Fachleute untersuchen die Talbrücke in Warburg-Scherfede
Check-up in 35 Metern Höhe
Warburg (WB). Während die Plattform langsam immer weiterfährt, geht Thorsten Ziolek seine Liste durch. „Zehn quer“ ruft er seinem Kollegen zu. In dessen Sichtbereich wird gleich ein alter Schaden auftauchen. Wie die Macke wohl heute aussieht? Diese und neue Schäden nehmen die Brückenprüfer zurzeit bei der Talbrücke Scherfede unter die Lupe.
Tausende Brücken gibt es in Nordrhein-Westfalen, alle ab zwei Meter Stützweite müssen regelmäßig geprüft werden. Brücken, die in der Zuständigkeit von Straßen.NRW liegen, werden jährlich durch die Straßenmeistereien besichtigt.
Hauptprüfung folgt alle sechs Jahre
Bei einer einfachen Bauwerksprüfung wird die Brücke genauer untersucht. Alle sechs Jahre bekommt sie eine große Hauptprüfung. Wie bei einem Check-up beim Arzt wird dabei geschaut, wie es um das Bauwerk steht – so wie nun in Scherfede.
Die „Zehn quer“ – gemeint ist übrigens ein zehn Zentimeter langer Schaden, der quer zur Fahrbahn liegt – entpuppt sich als nicht so schlimm. Auch an einer anderen Stelle bleibt Ziolek gelassen. Rostiger Stahl kommt an der Oberfläche zum Vorschein, obwohl der Baustoff etwa dreieinhalb Zentimeter dick mit Beton bedeckt sein sollte. „Das sieht nicht schön aus, tut der Brücke aber nicht weh“, sagt der Ingenieur für Bauwerksprüfung. Der Schaden sei wohl beim Bau der Brücke im Jahr 1974 entstanden.
Schwerlastverkehr macht Brücken zu schaffen
Viele Brücken im Bundesland sind relativ alt. Sie wurden vor allem in den 1960er- bis 1980er-Jahren gebaut. Damals wurden an die Brücken nicht nur ganz andere Anforderungen gestellt als heute. Auch wurden die Bauwerke für ganz andere Belastungen ausgelegt. Vor allem der zunehmende Anteil des Schwerlastverkehrs macht den Brücken zu schaffen. „Ein Lastwagen hat die gleiche Einwirkung auf eine Brücke wie tausende Autos“, erklärt Ziolek.
Um zu schauen, wie es um die Talbrücke Scherfede steht, müssen Ziolek und die Fachleute der Straßenmeisterei Peckelsheim ganz dicht dran. Bei der Bauwerksprüfung nach DIN 1076, so heißt die Hauptprüfung im Amtsdeutsch, muss jedes Bauteil nämlich „handnah“ geprüft werden. Eine Herausforderung bei einem Bauwerk, dass nicht nur etwa 420 Meter lang sondern auch 35 Meter hoch ist. Die Fachleute stehen daher auf einer Plattform, die unter die Brücke gehoben werden kann.
Bauteil werden „handnah“ geprüft
Aus dieser Perspektive fallen zum Beispiel Abplatzer auf. Hier und da hauen die Experten auch mit einem Hammer gegen das Bauwerk. So lässt sich prüfen, ob der Untergrund womöglich marode ist. Bisher ist Thorsten Ziolek mit dem Scherfeder Patienten zufrieden. Die Brücke, die Teil der Landesstraße 828 ist, sei aber auch relativ unproblematisch – weil über sie nicht so viel Schwerlastverkehr fahre. Autobahnbrücken würden viel stärker beansprucht. „Was uns mehr Hinweise auf Schäden gibt, sind Risse im Beton“, sagt der Fachmann. Zum Glück blieben die bislang aus.
Am Montag und Dienstag haben die Experten den sogenannten Überbau der Brücke geprüft. Das ist vereinfacht gesagt der Bereich, der über den Pfeilern liegt. Am Mittwoch und Donnerstag soll der Unterbau unter die Lupe genommen werden. Dabei werden dann etwa die Pfeiler abgefahren und aus der Nähe betrachtet. Hinzu kommt noch die EDV-technische Nachbearbeitung, die einen weiteren Tag dauert. Etwa fünf Tage vergehen insgesamt, bis die Prüfung der Talbrücke erledigt ist.
Brückenzustand wird in „Patientenakte“ vermerkt
Alles, was Thorsten Ziolek und die Fachleute der Straßenmeisterei dabei entdecken, wird notiert. Wie bei einem Menschen hat auch eine Brücke eine Art Patientenakte. Im sogenannten Bauwerksbuch sind etwa die Kenndaten der Brücke vermerkt. Welche Baustoffe wurden verwendet? Wann wurde das Bauwerk abgenommen? Welche Schäden tauchten bei der letzten Hauptprüfung auf? All das wird vermerkt.
Ist die Prüfung in Scherfede abgeschlossen, geht es zur nächsten Brücke. Ziolek ist einer von zwölf Brückenprüfern des Landesbetriebes Straßen.NRW. Er betreut etwa 1400 Brücken, das erfordert 200 bis 250 Besuche pro Jahr. Die Talbrücke Scherfede wird er wohl in sechs Jahren wiedersehen – bei der nächsten Hauptprüfung.
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