Interview mit Kindergarten-Leitung Großeneder: Wie läuft die Betreuung im eingeschränkten Regelbetrieb?
Das Lachen fehlt am meisten
Borgentreich
Lautes Lachen auf dem Spielplatz oder Gewusel an der Garderobe? Fehlanzeige in Corona-Zeiten. Es ist ruhiger als sonst in den Kindertagesstätten. Eingeschränkter Regelbetrieb heißt die Devise –auch im städtischen Kindergarten Großeneder.
Wie die Betreuung auf Sparflamme läuft, verrät die Leiterin Michaele Berlage im Interview mit Redakteurin Silvia Schonheim.
Was vermissen Sie momentan am meisten?
Michaele Berlage: Ganz eindeutig: das Kinderlachen und die strahlenden Kinderaugen. Beides fehlt mir.
Sonst sorgen 40 Mädchen und Jungen in zwei Gruppen für Leben in der Einrichtung. Wie viele der Kinder nutzen die Betreuung derzeit?
Michaele Berlage: Als es in der ersten Woche des zweiten Lockdowns, Mitte Dezember, eine Notbetreuung gab, kamen fünf bis sechs Kinder. Vor Beginn der Weihnachtsferien waren nur noch zwei Kinder hier. Seit dem 11. Januar gibt es den eingeschränkten Regelbetrieb, den mittlerweile sechs Kinder nutzen.
Wie gehen diese Kinder mit der außergewöhnlichen Situation um?
Michaele Berlage: Das Einhalten der Corona-Regeln klappt gut, besonders bei den Vier- bis Sechsjährigen. Besser als bei manchem Erwachsenen. Und wenn ich mal wieder das Fenster zum Lüften aufmache, holt sich der ein oder andere einfach eine Decke. Wenn ich aus Versehen, ganz unbedarft ein Lied anstimme, werde ich sofort ermahnt: Du darfst doch nicht singen. Die Kinder nehmen es, wie es ist. Als der Nikolaus draußen auf dem Spielplatz stand, war das auch völlig in Ordnung für sie. Das größte Problem ist, dass die anderen Kinder fehlen. Kinder brauchen andere Kinder zum Spielen. Und wenn nur so wenige da sind, ist es halt schwierig, mal auf einen anderen Spielkameraden auszuweichen, wenn es mit einem anderen gerade nicht klappt. Und wir Erzieher sind halt keine Kinder.
Vermissen die Kinder, die daheim betreut werden, den Kindergarten?
Michaele Berlage: Die einen ja, die anderen – meist die jüngeren Kinder – weniger. Die größeren Kinder vermissen den Kindergarten und ihre Freunde.
Wird diese Zeit, die Entwicklung der Kinder beeinträchtigen?
Michaele Berlage: Eine schwierige Frage, aber ich denke schon. Es trifft besonders die schwächeren Kinder mit Förderbedarf hart.
Wie arbeitet das neunköpfige Team aus Erzieherinnen? In getrennten Schichten?
Michaele Berlage: Nein. Wir versuchen, uns in möglichst vielen Räume zu verteilen und Abstand zu halten. Resturlaube und Überstunden sind abgefeiert. Homeoffice funktioniert bei uns nur schlecht. Ich kann ja nicht jedem ein Kind mit nach Hause geben. Wenn es möglich ist, etwa zur Projektvorbereitung, Entwicklungsdokumentation und Qualitätssicherung, wird aber auch von zuhause aus gearbeitet.
Wie finden Sie die Regelung, dass die Kindergärten in NRW geöffnet sind und Eltern vor die Entscheidung gestellt werden, ihr Kind dort oder zuhause zu betreuen?
Michaele Berlage: Nicht gut. Das ist eine Wischiwaschi-Regelung. Den Eltern wird der schwarze Peter zugeschoben. Sie müssen versuchen, ihre Kinder zu betreuen. Wenn sie ihr Kind in den Kindergarten schicken, fühlen sie sich als Rabeneltern und müssen sich im schlimmsten Fall noch Vorwürfe anhören. Eine klare, einheitliche Regelung wäre definitiv besser.
Gehen Eltern aus Ihrer Sicht verantwortungsvoll mit der Wahlfreiheit um?
Michaele Berlage: Ja. Wenn ich höre, dass die Kindergärten in mancher Großstadt fast zu 100 Prozent besucht werden, kann ich sagen, dass unsere Eltern sehr verantwortungsvoll damit umgehen.
Kommen die Kinder, die derzeit die Einrichtung besuchen, mit der um zehn Stunden reduzierten Betreuungszeit zurecht?
Michaele Berlage: Diese Reduzierung stellt manch eine Familie vor ein Problem – insbesondere wenn Vater oder Mutter eine Vollzeitstelle haben. Sie geraten schnell in Bedrängnis. Wer holt das Kind vom Kindergarten ab? Wer betreut es dann? Und diese Regelung verringert keinesfalls Kontakte. Ob ich ein Kind bis 12 Uhr betreue oder bis 16 Uhr – das macht doch keinen Unterschied.
Sie arbeiten quasi ungeschützt mit den Kindern - die Kleinen tragen keinen Mundschutz. Haben Sie Angst vor einer Infektion?
Michaele Berlage: Uns Erziehern werden FFP2-Masken vom Träger zur Verfügung gestellt. Etwa die Hälfte des Teams nutzt diese auch. Ich selber nicht. Ich habe keine Angst. In diesem Winter gibt es auch nicht so viele Kinder mit Schnupfen oder Husten. Kinder, die Erkältungssymptome haben, bleiben zunächst 24 Stunden zur Beobachtung zuhause. Es sind nicht so viele krank wie sonst.
Nutzt das Kindergarten-Team das Angebot, sich regelmäßig auf das Coronavirus testen zu lassen?
Michaele Berlage: Ja, der Großteil nutzt diese Möglichkeit. Wir sind froh, dass wir jetzt eine Arztpraxis gefunden haben, die regelmäßig zu uns in die Einrichtung kommt, um die Abstriche zu nehmen. Bis zu den Osterferien sind pro Erzieherin noch sechs Tests möglich. Auch wenn es nur eine Momentaufnahme ist, beruhigt mich ein negatives Ergebnis jedes Mal. Dann weiß ich, im Moment kann ich niemanden anstecken.
Wann rechnen Sie damit, dass das Team geimpft werden kann?
Michaele Berlage: Wir warten alle darauf. Ich rechne aber damit, dass wir erst nach den Sommerferien an der Reihe sind.
Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn der Kindergarten wieder regulär geöffnet ist?
Michaele Berlage: Wieder eine eindeutige Antwort: auf das Kinderlachen und die strahlenden Kinderaugen. Ich freue mich auf die Kinder, mit ihnen zu toben und beim Wandern mit ihnen die Kleinigkeiten am Wegrand zu entdecken.
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