Im historischen Rathaus, Weserstraße 11, gibt es hinter den Kulissen viel zu entdecken
Ein Naturschutzgebiet unterm Dach
Höxter
Jens Shaw ist seit dreieinhalb Jahren Hausmeister im historischen Rathaus in Höxter. Nicht nur hier, auch das Standesamt und das Jobcenter zählen zu seinen Einsatzgebieten. Aber dennoch ist dem 35-Jährigen das alte Gemäuer mit der Adresse Weserstraße 11, vermutlich 1250 gebaut, besonders ans Herz gewachsen.
Den Haustechniker fasziniert die moderne Gebäudetechnik, die an die alten Bausubstanz angepasst werden musste, genauso wie das Glockenspiel, das 1959 im Turm seinen Platz gefunden hat. Und dann gibt es da noch etwas Spannendes: Ein Schild auf der Tür zum Dachboden weist darauf hin: Von April bis September betreten verboten, steht darauf.
FFH-Gebiet Nummer 4222-304
Gut, dass schon Dezember ist. Jens Shaw schließt die Tür auf. Dort, wo die Technik für die Lüftung des Ratssaals und des Ratskellers (Ritmo) steht, leben im Sommer hunderte Fledermäuse. Das Areal steht seit 2004 als Wochenstube des Großen Mausohrs sogar unter Naturschutz. Das FFH-Gebiet ist unter der Nummer 4222-304 beim Umweltbundesamt verzeichnet und ist gut 400 Quadratmeter groß. „Im Sommer darf ich nur in absoluten Notfällen auf den Dachboden“, sagt Jens Shaw und zeigt auf seinem Handy Fotos von den Fledermäusen.
Heizung mit Gas
In Regalen lagern unter dem Rathausdach Prospekte der Touristinformation. Auch die Heizung ist hier untergebracht. Geheizt wird mit Gas, steuern kann Shaw die Technik auch aus der Ferne und es beispielsweise dann im Ratssaal etwas wärmer machen, wenn Sitzungen sind. Dann haben es die Ratsherren und -damen auch an den Füßen warm. Im Rathaus gibt es nämlich eine Fußbodenheizung.
Batterien zur Notstromversorgung
In einem winzigen Zimmer auf dem Dachboden stehen ein gutes Dutzend Batterien in Reih und Glied. Sie sind die Notstromversorgung des Gebäudes. Ein paar Schritte weiter ist der Technikraum des Aufzuges. Ins Auge fällt eine kleine Ölpumpe, die von Hand bedient werden kann. „Damit kann man den Fahrstuhl hinauf oder herablassen, falls er stecken geblieben ist“, erläutert Shaw.
Dreigeschossiger Treppenturm
Das Rathaus wird erschlossen über einen dreigeschossigen Treppenturm. Am Ende der Treppe steht ein besonderes Kleinod. Der Spieltisch des Glockenspiels. Er erinnert auf den ersten Blick an den einer Orgel, allerdings schlummert in ihm eine ganz besondere Technik. Damit das Glockenspiel fünfmal täglich automatisch spielen kann, laufen im Spieltisch spezielle Bänder, auf denen die Lieder „gespeichert“ sind. Für jede Jahreszeit gibt es ein eigenes Band. Zu Jens Shaws Aufgaben gehört auch der Wechsel dieser Bänder. „Früher hat das immer ein Elektriker übernommen, aber der ist jetzt in Rente. Ich habe mich für die Technik interessiert und mich eingearbeitet“, sagt Shaw. Und die stammt wie das Glockenspiel selbst auf den 1950er Jahren.
Glockenspiel 1,6 Tonnen schwer
Das 1,6 Tonnen schwere Glockenspiel wurde 1959 auf Initiative des Höxteraner Justizoberinspektors Josef Michels in den Rathausturm eingebaut. Drei Jahre dauerte es, bis Michels die Anschaffungs- und Installationskosten in Höhe von 34.000 Mark zusammen gesammelt hatte. Sie wurden fast gänzlich von der Bürgerschaft, Verbänden und Vereinen aufgebracht. Und schon bald nach dem Einbau war eine größere Reparatur nötig: Man hatte vergessen, zum Schutz vor Tauben ein Netz in den Turm zu spannen. Die Tiere hatten durch ihren Kot das Glockenspiel so verdreckt, dass es ausgebaut werden und die gesamte Technik gereinigt werden musste.
Liedfolge seit 1959 unverändert
Das Glockenspiel soll an Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 bis 1874) erinnern. Die Liedfolge ist seit 1959 nicht verändert worden. Die meisten zu hörenden Volkslieder stammen aus Hoffmanns Feder. Die 35 Glocken hängen hoch oben im Rathausturm. Sie sind nur über zwei schmale Alu-Leitern zu erreichen. Nichts für Menschen, die nicht schwindelfrei sind. Aber kein Problem für Jens Shaw. Er kennt auch diesen Winkel des Rathauses wie seine Westentasche.
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