A capella- Vokalensemble "cara tonale" vermittelt Sehnsucht und Hoffnung
Himmelsferne: Konzerte in der Abtei Marienmünster
Marienmünster
Es ist ein Tag wie aus dem Bilderbuch: Weit und blau spannt sich der Himmel über leuchtend gelben Rapsfeldern. Und hoch ragen die markanten Türme der Abtei Marienmünster in dieses ferne Himmelsblau empor. „Himmel und Ferne“ – das sind Stichworte, die Heide Müller gerne aufnimmt. Ist doch „Himmelsferne“ der Titel des nächsten Projekts der jungen Chordirigentin und ihres A cappella-Vokalensembles „cara tonale“.
Sehnsucht und Unsterblichkeit Schnell wird im Gespräch mit Heide Müller allerdings deutlich, dass es sich bei der titelgebenden Himmelsferne nicht um die ferne Weite eines blauen Frühlingshimmels handelt. Vielmehr ist der Begriff angelehnt an das Gedicht „An die Sterne“ von Friedrich Rückert, das Robert Schumann für doppelchörigen Chor kongenial in Töne gesetzt hat. „Sterne, in des Himmels Ferne“ heißt es dort zu Beginn einer jeden Strophe. Die Ferne des Himmels in ihren unterschiedlichsten Facetten zieht sich leitmotivisch durch das Programm.
Welche Musik wird gespielt?
„Das Hauptaugenmerk liegt auf englischer und deutscher Musik der Romantik, stets verbunden mit den für diese Epoche typischen Motiven wie Sehnsucht und Fernweh, aber auch Aspekten wie Heimweh gepaart mit dem gleichzeitigen Wunsch nach Weltflucht“, erläutert Heide Müller. Und so wie Robert Schumann in seinem Opus 141 mit ruhigen, geheimnisvoll schwebenden Klängen die Sehnsucht nach einem fernen, besseren Leben hörbar macht, so seien auch die Chorkompositionen von Johannes Brahms, Edward Elgar und Gustav Mahler Musik zwischen Leiden und Hoffen. „Wir möchten den Konzertbesuchern eine Stunde voller Sehnsucht, aber auch voller Schönheit und Hoffnung präsentieren,“ so die junge Dirigentin weiter, „und die Musik zeigt – Sehnsucht, das ist ein Gefühl voller Widersprüche: Lust und Leid zugleich, es tut wohl und weh, verzehrt und baut auf.
Die Künstler der Romantik flüchten sich ins Traumhafte oder suchen Geborgenheit im Naturidyll.“ So nehme zum Beispiel Gustav Mahlers Lied „Urlicht“, das zum Abschluss des Konzertes erklinge, „das Fragen und Ringen der Seele um Gott und um die eigene göttliche Existenz über dieses Leben hinaus“ auf. Eingebettet in feierlich-hymnische Klänge und zarte, himmlische Zwischentöne bündele er die Hoffnung des Menschen auf Erlösung und den Glauben an ein Leben nach dem Tod. In knapp fünf Minuten schaffe Mahler einen musikalischen Spagat zwischen Todessehnsucht, Ziellosigkeit, Engelsstimmen und paradiesischen Utopien.
Klangkultur und Präzision
Raum zum Gestalten und Experimentieren Im Fokus der musikalischen Arbeit der 16 Sängerinnen und Sänger aus ganz Deutschland, die sich in Marienmünster in der Ruhe und Stille des ehemaligen Klosters zum intensiven Proben treffen, stehen Klangkultur, Präzision, gestalterische Intelligenz und das Verschmelzen der individuellen stimmlichen Stärken zu einem homogenen Ganzen. „Alle Sängerinnen und Sänger sind wunderbare Künstler, die wissen, was sie tun, sodass ich ihnen sehr viel Raum zum Gestalten geben kann“, freut sich die junge Dirigentin, die seit 2019 einen Lehrauftrag für die chorische Ausbildung der Jungstudierenden an der Hochschule für Musik Detmold hat. Daneben sei es „cara tonale“ ein Anliegen, auch junge Komponisten, die am Anfang ihres Schaffens stehen, zu unterstützen.
Weil es eine Freude sei, mit- und aneinander zu wachsen und in gegenseitigem Austausch den Blick zu schärfen, können sich Zuhörer auch auf die Uraufführung eines Werkes der 1993 geborenen schwedischer Komponistin Alva S. Lundqvist freuen. Ihr Stück „Från himlen“ (deutsch: vom Himmel) setzt sich hauptsächlich aus improvisierten, sphärischen Klängen und der persönlichen Imagination der Komponistin zusammen, wie es im Himmel klingen könnte. „Man kann das Werk mit einem Traum vergleichen“, beschreibt Heide Müller: „Blicke schweifen in den Himmel, Gedanken fliegen und verfremden. Man beginnt zu träumen und weiß nicht genau, wo man sich befindet; die Grenzen sind fließend und münden zuletzt in eine Art Wiegenlied. Dabei geht Lundqvist sehr experimentell mit Stimme und Klang um.“ Und man merke: Auch die Komponistinnen und Komponisten des 21. Jahrhunderts verspürten sie noch – die romantische Idee der Sehnsucht.
Wann sind die Konzerte?
Zu hören ist „Himmelsferne“ gleich dreimal: Am Samstag, 21. Mai, um 19.30 Uhr sowie am Sonntag, 22. Mai, um 15.30 Uhr singt das Ensemble in Kooperation mit dem Netzwerk Klosterlandschaft OWL bei freiem Eintritt in der Abtei Marienmünster. Überdies treten die Sängerinnen und Sänger am Freitag, 20. Mai, um 19 Uhr im Rahmen des „Orgelfrühlings 2022“ in der Detmolder Martin-Luther-Kirche auf.
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