Konzert-Debüt des »Forum Anja Niedringhaus« – Chinesische Solistin
Wonach die Welt klingt
Höxter (WB). Ein neuer Ort für Kultur in Höxter, so lautet die Idee des »Forum Anja Niedringhaus«. Der Verein lud jetzt zu seiner ersten öffentlichen Veranstaltung ins Pins-Forum ein. »Spielstrategien« – ein Meisterwerk gespielt von Linlin Fan.
Im schwarzen Lack des Pianos spiegeln sich vier Gesichter wider. Es sind Walter Steffens, Martin Holzhäuser, Gottfried Jäger und Heide Ute Niedringhaus, die so gespannt dem Crescendo lauschen, das sich gerade aufbaut.
Im Saal des Adelshofes, beobachtet von Jacob Pins' Gemälden gesichtsloser Figuren, interpretiert die chinesische Pianistin Linlin Fan das Werk »Spielstrategien«.
Einem Forte-Gewitter folgt meditative Ruhe
Dessen Schöpfer, Walter Steffens, lauscht mit geschlossenen Augen, die gespreizten Finger im Takt bewegend. Neben ihm die Fotografen Holzhäuser und Jäger. Grafikkünstler, von deren nach strenger Mathematik geformten Bildern Steffens Inspiration schöpfte.
Heide Ute Niedringhaus, die Mutter der 2014 in Afghanistan ermordeten Fotojournalistin Anja Niedringhaus , schaut Fan auf die Finger. Ein Forte-Gewitter, dann wieder meditative Ruhe.
Die Idee, Bilder zu vertonen, ist nicht neu: Bereits 1874 erlangte der russische Romantiker Modest Petrowitsch Mussorgski mit seiner Programmmusik »Bilder einer Ausstellung« großen Ruhm.
Seitdem orientierten sich viele namhafte Komponisten an Bildern, so auch Walter Steffens, der bisher selbst mehr als 100 Gemälde und Grafiken vertont hat. »Ohne Programm kann ich nicht arbeiten«, erklärt der einstige Professor für Komposition und Musiktheorie.
»Ganz besonders liebe ich Monet, aber seine Werke habe ich nie vertont.« Der Grund dafür: »Bilder rufen nach mir.«
Niemand verlässt mehr den Saal
Steffens wendet sich den Grafiken an der Wand zu. Komplizierte Formen, immer wiederkehrende Muster, Farbquadrate. Er sei dankbar für die Zusammenarbeit mit Gottfried Jäger und Martin Holzhäuser, sagt er.
Das gemeinsame Kunstwerk der Drei, die Symbiose von Bild und Klang, entstand bereits 1977 und wurde 1979 in der Bielefelder Kunsthalle uraufgeführt. Damals, erinnert sich Gottfried Jäger, seien die Leute aus dem Saal gelaufen, hätten die Türen hinter sich zugeschlagen.
Tatsächlich ist das Werk alles andere als gewöhnlich, aber dennoch keinesfalls abstrakt. Ausschweifende Melodien sind nicht zu erwarten, dennoch berührt das Solostück mit genau dem Potenzial, das auch die Fotografiken auszeichnet.
Sie machen genau das greifbar, was das Leben auf der Welt ausmacht: Entwicklung, Evolution, das Wechselspiel der Selektion. Kurz: Die Spielregeln der Natur – »Spielstrategien«.
Die zwei Meditationen enden mit einem Schlag des Unterarms auf die Klaviatur. Die Begeisterung ist groß. Ausnahmetalent Linlin Fan konnte mit ihrer Interpretation von Steffens Werk überzeugen.
Neben den »Spielstrategien« nahm sie zwei Kompositionen des Chinesen Tan Dun aus dem Zyklus »Eight Memories in Watercolor« sowie Ludwig van Beethovens »32 Variationen in c-moll« mit in ihr Programm auf.
Ein würdiger Anfang
»Beethoven war der Komponist seiner Zeit, der am allermeisten für Menschenrechte stand«, erklärt Walter Steffens.
»Menschenrechte« – das erinnert an Anja Niedringhaus , deren Leben und Wirken vom ihr gewidmeten Verein im Bewusstsein der Menschen gehalten werden soll . Mit dem Solokonzert hat das »Forum Anja Niedringhaus« einen würdigen Anfang erlebt.
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