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Wirtschaftsförderer zertifizieren Höxteraner Firmen: Motivation der Mitarbeiter hoch halten

Familie auch in Unternehmen Raum geben

Kreis Höxter/Mari...

Familienfreundlichkeit in Unternehmen ist in aller Munde und das nicht erst, seit Corona Arbeits- und Privatleben durcheinanderwirbelt. Flexibilität? Notfalllösungen? Kinderbetreuung? Individuelle Lösungen sind gefragt. Aber lohnt sich das überhaupt? Was bringt es Unternehmen, wenn sie sich zu mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf bekennen?

Dieser Frage wird das WESTFALEN-BLATT in den kommenden Wochen zusammen mit der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und dem Kompetenzzentrum Frau und Beruf OWL in einer kurzen Serie auf die Spur kommen und einen genauen Blick darauf legen, welche Auswirkungen mehr Vereinbarkeit hat, was familienfreundlich ist und wie die Auszeichnung in Höxter abläuft. Ein Teil der Unternehmen, die im Kreis Höxter bereits ausgezeichnet sind und ihre eigene Erfahrungen zum „Familienfreundlichen Unternehmen“ gemacht haben, stellen ihre Positionen vor.

Eine Antwort auf die Frage, ob sich Familienfreundlichkeit lohnt, liefert der „Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2019“ des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln. Darin steht, dass 90 Prozent der Beschäftigten mit pflegebedürftigen Angehörigen und über 96 Prozent derer, die Kinder haben, sich familienfreundliche Maßnahmen wünschen. Aber auch 80 Prozent der Beschäftigten, die keine dieser Aufgaben haben, wünschen sich mehr Vereinbarkeit – und damit der größte Anteil jeder Belegschaft. „Eine familienbewusste Personalpolitik ist also eine Investition in zufriedene und motivierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ein Aushängeschild für die Arbeitgeberattraktivität“, sagt Gerrit Fischer von Kompetenzstelle Frau und Beruf. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei ein hohes Gut im stetig wachsenden Kampf um gute Fachkräfte.

Engel seit 2019 familienfreundlich

So sieht das auch die Bäckerei Engel, die 2019 als familienfreundliches Unternehmen im Kreis Höxter ausgezeichnet wurde. Die Herausforderung, Nachwuchs zu gewinnen und Fachkräfte zu binden und so dem demografischen Wandel zu begegnen, war eine der Motivationen des in der dritter Generation familiengeführten Unternehmens, das seine Basis in Höxter hat. „Wir vertreten seit Jahren eine mitarbeiterorientierte Personalpolitik, versuchen stets die persönlichen Umstände jedes Engels zu berücksichtigen und bei Problemsituationen bestmöglich zu unterstützen. Dazu gibt es viel positive Resonanz, auch von außen, vor allem aber durch die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, erklärt Geschäftsführer für Verwaltung und Backstube, Bernhard Engel.

Ebenfalls wegen des Wunsches, gut ausgebildete Fachkräfte anzusprechen und die Motivation der Belegschaft hoch zu halten, fiel bei der Chemical Check GmbH in Steinheim bereits 2013 die Entscheidung, sich auszeichnen zu lassen. Das Unternehmen bietet eine Vielzahl von Dienstleistungen rund um Gefahrstoffe und Gefahrgut an. Der Anspruch, für die Kunden ein Rund-um-Sorglos-Paket zu schnüren, gelte dabei genauso für die eigenen Mitarbeitenden. „Wichtig war dabei der externe Anstoß“, betont Larissa Budde, eine der Geschäftsführerinnen, „um die eigenen Maßnahmen zu reflektieren und intern den Beschäftigten bewusst zu machen.“ Ein Teil des Teams habe damals den „Family-Check“ entwickelt, der bis heute eine wichtige Säule der Willkommenskultur und Arbeitgeberattraktivität sei.

Doch familienfreundliche Maßnahmen seien nicht ausschließlich auf „weiche“ Faktoren zu reduzieren. Viele Maßnahmen hätten ebenso einen messbaren finanziellen Effekt, sagt Fischer.

Krankheitszeiten reduzieren

Recherchiert hat das das Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in dem Bericht „Renditepotenzial der neuen Vereinbarkeit“ von 2016. So könnten mit individuellen Lösungen für die Beschäftigten Krankheitszeiten von im Durchschnitt 19 auf 10 Tage reduziert werden. Auch die Elternzeit könne von 36 Monaten in einem nicht-familienfreundlichen Unternehmen auf acht Monate geschmälert werden. Hinzu komme, dass eine Reihe von Kosten reduziert werden könne, denn wenn das Vereinbaren von beruflichen und privaten Aufgaben zu großen Stress verursacht, führe das zu hohen Fehlzeiten oder Kündigungen und erhöhe damit die Fluktuation im Unternehmen. „Die Suche nach neuen Mitarbeitenden ist teuer, ebenso wie vakante Stellen und die Einarbeitungskosten“, bringt es Fischer auf den Punkt. Hinzu kämen Minderleistung durch ständig neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Wissens- und Erfahrungsverlust. „Besonderer Fokus bei allen Maßnahmen sollte die Individualität und Passgenauigkeit sein, denn Familienfreundlichkeit nach Schema F ist wenig zielführend“, sagt Gerrit Fischer. Private Herausforderungen seien so unterschiedlich wie vielfältig und so sollten auch die Unterstützungsangebote sein.

Die Individualität von Lösungen zur besseren Vereinbarkeit besonders in den Fokus zu stellen, gelingt auch der der Stadtverwaltung in Marienmünster. Sie ist eine der kleinsten Verwaltungen in NRW mit 22 Mitarbeitern, die fast alle mehrere Fachbereiche betreuen. Auch hier war die Akquise von zukünftigen Auszubildenden ein Anreiz für die Auszeichnung als „Familienfreundliches Unternehmen im Kreis Höxter“. Wichtig war aber auch, dass das stetige Bestreben,die berufliche und private Entwicklung jedes Mitarbeitenden zu unterstützen, nach innen und außen sichtbarer wird. Das Team der Stadtverwaltung versteht sich schon lange vor der Auszeichnung 2019 als Familie. Ein „Das geht nicht, weil...“ hört man hier selten, viel mehr unterstützen sich die Teammitglieder tatkräftig und finden vorbildhafte Lösungen. Bürgermeister Josef Suermann bestätigt: „Wir sind eine kleine Stadt, aber unser Team ist eine große Familie.“

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