieses bewusst“, sagt Ahlborn. Darum positioniere er sich gegen die getroffene Entscheidung. Und auch in NRW melde sich Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Norika Creuzmann zu Wort und spreche von einem „Aberwitz“ vor allem bei den ungeeigneten Transportwegen.
„Wir hoffen, dass am Ende sachliche Gründe zu einer sinnvollen Entscheidung führen“, sagen Bürgermeister Hubertus Grimm und Martin Ahlborn. „Von unverwertbaren Gefälligkeitsgutachten sollte sich das Bundesumweltministerium schleunigst distanzieren, um nicht völlig das Vertrauen der Bürger in ein transparentes Beteiligungsformat bei Atommüllentsorgung zu verlieren.“
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