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100 Tage im Amt: Marienmünsters neuer Bürgermeister Josef Suermann zieht im Interview eine erste Bilanz

„Alle Ortschaften werden gleich behandelt“

Marienmünster

Seit etwas mehr als 100 Tagen ist Josef Suermann nun bereits Bürgermeister in Marienmünster. Der bisherige allgemeine Vertreter des Bürgermeisters übernahm im November den Chefposten im Rathaus. Im Gespräch mit WB-Redakteur Dennis Pape blickt er zurück auf seine ersten Monate als Stadtoberhaupt – und verrät auch, wie er Marienmünster in eine erfolgreiche Zukunft führen möchte.

Dennis Pape

Marienmünster fest im Blick: In Josef Suermanns Büro hängt unter anderem dieser sehenswerte Ausblick über die Ortschaft Vörden. Foto: Dennis Pape

Welche Bilder hat der Hobby-Fotograf Josef Suermann im Kopf, wenn er an die ersten 100 Tage denkt. Was wird eingerahmt, was landet in der Tonne?

Suermann: Die überaus zahlreichen Glückwunschschreiben zu meiner Wahl, die Sitzungen im Konzertsaal der Abtei, unzählige Videokonferenzen, wichtige und gute Gespräche mit anderen Behörden und Organisationen gehören zu diesen Bildern der ersten 100 Tage. Das Bild vom täglichen Blick auf die Corona-Statistik gehört ganz sicher auch dazu, kann aber hoffentlich bald in die Tonne.

Wie groß war der Schritt vom Büro links in das Büro rechts? Was hat sich in den ersten 100 Tagen für Sie verändert?

Josef Suermann: Die Entscheidung, überhaupt zu kandidieren, war für mich der größte Schritt. Nach der erfolgreichen Wahl ist zunächst vieles geschäftsmäßig abgelaufen – wie die konstituierende Sitzung und die Stellenwechsel in der Verwaltung. Verändert hat sich, dass die Verantwortung größer geworden ist, die Kommunikation mit den Ratsmitgliedern zugenommen hat und der Terminkalender voller geworden ist, obwohl viele Termine wegen des Lockdowns noch gar nicht stattfinden.

Welche Projekte wurden bislang realisiert, angestoßen, vorbereitet? Welche werden bald folgen?

Suermann: Der Rat ist meinem Vorschlag gefolgt, einen Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus und Kultur zu bilden. Es haben sich bereits über zehn Firmen aus unserer Stadt gemeldet, die sich dem Ausschuss vorstellen möchten, um so mit der Politik und Verwaltung ins Gespräch zu kommen. Sobald die Corona-Pandemie es zulässt, werden wir die ersten Termine abstimmen. Die Bürger-App soll in den nächsten Tagen an den Start gehen. Für Maßnahmen zum Umweltschutz, zur Ausweisung von Bauland und Gewerbeflächen, für die weitere Entwicklung in den Dörfern, für die Mobilitätsverbesserung und vieles mehr haben wir Mittel in den Haushaltsplanentwurf eingestellt, der zunächst vom Rat beschlossen werden muss.

Stichwort ISEK: Warum ist es wichtig, Stärken und Schwächen eines jedes Ortes aus Sicht der Bürger zu beleuchten? Und warum ist es dennoch schwierig, am Ende alle zufrieden zu stellen?

Suermann: Ich hatte im Wahlkampf erklärt, dass ich alle Ortschaften gleich behandeln möchte. Mit dem angestrebten Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzept – dem ISEK – werden alle Dörfer die Gelegenheit erhalten, ihre Stärken, Schwächen und Ziele zu formulieren. In den vier größten Ortschaften gibt es ja bereits Zukunftswerkstätten. Diesen Prozess halte ich für sehr wichtig für die weitere Entwicklung. Viele Wünsche werden sich aber nur dann verwirklichen lassen, wenn sich mehrere Ortschaften zusammenschließen. Darin sehe ich eine große Herausforderung.

Nachgemessen im November: Josef Suermanns neues und altes Büro liegen nur 3,80 Meter auseinander. Foto: Dennis Pape

Der demografische Wandel ist eine Belastung. Inwiefern kann er auch eine Chance sein? Und inwiefern ist das Bewusstsein dafür, dass nicht alles erhalten werden kann, wichtig für die Entwicklung?

Suermann: Weniger Einwohner bedeuten geringere Steuereinnahmen und höhere Gebühren. Wenn wir heute in Gebäude und Einrichtungen investieren, die über den tatsächlichen Bedarf gehen, nehmen wir uns die Gestaltungsmöglichkeiten in den nächsten Jahren. Darin, dass manche Einrichtungen nur sinnvoll und finanzierbar sind, wenn sie von mehreren Orten gemeinsam genutzt und getragen werden, sehe ich eine Chance für das Zusammenwachsen der Ortschaften unserer Stadt. Hier haben wir in manchen Bereichen auch nach 50 Jahren immer noch Potenzial nach oben.

Warum lohnt es sich, für ein zukunftsorientiertes Marienmünster zu arbeiten. Was sind die Grundlagen, die Marienmünster zukunftsfähig machen?

Suermann: Marienmünster ist lebens- und liebenswert. Wir haben 13 schmucke Ortschaften, ein reges Vereinsleben, viele engagierte Bürgerinnen und Bürger, ein gutes Wohnumfeld und wir haben unsere Abtei. Ich möchte, dass es den Bürgerinnen und Bürgern Spaß macht und ein gutes Gefühl gibt, hier in Marienmünster zu leben. Für Familien gehören gute frühkindliche und schulische Bildung sowie Sport- und Freizeitangebote dazu. Im Jugend- und Seniorenbereich sind Angebote zu schaffen, Wohnraum und Gewerbeflächen sind vorzuhalten und im Bereich der Digitalisierung müssen wir Schritt halten. Dann kommen die ärztliche Versorgung, die Mobilität und vieles mehr dazu. Also ein sehr breites Feld, auf dem wir uns bewegen und tätig werden müssen.

Stichwort Fachwerkhaus Bredenborn – das Dauerthema: Wie sehr belastet Sie die Situation, einen der ersten Ratsbeschlüsse überhaupt beanstanden zu müssen?

Suermann: Das Thema sehe ich ganz nüchtern. Es geht hier um eine rechtliche Klärung. Die Situation stellt keine Belastungsprobe zwischen Rat und Bürgermeister dar. Warten wir ab, was die Kommunalaufsicht aus der Beanstandung des Ratsbeschlusses macht.

Was macht Bürgermeister Suermann anders als sein Vorgänger Robert Klocke?

Suermann: Das müssten Sie Kolleginnen und Kollegen sowie die Ratsmitglieder fragen. Robert Klocke und ich waren uns früher in den allermeisten Fragen einig und ich glaube, dass er meine jetzigen Entscheidungen genauso treffen würde. Ich habe den großen Vorteil, dass man mir nicht unterstellen kann, ich würde zugunsten meines Wohnortes arbeiten. Das ist ihm leider zwischenzeitlich unterstellt worden, entbehrte aber jeglicher Wahrheit.

Was macht das Rathaus-Team für Sie besonders? Wie läuft die Digitalisierung?

Suermann: Wir sind eine der kleinsten Stadtverwaltungen, wenn nicht sogar die kleinste Verwaltung im Land. Das funktioniert überhaupt nur und solange, wie alle gut zusammenarbeiten und es harmoniert. Und das ist bei uns der Fall. Daran arbeiten alle mit und dafür bin ich den Kolleginnen und Kollegen sehr dankbar. Weil wir so klein sind, geht die Digitalisierung natürlich auch schneller vonstatten. Die Grundlage haben wir mit der elektronischen Akte bereits vor vier Jahren gelegt. Jeder von uns kann sich seine Akten und Vorgänge an jeden Computer der Welt mit Internetzugang heranholen und bearbeiten. Wie wichtig das ist, stellen wir jetzt unter den Corona-Beschränkungen fest, wo doch so mancher Arbeitstag im Homeoffice stattfindet. Im Rat wollen wir ebenso komplett digital arbeiten. Hier mangelt es im Moment noch teils an der Auslieferung von bestellten Geräten.

Welche Schlagzeile würden Sie gerne im kommenden Jahr, welche in fünf Jahren und welche in zehn Jahren im WB über Marienmünster lesen?

Suermann: Im kommenden Jahr, dass wir gemeinsam mit den Sportvereinen einen guten Kompromiss in Sachen Sportentwicklung erreicht haben. In fünf Jahren, dass das neue Wohngebiet in Vörden komplett bebaut ist und die neuen Gewerbeflächen mit Firmen belegt sind, die Arbeitsplätze geschaffen haben. In zehn Jahren würde ich gerne lesen, dass der erwartete Einwohnerrückgang abgebremst werden konnte, die ärztliche Versorgung gesichert ist und Marienmünster weiter ein kultureller Leuchtturm im Kreis ist.

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