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Höxteraner Volksbank-Chefin Ina Kreimer spricht im Interview über Corona, Niedrigzinsen und Karneval

„Konkurrenz von Apple und Co.“

Höxter

Ina Kreimers Herz schlägt für die ländliche Region, weil es hier oftmals viele Hidden Champions gibt. Die 51-jährige zweifache Mutter hat im vergangenen halben Jahr im Kreis Höxter viele Unternehmer kennengelernt, die Marktführer auf ihrem Gebiet sind. Denn die gebürtige Mönchengladbacherin ist als erste Frau im Vorstand der Verbund-Volksbank OWL für das Marktgebiet Höxter zuständig. Im Interview spricht sie über das Ende des Sparbuchs, Corona-Auswirkungen und ihre Liebe zum Karneval.

Marius Thöne

Ina Kreimer ist seit knapp einem halben Jahr als Vorstand der Verbund-Volksbank für den Kreis Höxter zuständig. Foto: Marius Thöne

Hat ein Vorstandsamt in Frauenhand eigentlich noch immer etwas Exotisches?

Kreimer: Ich hatte erwartet, dass das hier auf dem Land vielleicht als etwas Besonderes wahrgenommen wird. Das ist aber gar nicht so sehr der Fall. Obwohl ich weiß, dass die Fußstapfen meines Vorgängers groß sind, bin ich sowohl im Vorstand als auch im Kollegen- und Kundenkreis gut aufgenommen worden. Besonders gefreut habe ich mich, dass mir ein ehemaliges Vorstandsmitglied, einer meiner Vorgänger, einen langen Brief zum Start geschrieben und mir Glück gewünscht hat.

Wie wird man eigentlich Bankvorstand?

Kreimer: Ich bin angesprochen worden und hatte mir darüber tatsächlich schon einmal Gedanken gemacht. Wenn ich das mache, dann aber nur in der Region, in der ich lebe. Das war mir wichtig und das hat ja auch geklappt.

Sie sind im Rheinland geboren und leben seit 18 Jahren in Minden. Wie erleben Sie die Region?

Kreimer: Ich habe 17 Jahre bei einer überregionalen Bank im Bereich der Mittelstandsbetreuung gearbeitet. Da lag OWL schon in meinem Geschäftsgebiet. Damit hatte ich ein gutes Eisen im Feuer. Die Unternehmen gelten hier als seriös, besonders eigenkapitalstark und sind oft in Familienhand. Ein Kredit ist hier leichter zu vergeben als in wirtschaftsschwächeren Regionen. Im Kreis Höxter habe ich in den vergangenen Monaten rund 40 Besuche bei unseren großen Kunden erlebt und bin immer wieder beeindruckt, welcher Elan in den Unternehmen herrscht und wie sie mit neuen Entwicklungen vorankommen. Abends halte ich gerne bei einem der vielen Direktvermarkter an und kaufe ein. Begeistert bin ich privat, dass im Kreis Höxter Karneval gefeiert wird. Gerade in Beverungen soll es ja super sein. Da hätte ich glatt Lust auf ein Ehrenamt.

Das werden die Vereine gerne hören.

Kreimer: Karneval gehört für mich seit meiner Kindheit dazu. Ich erinnere mich an Abende bei meiner Oma, die ab dem 11.11. jedes Jahr Karnevalskostüme für die Familie genäht hat. Wenn auch nicht viel Geld da war, für Karneval war immer etwas übrig.

Zu den nicht so schönen ersten Amtshandlungen gehörte die Schließung von Filialen, weil sie nicht gegen Geldautomatensprenger zu sichern waren.

Kreimer: Das stimmt, betroffen waren Derental und Albaxen. In Derental haben wir zwischenzeitlich im Lebensmittelgeschäft von Ulrich Schäfer eine Möglichkeit zur Bargeldversorgung gefunden. In Albaxen leider noch nicht, obwohl ich auch dort mit zahlreichen Einzelhändlern im Gespräch war. Mit der Schließung folgen wir einer dringenden Empfehlung des Landeskriminalamtes. Vor allem in Albaxen kann ich nicht einfach wieder öffnen, direkt neben der Bank ist eine Kita. Nicht auszudenken, wenn da wirklich etwas passieren würde und jemand zu Schaden käme.

Was sagen Sie den Menschen, die auf Ihre Bank vor Ort dauerhaft nicht verzichten wollen?

Kreimer: Ich kann verstehen, dass der Ärger groß ist und gerade in Derental habe ich eine Hartnäckigkeit gespürt, mit der die Menschen bereit sind, sich für ihre Bank einzusetzen. Ich hatte sogar das Angebot von 50 Dorfbewohnern, die beim Umbau der Filiale mit anpacken wollten. Wir arbeiten an einer dauerhaften Lösung, die sich vermutlich im Laufe des ersten Halbjahres ergeben wird. Spruchreif ist aber zurzeit noch nichts.

In Peckelsheim sind die Filialen von Sparkasse und Volksbank gute 50 Meter auseinander. Können Sie sich eine gemeinsame Filiale vorstellen, die abwechselnd Rot und Blau leuchtet?

Kreimer: Ich persönlich kann mir das vorstellen. Wir arbeiten ja im SB-Bereich schon an einigen Stellen zusammen, zum Beispiel in Ottbergen oder Dringenberg. Die Konkurrenz für uns Banken kommt möglicherweise von einer ganz anderen Seite, beispielsweise von Bezahldiensten wie Apple-Pay. Wir schimpfen immer auf die überbordende Regulatorik. Sie ist aber auch eine Markteintrittsbarriere, ansonsten hätten Google und Co. vielleicht schon längst eine Bank gegründet.

Wie hat die Corona-Pandemie ihr Geschäft verändert?

Kreimer: Wir sind sehr viel digitaler geworden. Online-Banking und Kartenzahlungen gehören für junge Menschen ja zum Alltag. Wenn wir aber wie jetzt den Großteil unserer Filialen coronabedingt schließen müssen, stehen ältere Menschen vor geschlossenen Türen. Wir sind natürlich immer vor Ort und Terminvereinbarungen sind auch möglich. Allerdings geht es ja darum, die Kontakte zu reduzieren. Um auch unsere älteren Kunden vom Mehrwert unserer digitalen Angebote überzeugen zu können, machen unsere Mitarbeiter jetzt einen so genannten digitalen Führerschein. Ziel ist es, so die persönliche digitale Kompetenz jedes Einzelnen zu erhöhen und dadurch noch besser im Bereich der digitalen Dienstleistungen beraten zu können.

Und im Kreditgeschäft?

Kreimer: Im Zeitraum von März bis Oktober haben wir im Geschäftsgebiet der gesamten Verbund-Volksbank die Tilgung für mehr als 1700 Darlehen mit einem Bestand von 211 Millionen Euro ausgesetzt. Auf den Kreis Höxter entfielen hierbei über 390 Konten mit einem Darlehensbestand von 50 Millionen Euro. 70 Prozent der Tilgungsaussetzungen betrafen private Darlehen. Da macht sich auch die Kurzarbeit bemerkbar, von der ja viele betroffen sind oder waren. Wir haben für Unternehmen darüber hinaus rund 70 Millionen Euro an Liquiditätshilfen zur Verfügung gestellt, von denen aber rund 24 Millionen Euro noch nicht abgerufen wurden. Im Kreis Höxter liegen diese Werte bei über neun Millionen Euro bzw. 1,6 Millionen Euro. Auch hier wird deutlich, dass die meisten Firmen noch relativ glimpflich durch die Coronakrise gekommen sind.

Aber es gibt leidende Branchen.

Kreimer: Ganz klar. Der Einzelhandel leidet und auch die Gastronomie. Hier gehen wir davon aus, dass es den einen oder anderen gibt, der es nicht durch die Krise schafft. Wir helfen, so gut es geht. Dafür fühlen wir uns der Region verpflichtet.

Gab es coronabedingte Kreditausfälle?

Kreimer: Nein, bisher nicht.

Apropos Kredite: Die Zinsen sind seit Jahren im Sinkflug. Statt von Niedrig- sprechen schon viele von Nullzinsen. Wie sehr belastet das Ihr Geschäft?

Kreimer: Natürlich belastet auch uns der anhaltende Niedrigzins, denn er ist zu einer festen Größe geworden und wirkt sich nachhaltig auf unseren Zinsüberschuss aus. Dies zu kompensieren, ist sicher nicht einfach. Wir müssen aber damit umgehen und das gelingt uns auch ganz gut, zum Beispiel über ein gutes Wachstum im Kreditgeschäft. Die Expertenprognosen sowie die aktuellen Verlautbarungen der Europäischen Zentralbank lassen befürchten, dass sich das Zinsumfeld in den nächsten fünf Jahren nicht wesentlich verändern wird. Das heißt, sowohl wir als Bank als auch unsere Kunden müssen langfristig umdenken. So ist es zum Beispiel auch unser Ziel, unsere Kunden aktiv zu alternativen Lösungen für die Geld- und Vermögensanlage zu beraten und unser Profil als Wertpapierbank auszubauen.

Was bedeutet das für die Kunden?

Kreimer: Dass es nicht mehr sinnvoll ist, für ein Neugeborenes ein Sparbuch anzulegen. Auch Privatkunden müssen heute den Blick in Richtung Aktien wenden. Da sind langfristig noch gute Erträge zu erwarten. Wir als Bank sollten da Netzwerkpartner sein und gute Lösungen anbieten.

Und welche Lösungen erarbeiten Sie für Ihr eigenes Geschäft?

Kreimer: Da haben die Kollegen, die vor mir hier am Werk waren, einen Weg eingeschlagen, der ziemlich clever war. Wir haben mittlerweile viele Töchter, die sich um unterschiedliche Kundenanliegen kümmern, beispielsweise Versicherungen, die Verwaltung von großen Vermögen oder Immobilienvermittlung und Immobilienverwaltung. Darüber hinaus haben wir verschiedene Kompetenzfelder geschaffen, deren Teams sich um Spezialthemen kümmern. Ein Beispiel ist unser Kompetenzfeld „Digitale Wirtschaft und Start-ups“, das sowohl den etablierten Mittelstand als auch Start-ups aus der Region berät. Wichtig ist mir übrigens auch, dass wir unser Geschäftsmodell so aufstellen, dass wir in der Region auch für zukünftige Generationen als spannender Arbeitgeber wahrgenommen werden.

Die Verbund-Volksbank ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Gibt es weitere Fusionspläne?

Kreimer: Das ist bei uns gerade kein Thema, in der Branche aber schon. Von den rund 800 Volksbanken in Deutschland melden etwa 70 jährlich einen beabsichtigen Zusammenschluss an.

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