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Pastoralverbundsleiter bleibt beurlaubt – Priesterstelle wird neu ausgeschrieben

„Ein bedrückendes Schweigen“

Willebadessen (WB). Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen gegen den Leiter des Pastoralverbundes Willebadessen-Peckelsheim wegen sexuellen Missbrauchs eingestellt. Wie bereits am Dienstag berichtet, sind die Vorwürfe verjährt. Das kirchenrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Priester geht aber weiter. Er bleibt weiterhin beurlaubt.

Roman Winkelhahn

Die Abordnung des Erzbistums hat sich (von links) den Fragen gestellt: Moderatorin Jutta Tacke, Monsignore Andreas Kurte (Personaldezernent), Thomas Wendland (Konfliktmanagement) und Dr. Petra Lillmeier (Interventionsbeauftragte). Foto: Roman Winkelhahn

140 Gläubige sind gekommen

Das hat der Personalchef der Erzbistums, Monsignore Andreas Kurte, am Montagabend bei einer Gemeindeversammlung in Willebadessen-Fölsen deutlich gemacht. Letztlich entscheide die Glaubenskongregation in Rom, wie mit dem beurlaubten Geistlichen weiter verfahren werde. Das könne mehrere Monate dauern, sogar bis zu einem Jahr.

140 Gläubige aus den Gemeinden des Pastoralverbundes waren in die Fölsener Berghalle gekommen. Als der silberne Bulli mit einer Abordnung von Amtsträgern aus Paderborn vorfährt, ist die Halle schon gut gefüllt. „Ich weiß nichts“, sagt ein Mann aus Peckelsheim. „Viele sind wahrscheinlich einfach aus Neugierde da. Geht eben um den Pfarrer.“

Was ist wirklich passiert?

Diesem Pfarrer, der den Pastoralverbund seit 2014 leitete, wird sexueller Missbrauch vorgeworfen, so dass sich das Erzbistum veranlasst sah, Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft zu stellen. Der Geistliche wurde aus „verhaltensbezogenen Gründen“ beurlaubt – und der Pastoralverbund mit seinen mehr als 5000 Mitgliedern steht vor zwei Fragen: Was ist wirklich passiert? Wer macht jetzt den Gottesdienst?

Während sich die einen mehr Sorgen um Personalien machen, drohen andere mit dem Rückzug aus dem lokalen Kirchenleben, sollte der Fall nicht aufgeklärt werden. „Es herrscht bedrückendes Schweigen“, erklärt eine Frau aus der Gemeinde. „Wir sind geschockt”, sagt ihre Sitznachbarin. Beide erhoffen sich Antworten. Doch die sind in einem laufenden Verfahren schwer zu bekommen. Es ist vom „Beschuldigten“ die Rede, von „ihm“ und „dem“, dabei kennen alle seinen Namen.

Pfarrer wurde angehört

Immer wieder wird betont, dass das Strafrecht die Unschuldsvermutung vorsieht, und dass man auch mit Beschuldigten Mitgefühl haben solle. „Alle Seiten erfahren Hilfe und Unterstützung“, erklärt Benjamin Krysmann, Pressesprecher des Erzbistums.

Der Pfarrer sei am Donnerstag, 16. Januar 2020, angehört worden, nachdem nur wenige Tage vorher Vorwürfe an die Interventionsbeauftragte des Erzbistums, Dr. Petra Lillmeier, herangetragen wurden. Dann sei es auch wichtig, dass der Beschuldigte „nicht alleine kommt, geht oder fährt“, so Krysmann.

Kirchenrechtliches Verfahren läuft

Man achte darauf, „dass jemand bei ihm ist“. Die Zahl der Taten, die dem Pfarrer vorgeworfen werden, sei laut Krysmann „überschaubar“. Kurte wird auf Nachfrage in der Versammlung konkreter. Offenbar handelt es sich um einen Einzelfall. Parallel zu den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sei ein kirchenrechtliches Vorermittlungsverfahren eingeleitet worden.

Bis es soweit kommt, müssen die Vorwürfe laut Bistum erst einmal „auf ihre Plausibilität hin überprüft“ werden. „Entweder es passt oder es passt nicht“, erklärt Krysmann. Im Falle des Willebadessener Pfarrers habe das „Memory“ keine Unstimmigkeiten aufgewiesen. Zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Tat sowie zu Betroffenen und den konkreten Umständen äußert sich das Erzbistum nicht. Auch zum Aufenthaltsort des beschuldigten Pfarrers gab es aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes am Montagabend in Fölsen keine Auskunft.

Stelle eines Pastors wird ausgeschrieben

In den Pastoralverbund Willebadessen soll möglichst schnell ein weiterer Priester berufen werden. Die Stelle eines Pastors im Pastoralverbund werde Ende Februar ausgeschrieben. Kurte sprach bei der Veranstaltung von einem „dringlichen Fall“. Derzeit wird der Verbund von Pater Josef Klingele (69, Missionare vom Kostbaren Blut in Neuenheerse) mit halber Stelle kommissarisch geleitet.

Gemeindereferentin Friederike Plümpe (60) übernimmt zusätzliche seelsorgliche und Verwaltungsaufgaben. Weitere Unterstützung leisten die Diakone. Hilfe kommt in dieser schwierigen Lage auch aus dem Nachbarverbund in Bad Driburg. Bis Anfang März gibt es ein Konzept, mit dem die Sonntagsgottesdienste stattfinden können. Die Werktagsmessen entfallen, damit das Pastoralteam Raum für Unvorhergesehenes wie Beerdigungen hat.

Ein Kommentar von Jürgen Vahle

In dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten. Das ist ein Grundsatz der Rechtssprechung. Und der gilt natürlich auch für einen Geistlichen. Dem Leiter des Pastoralverbundes Willebadessen wird es allerdings jetzt sehr schwer fallen, seine Unschuld zu beweisen – so er denn überhaupt unschuldig ist.

Die Staatsanwaltschaft verfolgt den Vorgang nicht mehr weiter, weil er verjährt ist. Eine mögliche Rehabilitation von Staatswegen bleibt daher aus. Lediglich das kirchliche Verfahren wird weitergeführt und in einigen Monaten sicher auch zu einem Ergebnis führen. Aber bei allem Respekt für diesen Prozess: Für viele auch gläubige Menschen hat ein Urteil, das die Kirche über einen ihrer Mitarbeiter fällt, eben ein anderes Gewicht als das Urteil einer staatlichen Instanz. Einen Freispruch erster Klasse kann es für den 57-Jährigen also nicht mehr geben. Und damit wohl auch keine Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte.

Der einzige, der Aufklärung leisten kann, ist der Beschuldigte selbst. Es wäre hochanständig, wenn er seiner Gemeinde ehrlich sagen würde und dürfte, ob an den Vorwürfen etwas dran ist. Und das unabhängig davon, wann welches Verfahren abgeschlossen wird.

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