1. www.westfalen-blatt.de
  2. >
  3. OWL
  4. >
  5. Willebadessen
  6. >
  7. „Wir sind verschont geblieben von dem, was die BeSte belastet“

  8. >

16 Jahre Bürgermeister von Willebadessen: Hans Hermann Bluhm zieht Bilanz

„Wir sind verschont geblieben von dem, was die BeSte belastet“

Willebadessen (WB). Seit stolzen 16 Jahren ist Hans Hermann Bluhm der Bürgermeister der Stadt Willebadessen. Seine Amtszeit endet offiziell am 31. Oktober. Mit WB-Redakteur Daniel Lüns sprach der Peckelsheimer über das Amt, wichtige Ereignisse und nie getroffene Entscheidungen.

Bis zum Ende des Monats ist Hans Hermann Bluhm noch im Dienst, danach ist seine Zeit als Bürgermeister der Stadt Willebadessen vorbei. Dann wird er auch seinen Schreibtisch im Rathaus räumen. Im Gespräch hat er nun eine Bilanz seiner 16 Jahre als Stadtoberhaupt gezogen. Foto: Daniel Lüns

Herr Bluhm, was machen Sie künftig eigentlich abends oder am Wochenende, wenn eigentlich eine Ratssitzung oder ein Schützenfestumzug ansteht?

Hans Hermann Bluhm: Meine Frau ist berufstätig. Ich werde sie unterstützen. Für alles, was sie in den vergangenen Jahren für mich getan hat, versuche ich nun etwas wieder gut zu machen.

Aus dem Bürgermeisteralltag wird Ihnen sicher etwas fehlen. Was wird das sein?

Bluhm: Das ist der häufige Kontakt zu den Bürgern. Wobei ich nicht genau weiß, ob mir der wirklich fehlen wird: Ich bin ja weiterhin in der Stadt unterwegs. Man kolportiert zwar, dass ich wegziehen werde. Aber das ist nur ein Gerücht. Ich werde in dieser Gegend wohnen bleiben.

Mit dem 1. November sind sie auch politisch gesehen im Ruhestand, richtig?

Bluhm: Genau. Das Bürgermeisteramt ist ein Amt auf Zeit. Mit dem Ausscheiden aus dem Amt ist auch diese Aufgabe beendet.

Warum wollten Sie damals Bürgermeister werden?

Bluhm: Ich fühlte mich, im Vergleich zu den bereits bekannten Kandidaten, mindestens ebenso geeignet. Dann habe ich mit meiner Frau darüber gesprochen. Die sagte: Dann mach’ es doch.

Sie traten als unabhängiger Kandidat auch gegen einen Kandidaten der CDU an. Nachträglich wurden Sie Mitglied der CDU. Wie kam es dazu?

Bluhm: Der Kandidat der CDU hatte die Wahl nicht gewonnen. Als unabhängiger Kandidat war ich während des Wahlkampfes also ein Gegner. Daraus ergab sich eine verständliche Spannung untereinander. Wir haben aber schnell gemerkt, dass wir grundsätzlich auf einer Wellenlänge sind. Daraus ergab sich dann für mich die logische Konsequenz, beizutreten. Es gibt unabhängige Bürgermeister, die das anders machen und unabhängig bleiben. Die Frage stellte sich mir aber nicht.

Was war damals das erste Projekt, dass Sie als Bürgermeister angepackt haben?

Bluhm: Das war die Einführung des Neuen kommunalen Finanzmanagements (NKF). Das bedeutet die Umstellung der kameralistischen Buchführung von der Einnahmen- und Ausgabenrechnung auf die Ressourcen-Verbrauchs-Rechnung. Mit kleinen Änderungen ist es das System, das auch die freie Wirtschaft verwendet.

Gibt es Projekte, bei denen Sie froh sind, dass die SPD sie mitgetragen hat?

Bluhm: Die Beschlüsse, die der Rat in den vergangenen Jahren getroffen hat, sind in den allermeistern Fällen einstimmig gefasst worden. Es ist also gelungen, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Es gibt immer Diskussions- und Streitpunkte. Aber ich denke immer auch an die zweitstärkste Fraktion im Rat, die SPD. Anfangs hatten wir ja, insbesondere mit der Familie Heine und Herrn Knuth, noch eine kleine FDP-Fraktion. Mit ihr bin ich auch gut ausgekommen. Als Geschäftsleute haben die Heines oft pragmatisch gedacht und weniger politisch.

Gibt es einen Moment, an den Sie sich sofort erinnern?

Bluhm: Was mir sofort einfällt, ist meine Vereidigung. Die hatte der Ratsälteste Fritz Nutt übernommen. Bei der Vereidigung gibt es am Ende den Zusatz „So wahr mir Gott helfe“. Fritz Nutt als sehr heimatbezogener, gläubiger Mensch hatte wohl aus Wahlkampfgesprächen erfahren, dass ich nicht so häufig in die Kirche gehe. Er hat mich dann ganz erwartungsvoll angeschaut, ob ich den Zusatz wiederhole. Das habe ich getan. Da sah man in seinem Gesicht eine totale Entspannung – und er war zufrieden. An diesen kleinen Moment am Anfang kann ich mich gut erinnern.

Gab es in Ihrer Amtszeit einen besonderen Moment?

Bluhm: Ja. Das war im Jahr 2009 der Beschluss des Rates, künftig das Thema Kinder, Bildung und Schule immer mit erster Priorität zu behandeln. Alles andere steht dahinter – bis heute. Daher sind unsere Kindergärten und Schulen meiner Meinung nach äußerst gut aufgestellt und auch in ihrer Substanz in einem vergleichsweise hervorragenden Zustand. Kinder- und Jugendbildung zu fördern, ist nach wie vor unsere wichtigste gesellschaftliche Aufgabe. Ich wünsche mir, dass dies gesamtstaatlich bald auch so gesehen wird. Nur so können wir wirklich die Zukunft gestalten.

Die Schullandschaft hat sich in den vergangenen 16 Jahren verändert. Wie bewerten Sie das Ende von Hüssenbergschule, Hauptschule und Realschule?

Bluhm: Das Ende der Hüssenbergschule hat mir schon sehr früh im Magen gelegen. Man sieht heute, dass die Förderschulen einen sehr wichtigen Zweck erfüllt haben und es auch noch tun, auch wenn es nur noch wenige Förderschulen gibt. Es gibt Kinder und Jugendliche, die einen besonderen Förderbedarf haben und in anderen Schulen nicht mitkämen. Ich kenne einen Fall, bei dem eine Schülerin von der Hauptschule zur Förderschule wechselte. Dort blühte sie dann richtig auf. Als die Schließung der Hüssenbergschule anstand, brach sie in Tränen aus. Solche Situationen hat es gegeben. Ich trauere der Hüssenbergschule noch heute nach. Dort hat man sich individuell um die Kinder gekümmert und sehr gute Ergebnisse erzielt.

Und wie sieht es mit Haupt- und Realschule aus?

Bluhm: Das Ende der Schulen war der politischen Situation geschuldet: Wir hatten einfach nicht genug Schüler, um beide Schulen aufrecht erhalten zu können. Nur durch die Umstellung auf das Sekundarsystem konnten wir den Schulstandort sichern. Das ist uns gelungen. Ich trauere weder Haupt- noch Realschule hinterher, weil unsere Sekundarschule sehr gut funktioniert und als solche auch bekannt ist. Dort werden die Schüler genauso gut ausgebildet, wie auf einer Realschule. Das wissen mittlerweile auch die Eltern.

Zum Thema Bauplätze und Gewerbegebiete: Willebadessen würde dafür mehr Flächen zur Verfügung stellen, darf das aber nicht. Was sagen Sie dazu?

Bluhm: Das ist nicht zuletzt dem Landesentwicklungsplan geschuldet. Demnach soll möglichst wenig Fläche versiegelt werden. In unserer Gegend zum Beispiel, die ja einen guten Ackerboden hat, muss man schon genau darauf achten, wo man baut. Diese Flächen sind auch zum Anbau von Lebensmitteln oder zum Gewinnen von Energie wichtig. Insofern habe ich Verständnis für diese Richtlinien. Wir haben es dennoch immer geschafft, in einem gewissen Maße Flächen auszuweisen.

Was die Stadt in den vergangenen Jahren nicht geschafft hat ist, in die schwarzen Zahlen zu kommen. Ärgert Sie das?

Bluhm: In erster Linie ist das der Situation geschuldet. Bei der NKF-Buchführung wird ja alles dargestellt, was man verbraucht. Und da sind es insbesondere die Abschreibungen, die zu Buche schlagen. Ohne die hätten wir in den meisten Jahren kein oder zumindest ein geringeres Defizit ausweisen können. Nichtsdestotrotz ist die NKF-Sichtweise die richtige. Man muss die Probleme der Kommunen stärker berücksichtigen, damit am Ende nicht ihr Eigenkapital komplett verzehrt ist und man nichts mehr machen kann. Das wäre fatal. Denn Städte und Kommunen sind die Basis des Staates. Da fängt Staat an zu funktionieren. Darüber müssen sich hochdotierte Politiker vermehrt Gedanken machen. Das tun sie zwar schon. Aber es muss auch tatsächlich umgesetzt werden.

Willebadessen hat viel zu bieten: Etwa einen Vulkan, Schlösser, beeindruckende Kirchen und Naturdenkmäler. Dennoch hat es in der Vergangenheit kein Tourismuskonzept gegeben. Wie kam es dazu?

Bluhm: Tourismus fand schon weit vor meiner Zeit vor allem im Stadtteil Willebadessen statt. Die Willebadessener haben das Thema selbst gemanagt. Es wurde ein Verkehrsverein gegründet, der sich um Fremdenverkehr – so hieß Tourismus damals noch – und Gewerbetreibende gekümmert. Das lief sehr erfolgreich. ­In den vergangenen Jahren hat der Verein leider an Bedeutung verloren. Ich habe immer darauf bestanden, dass das Thema in Willebadessen bespielt werden sollte. Die Erfahrung zeigte, dass das gut so war. Wir hatten im Haus auch eigentlich kein Personal für Tourismus vorgehalten. Nun ist das Thema wieder als besonders wichtig aufgeploppt. Es wird eine Aufgabe sein, das, was die Gesellschaft für Wirtschaftsförderung des Kreises Höxter hier nicht leisten kann, selber wieder anzupacken. Wie wir das machen könnten, dazu gibt es hausintern seit zwölf Monaten die ersten Pläne.

Wie wichtig ist in diesem Kontext die Rettung des Wildgeheges und die Erfahrbarmachung der Alten Eisenbahn – beides auch Willebadessener Sehenswürdigkeiten?

Bluhm: Die Behandlung des Tourismus in unserer Stadt ist ein bisschen ambivalent. Dazu gibt es zwei Auffassungen. Eine besagt, dass ein allumfassendes Tourismus-Konzept aufgestellt werden muss – und erst dann geht es los. Die andere Auffassung besagt, dass wir das, was wir hier vorfinden, anpacken und ausbauen sollten – um es vielleicht später zu einem Gesamtkonzept zusammenzufügen. Das Wildgehege, die Alte Eisenbahn, Wanderwege, Schutzhütten, das Schloss usw. sind Module, die man zu einem Gesamtkonzept vernetzen könnte.

Sie selbst sind passionierter Fahrradfahrer und auch Pate der Börderoute, die an der Zehntscheune beginnt. Wie viele solcher Ämter haben Sie in 16 Jahren eigentlich angesammelt?

Bluhm: Ich muss zugeben, dass ich beim Sammeln von Ämtern zurückhaltend gewesen bin, weil ich im Haus immer gut beschäftigt war und mir genau überlegt habe, was ich da noch dazunehme. Die Börderoute als Pate habe ich gerne übernommen, da ich ohnehin häufig mit dem Fahrrad fahre. Das hat übrigens zur Folge, dass unsere Radwege relativ gut ausgeschildert sind. Da bin ich stolz drauf. Ansonsten gibt es verschiedene Gremien, in denen der Bürgermeister immer ein Mitglied ist. Dazu zählt etwa der Aufsichtsrat der Bürgerenergie Warburg, die kommunale Dächer mit PV-Anlagen bedeckt hat. Auch bei der EAM, dem kommunalen Energieversorger, bin ich engagiert. Zudem sitze ich im GfW-Aufsichtsrat. Geld gibt es dafür aber nicht.

Welche der Posten werden Sie künftig noch ausüben?

Bluhm: Die Patenschaft über die Börderoute könnte ich mir vorstellen. Darüber haben wir aber noch nicht gesprochen.

Zum Ende Ihrer Amtszeit haben Verwaltung und Rat Programme aufgelegt, um die Innenstädte von Willebadessen und Peckelsheim zu verschönern. Ein Abschiedsgeschenk?

Bluhm: Nein, das war ganz normale Arbeit. Aber ich bin froh, dass ich das in meiner Amtszeit noch auf den Weg bringen konnte. Die Förderkulisse hat sich in den vergangenen Jahren ganz entscheidend verändert. In sofern bot sich nun die Möglichkeit. Und unsere Orte profitieren davon.

Was war ein besonderer Erfolg in Ihrer Amtszeit?

Bluhm: Es gibt eine Entscheidung, die wir Gott sei Dank nicht getroffen haben – das war der Beitritt zu den BeSte-Stadtwerken. Willebadessen war seit jeher mit der EAM, zwischenzeitlich Eon, verbunden. Wir sind verschont geblieben von dem, was die BeSte belastet. Darüber bin ich froh. Worüber ich auch sehr glücklich bin, ist, dass das Hallenbad in Betrieb gehalten werden konnte. Aus finanziellen Gründen stand es 2004 bis 2006 vor der Schließung.

Was hätten Sie rückblickend gerne anders gemacht?

Bluhm: Nichts. Man hätte manches vielleicht besser machen können. Andere hätten es anders gemacht. Aber mit dem, was unterm Strich als Ergebnis steht, bin ich zufrieden. Als Bürgermeister kann man aber nur etwas bewegen, wenn die Mitarbeiter, wie bei uns, über Jahre gut arbeiten und wenn das Verhältnis zum Rat gut ist. Alleine schafft man nichts.

Werden Sie Ihren Nachfolger Norbert Hofnagel noch einarbeiten?

Bluhm: Wir sind schon dabei. Wenn er Zeit hat oder wenn etwas Wichtiges ansteht, kommt er vorbei. Ich habe auch Zugriff auf seinen Kalender und stelle ihm schon Termine ein. Dazu schreibe ich Hinweise, was bei den Terminen passiert, buche ihm schonmal den Dienstwagen, und so weiter. Gemeinsam bereiten wir die Übergabe vor. Sie wird dann ohne großen Bruch stattfinden.

Wann ist Ihr letzter Arbeitstag?

Bluhm: Das ist der 30. Oktober. Ich habe zwar noch Resturlaub. Aber vielleicht muss ich den verschenken. Es ist doch noch Einiges zu machen. Ich gehe davon aus, dass ich am 30. Oktober zwischen 12 und 15 Uhr das Gebäude verlassen werde.

Was wird Ihre letzte Amtshandlung sein?

Bluhm: Das wird der Abschied von meiner Belegschaft sein, der leider coronabedingt nicht so werden kann, wie ich mir das mal gewünscht habe. Es wird eine kleine Abschiedsstunde geben. Dann gebe ich meine Schlüssel ab und dann wird es das gewesen sein.

Ab dann sind Sie reiner Privatmann?

Bluhm: Es kann sein, dass ich im November wegen der Gemeinwohlbilanz noch einmal unterwegs bin. Dazu wird es noch einen Workshop geben. Möglicherweise nehme ich auch daran noch teil – dann aber ehrenamtlich.

Möchten Sie zum Schluss noch etwas loswerden?

Bluhm: Ich möchte nochmal sagen, dass ich sehr dankbar für die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat bin. Sie war konstruktiv, alles hat gut geklappt und wir sind fair miteinander umgegangen. Ohne den Rat hätte noch etwas nicht geklappt: Das Streben nach alternativer Energieversorgung. So konnten wir auch, wie schon gesagt, das Schwimmbad erhalten. Als ich Bürgermeister wurde, stand es vor allem wegen der Energiekosten nicht gut da. Dann ergab sich die Chance des Anschlusses an Bio-Wärme. Leider fällt nun coronabedingt ein Jahrgang von Kindern aus, die das Schwimmen lernen sollten. Das ist eine Gefahr.

Startseite
ANZEIGE