»Simply human«: Junge Geflüchtete gestalten in Brakel interkulturelles Ausstellungsprojekt
»Trotz aller Grenzen sind wir eins«
Brakel (WB). Nicht auf den Unterschieden in Herkunft, Religion und Kultur, sondern auf dem Verbindenden zwischen allen Menschen liegt der Fokus eines Kunstprojekts, das derzeit im Berufskolleg Kreis Höxter in Brakel wächst und gedeiht: »Simply human« (einfach menschlich) – diese Botschaft lässt die Welt zusammenrücken. 21 junge Geflüchtete der Internationalen Förderklasse setzen sie gemeinsam und vielgestaltig in Szene.
Geschäftige Betriebsamkeit herrscht an diesem Morgen im Klassenzimmer: Junge Menschen sitzen nicht über den Büchern, sondern greifen zum Pinsel oder zum Zeichenstift. Eine Gruppe streicht Möbel weiß an, andere junge Leute malen, zeichnen oder schneiden Stoff zu. Immer wieder kommen die Schüler dabei ins Gespräch. Voller Schaffensfreude schalten sie in dieser inspirativen Werkstatt-Atmosphäre zwischen den Facetten ihrer Herkunftssprachen und dem erlernten Deutsch hin und her. Im Zweifel helfen auch Gesten.
Jeder trägt zur Verständigung bei
Erfinderisch trägt jeder zur Verständigung bei – sowohl untereinander als auch mit den Lehrern und anderen Schülern, die die jungen Geflüchteten in ihrer Projektarbeit betreuen und begleiten. Mithin entfaltet sich in der Kreativ-Werkstatt der gemeinschaftsstiftende Geist dieses Projekts: »Simply human – trotz aller Grenzen sind wir eins.«
Verein Marah
Der gemeinnützige Verein »Marah« ist ein Zusammenschluss von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Marita Menne und Aynur Kahya leiten den Verein. Im Arabischen hat »Marah« die Bedeutung »Fröhlichkeit«, in der hebräischen Sprache steht das Wort für »Bitterkeit«. »Die Arbeit unseres Vereins soll einen Beitrag dazu leisten, Fröhlichkeit in das Leben von Menschen zu bringen und Bitterkeit zu überwinden«, bringt Marita Menne ein zentrales Anliegen auf den Punkt. »Erlöse, die erwirtschaftet werden, kommen in vollem Umfang Menschen mit Flüchtlingshintergrund und Kriegsgeschädigten zu Gute. Aktionen und Projekte haben zum Ziel, Verständnis und Miteinander über verschiedene Kulturen hinweg zu stärken.« Finanziert werden konnten aus Vereinsgeldern bereits Nachhilfestunden, die junge Geflüchtete in ihrer schulischen Laufbahn stützen. Aktuell planen die Mitglieder in Zusammenarbeit mit den Schülern des Berufskollegs und mit Unterstützung der Studentin Vivien Stachel die Ausstellung »Simply human«.
»Wir sind ein Team«
Das ist es, was Adham Alsmde (19) aus Syrien am Herzen liegt: »Wir sind ein Team. Wir verstehen uns. Das Zusammenleben geht nicht ohne Freundlichkeit, nicht ohne ein Lächeln.« In seiner Graffiti-Kunst, an der er für die Ausstellung arbeitet, möchte der junge Mann seine Vision von einem grenzüberschreitenden Miteinander in Frieden, Respekt und Meinungsfreiheit visualisieren.
Herzen erreichen
Mit der Kombination aus Worten und Gesichtern will er die Herzen der Zuschauer erreichen – und in der Teamarbeit mit seinen Mitschülern dazu beitragen, dass die Ausstellung mit Bildern und Installationen den Menschen ihre Gemeinsamkeiten ins Bewusstsein bringt.
Hoffnungsvolle Gemeinsamkeiten
Diese fangen an mit dem Blut, das durch unser aller Adern fließt, und hören beim Herzen – jenem Hochleistungs-Muskel und (empfundenem) Sitz unserer Empathie und Güte – noch lange nicht auf. Der Mensch hat überall auf der Welt hoffnungsvolle gemeinsame Wesenszüge. Diese werden sich auch an einer Installation mit weißen Möbelstücken, an der eine Schülergruppe arbeitet, ablesen lassen.
Ausstellung in der Alten Waage
Wann und wo das möglich ist, steht bereits fest. Die gemeinsame Ausstellung der Schüler des Berufskollegs und des Vereins »Marah« öffnet am Mittwoch, 26. Juni, in der Alten Waage in Brakel ihre Türen. Bis zum 10. Juli ist sie dort zu sehen. »Wir hoffen, dass sie anschließend auf Wanderschaft geht. Wir werden mit der Kreisverwaltung Kontakt aufnehmen und ausloten, ob eine Präsentation im Rahmen der wechselnden Ausstellungen im Kreishaus in Höxter möglich ist«, sagt Lehrerin Anja Multhaup, die das Projekt zusammen mit ihrer Kollegin und Vorsitzenden des Vereins Marah, Marita Menne, betreut.
Praktisches Tun stärkt junge Menschen
Die beiden Pädagoginnen sind Ideengeberinnen der Initiative »Simply human« und freuen sich sehr, dass Peter Heinemann, Bildungsgangleiter Internationale Förderklasse und Ausbildungsvorbereitung, das interkulturelle Kunstprojekt unterstützt. Von den jungen Geflüchteten werde viel erwartet nach dem einen Jahr in der Förderklasse, sagt Peter Heinemann. Das praktische Tun und die positive Rückmeldung, die sie durch die Ausstellung erhalten, sei ein Mehrwert für sie – für ihr Ankommen in Brakel und ihre Verbundenheit mit diesem Ort.
Fotos zeigen Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen
Schüler der Jahrgangsstufe 11 des beruflichen Gymnasiums Erziehung und Soziales stehen ihnen dabei hilfreich zur Seite. Im Rahmen des neuen Unterrichtsfachs »Being social« bringen sie sich in die Ausstellung »Simply human« ein. »Wir betreuen ein Fotoprojekt und sammeln Bilder auch aus den Familien der Geflüchteten«, erzählen Hannah Winkel (17), Franca Dähling (17) und Aleksandra Goslinska (19). Zu sehen sein werden Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen, »die am Ende eine Familie sind – ohne Rassismus und ohne Vorurteile«, erzählen die drei. Ihre Fotoschau überschreiben sie mit der Botschaft »We are one« (wir sind eins). Aleksandra Goslinska (19) steuert Bilder ihrer Verwandten aus Polen dazu.
Dem Schubladendenken entgegenwirken
Sowohl die Gymnasiastinnen als auch die Geflüchteten lernen beim Ausstellungsprojekt auch die Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit externen Partnern praktisch kennen. Auch dabei steht ihnen eine weitere helfende Fachkraft, Vivien Stachel (23), zur Seite. Sie studiert Soziale Arbeit in Holzminden und hatte zuvor am Berufskolleg in Brakel ihr Fachabitur abgelegt und ihre Heilerziehungspflege-Ausbildung absolviert. Daher bewegt sich die 23-Jährige nun im Praktikum fürs Studium auf vertrautem Terrain.
Aus voller Überzeugung gestaltet sie die interkulturelle Idee »Simply human« mit. »Wir möchten dem Schubladendenken entgegenwirken. Es macht Freude. Alle sind motiviert.« Spricht’s und greift wieder zum Pinsel. Denn die Künstler wollen in dieser Unterrichtsstunde noch einiges schaffen.
Startseite