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HVV-Mitglieder polieren Stolpersteine für die Opfer des NS-Unrechtsregimes

Erinnerung als stiller Protest

Höxter

Ja zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, Nein zu Intoleranz und Ausgrenzung: Dieses große gemeinsame Bekenntnis der Höxteraner anlässlich des Auftritts des AfD-Rechtsaußen Björn Höcke an diesem Samstag hat der Heimat- und Verkehrsverein (HVV) mit einer symbolträchtigen Aktion bekräftigt: Vorstands- und Beiratsmitglieder brachten am Freitag die Messing-Stolpersteine zur Erinnerung an die Opfer der NS-Zeit auf Hochglanz – damit die Menschen im übertragenen Sinne über die frisch polierten Gedenktafeln im Boden stolpern. Denn diese fallen nach der Reinigung wieder mehr ins Auge.

Sabine Robrecht

Vorstands- und Beiratsmitglieder des Heimat- und Verkehrsvereins trafen sich zur symbolischen Reinigung der Stolpersteine: Norbert Drews (von links, Vorsitzender), Stephan Berg (Redaktion Monatsheft), Jürgen Lessing, Michael Koch (Arbeitskreis Stadtgeschichte) und Roland Hesse. Foto: Sabine Robrecht

„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“: Mit diesem Zitat aus dem Talmud bringt der Kölner Künstler Gunter Demnig den Beweggrund für eine Initiative auf den Punkt, die europaweit Kreise zieht. In fast 2000 Kommunen verlegte er bis jetzt mehr als 75.000 Stolpersteine vor den letzten selbst gewählten Wohnhäusern von Opfern der NS-Diktatur. „Hier wohnte...“ beginnt jeweils die Inschrift der Gedenksteine mit Messingauflage. Dann folgen jeweils die Namen, an die der Schöpfer dieses immer noch wachsenden, weltweit größten dezentralen Denkmals eindringlich erinnern will.

In Höxter brachte das Tierarzt-Ehepaar Karl-Heinz und Susanne Kraft den Stein ins Rollen: In den Jahren 2005 bis 2007 wurden 45 Stolpersteine für die ermordeten jüdischen Mitbürger in den Gehsteigen vor ihren Häusern eingelassen. Die Erinnerung an sie wird mit den Gedenksteinen dorthin zurückgeholt, wo sie zuletzt gelebt haben. Ende 2007 kamen zwei Stolpersteine für nichtjüdische Höxteraner dazu, die der NS-Verfolgung zum Opfer fielen.

“Möge man – im symbolischen Sinne – stolpern“: Diesen Wunsch verbindet Stephan Berg mit dem Reinigen der Stolpersteine. Foto: Sabine Robrecht

Der HVV schlägt nun den Bogen zu heute, indem er mit der Reinigung der Gedenksteine eine Botschaft vermittelt: Menschen seien im Nationalsozialismus aus der Mitte der Gesellschaft ausgegrenzt worden. „Das darf nie wieder passieren. Wir müssen jeglicher Ausgrenzung vorbeugen“, formulierte Michael Koch, Sprecher des Arbeitskreises Stadtgeschichte im HVV, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Diese rückt der Verein in den Blickpunkt. „Uns ist es wichtig, im Vorfeld der Veranstaltung mit Björn Höcke zur Vielfalt der kreativen Protestmöglichkeiten beizutragen“, hob Vorsitzender Norbert Drews hervor.

Nach der Reinigung fallen die Stolpersteine in der Stadt wieder mehr ins Auge. Foto: Sabine Robrecht

Vorstandsmitglied Stephan Berg hatte die stille Protestinitiative angeregt. Sie veranlasse die Passanten dazu, bewusster durch die Stadt zu gehen und mal wieder vor den Gedenksteinen innezuhalten. Der Künstler nennt sie ein „Denkmal von unten“: Wer die Namen lesen wolle, müsse sich vorbeugen – und verneige sich automatisch vor den Menschen, die Ausgrenzung und Unrecht erfahren haben. Bis auf wenige Ausnahmen verlegt Gunter Demnig alle Steine selbst. Das sei keine Routine, betont er. Denn: „Jedes Schicksal bewegt uns und soll uns bewegen.“

In diesem Sinne möchte der HVV die Gedenksteine in Höxter zukünftig regelmäßig polieren – damit sie den Menschen immer wieder neu ins Auge fallen und sie hellhörig werden lassen für die so wichtige Aufgabe, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gegen Populismus zu verteidigen. Denn Populismus kann Ausgrenzung säen. „Wehret den Anfängen.“ Dazu mahnen die Menschen, deren Namen in Höxters Bürgersteigen seit Freitag wieder glänzen.

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