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Leon Schröder will nach der Pandemie im Rollstuhl nach New York – Ausbildung beim Kreis Höxter gestartet

Der Traum lebt weiter

Steinheim-Rolfzen

Leon Schröder (23) weiß, dass man den Moment leben muss – nicht zuletzt, weil er mit der unheilbaren und tödlichen Muskeldystrophie Duchenne im Rollstuhl sitzen muss. Der Traum, mit seinen ebenfalls von Muskelkrankheiten betroffenen Freunden im Mai dieses Jahres nach New York zu reisen, ist der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen – vorerst, denn Aufgeben ist seine Sache nicht: „Unser Traum lebt weiter“, sagt der Rolfzener, der auf ein bewegtes Jahr mit neuer Ausbildung und besonderen Begegnungen zurückblickt.

Dennis Pape

Ein Bild aus dem Dezember 2019: Leon Schröder und seine Freunde planen die New-York-Reise mit Sabrina Raschke jetzt für die Zeit nach der Pandemie. Foto: Dennis Pape

Trotz seiner Krankheit und vielen Einschränkungen hat Leon Schröder feste Ziele, die er verwirklichen will – Ziele, für die er sich voller Tatendrang einsetzt. Wer mit ihm spricht, spürt eine bemerkenswerte Lebensfreude – Freude auf das, was da noch kommen wird. Bundesweit hatten der Rolfzener und seine Freunde mit ihrer engagierten Unterstützerin Sabrina Raschke über die Jahreswende für eine erstaunliche Solidaritätswelle gesorgt und 150.000 Euro Spenden zur Verwirklichung ihres New-York-Trips gesammelt. Dann kam Corona.

Hoffnung

„Zu Beginn der Pandemie haben wir die Situation – wie so viele – noch etwas unterschätzt. Doch irgendwann kam die Gewissheit, dass wir unseren Traum in diesem Jahr nicht verwirklichen können. Wir sind alle extrem enttäuscht gewesen“, erzählt Leon Schröder. Die Gruppe der insgesamt sieben jungen Menschen mit Behinderungen aus ganz Deutschland sei sehr dankbar für die vielen Spenden. Denn eine solche Reise sei für sie ein logistischer Kraftakt, der ansonsten nicht zu finanzieren sei. „Wir wollen unseren Traum auch für die Menschen leben, die uns unterstützen. Jetzt müssen wir hoffen, dass sich die Krankheitsverläufe so gestalten, dass wir 2021 oder 2022 auch alle noch reisen können“, sagt der 23-Jährige. Denn: Duchenne beginnt im Kleinkinderalter mit einer Schwäche der Becken- sowie Oberschenkelmuskulatur und schreitet schnell voran. Die Geh- und Stehfähigkeit ist meist sehr früh nicht mehr vorhanden. Im weiteren Verlauf baut sich unter anderem auch die Atemhilfsmuskulatur ab. Die Krankheit ist tödlich.

Treffen mit Kontra K

Treffen konnten sich einige der Freunde, die sich bei jährlichen Rehamaßnahmen in der Weserberglandklinik Höxter kennen gelernt haben, in diesem Jahr lediglich einmal. „Eigentlich wollten wir zum Hurricane-Festival, das jedoch ebenso ausgefallen ist wie unser WBK-Treffen. Deshalb haben wir an einem Wochenende bei Alex in Hamburg ein kleines Zuhause-Festival gefeiert – mit Musik, Getränken und viel Quatschen“, so Leon Schröder.

Apropos Hamburg: In der Hansestadt konnte der junge Mann bei einer Veranstaltung der Deutschen Muskelschwundhilfe im März den bekannten Rapper Kontra K treffen. „Das war total spannend, er hat Fotos mit uns gemacht und uns anschließend noch zu einem Konzert eingeladen – es war eines der letzten in diesem Corona-Jahr“, erzählt Leon Schröder, der viel von den Texten des Musikers hält. Sein Lieblingslied: „Erfolg ist kein Glück, sondern nur das Ergebnis von Blut, Schweiß und Tränen – das Leben zahlt alles mal zurück. Es kommt nur ganz darauf an, was Du bist – Schatten oder Licht.“

Azubi bei der Kreisverwaltung

Diese Zeilen wiederum haben für den Rolfzener eine besondere Bedeutung: „Es geht darum, zu kämpfen und nie aufzugeben. Leben ist das, was Du daraus machst.“ Dass der 23-Jährige trotz Rollstuhl und zahlreichen Einschränkungen nach dieser Devise lebt, stellt er immer wieder unter Beweis – nicht nur bezüglich seines New-York-Traums: So hat er in diesem Jahr zunächst sein Abitur am Dietrich-Bonhoeffer-Berufskolleg in Detmold abgelegt und anschließend eine Ausbildung beim Kreis Höxter als Verwaltungsfachangestellter begonnen. Bis dahin war es einmal mehr ein steiniger Weg: „Ich habe mehr als 30 Bewerbungen geschrieben und nur eine einzige Zusage bekommen. Generell ist es schwer für Menschen mit Behinderungen, einen Arbeitsplatz zu finden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Unternehmen Ängste haben, weil sie nicht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen.“ Er wünsche sich, dass Arbeitgeber „aufgeschlossener werden“, es müsste aber auch mehr Beratungsangebote für Firmen geben.

Als die Zusage der Kreisverwaltung kam, sei ihm ein Stein vom Herzen gefallen: „Ich bin sehr glücklich und unendlich dankbar, dass der Kreis Höxter mir eine Chance gegeben hat. Hier hat man mich bestens aufgenommen und auch meinen Arbeitsplatz an meine speziellen Bedürfnisse angepasst. Die Kollegen sind total nett und aufgeschlossen. Ich bin ja erst seit August da, kann aber jetzt schon sagen, dass ich gerne nach der Ausbildung bleiben würde.“

Dafür, dass Leon Schröder trotz schwerer Einschränkungen bereits zahlreiche Aufgaben in den Bereichen Personal und aktuell Finanzen übernehmen konnte, sorgen auch die vom Paritätischen Holzminden gestellten Arbeitsassistenten. „Sie helfen mir beispielsweise beim Essen, Trinken oder dem Toilettengang und bewegen auch meine Hände nach vorne“, so der 23-Jährige, der seine Arme nicht mehr bewegen kann.

Leon Schröder ist nicht zuletzt angesichts der beruflichen Entwicklung glücklich. Doch da geht noch mehr – Stichwort Big Apple. „Der Traum von New York lebt weiter. Nur, wenn man seine Ziele fest im Blick hat, kann man sie auch verwirklichen“, sagt er.

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