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Prozess vor Detmolder Jugendschöffengericht: Bad Meinberger verabreichte Freunden zudem Psychopharmaka

Steinwürfe auf B 1: Mann (20) in Psychiatrie eingewiesen

Horn-Bad Meinberg/Detmold (WB). Er soll Steine auf die Bundesstraße 1 geworfen und seinen Freunden Psychopharmaka verabreicht haben. Beides ziemlich gefährliche Aktionen, fand das Detmolder Jugendschöffengericht und sprach einen 20-Jährigen aus Bad Meinberg schuldig. Aber statt einer Strafe gab es die Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus.

Ulrich Pfaff

Symbolbild. Foto: dpa

Der 20-Jährige stand erneut wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr vor Gericht. Bereits im Juli wurde gegen ihn verhandelt, aber wegen seines geistigen Zustandes und der Frage, ob er nicht besser psychiatrisch behandelt werden müsste, hatte das Gericht das Verfahren noch einmal neu aufgerollt. Der junge Mann soll zusammen mit einem 15 Jahre alten Freund im vergangenen Dezember von einer Brücke über der B1 bei Bad Meinberg Autos mit einer starken Taschenlampe angestrahlt und Steine auf die Fahrbahn geworfen haben. Dabei wurden zwei Pkw und ein Lkw getroffen – die Autofahrer wurden nicht verletzt, der Trucker fand aber eine Macke in seiner Windschutzscheibe. Der 15-jährige Mittäter bekam 80 Arbeitsstunden aufgebrummt, für den 20-Jährigen hat die Sache ein wesentlich massiveres Nachspiel. Steinwürfe auf Fahrzeuge sind keine Bagatelldelikte und können schwerwiegende Anklagen nach sich ziehen.

Richter Christian von Borries gab sich in der Verhandlung alle Mühe, die persönliche Situation des intelligenzgeminderten Heranwachsenden, der bereits wegen Brandstiftungen und Körperverletzung vor Gericht stand, aufzuklären. Denn es lag noch eine weitere Anklage vor: Er soll drei minderjährige Freunde dazu veranlasst haben, Psychopharmaka einzunehmen – was allen dreien schlecht bekam.

Nach Überdosis: Halluzinationen und Zusammenbruch

Insbesondere das Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen half dem Gericht schließlich, die schwierige Entscheidung zu treffen. Demnach habe der 20-Jährige Medikamente, die eigentlich sein Vater einnehmen sollte, seinen Freunden verabreicht – in dem Glauben, sie würden dann glücklicher werden.

Einer der Jungen habe jedoch eine Dosis von etwa 1000 Milligramm des Medikaments genommen, während eine Tagesdosis wohl eher bei 50 Milligramm liege. Er soll Halluzinationen bekommen, Dieter Bohlen auf dem Fußboden gesehen haben und zusammengengebrochen sein. Der Gutachter stellte fest, dass der 20-Jährige dies ohne böse Absicht getan habe – allerdings aufgrund seiner Intelligenzminderung die Folgen auch nicht hatte abschätzen können.

Die Gefährlichkeit seiner Steine­werferei hingegen habe er trotz seines Intelligenzquotienten von 60 erkennen müssen. „Ich habe Sorge, dass sich so etwas wiederholt”, sagte der Psychiater, der in der Tat ein Ventil für seelische Anspannung sah.

„Die Gefahrenprognose lässt ihn unberechenbar erscheinen”

Als problematisch stufte die gesetzliche Betreuerin die Haltung der Familie ein: Die stehe voll hinter dem 20-Jährigen und sei eher ein Hemmnis, wenn es darum gehe, dem Heranwachsenden angemessene Hilfe zukommen zu lassen. Der Vater habe seinen behinderten Sohn sogar dazu veranlasst, sich bei der Kommunalwahl als Kandidat aufstellen zu lassen. Letzten Endes kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der 20-Jährige zwar des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und der gefährlichen Körperverletzung schuldig sei, verhängte jedoch dafür keine Strafe. Allerdings soll der junge Mann in die Psychiatrie eingewiesen werden: „Die Gefahrenprognose lässt ihn unberechenbar erscheinen und die Familie sieht nicht ein, wie problematisch sein Verhalten für Dritte sein kann.“

Der 20-Jährige selbst durfte an dem zweiten Verhandlungstag nicht teilnehmen. Er erschien zwar im Gerichtssaal, gab aber an, er sei wegen Corona-Verdachts getestet worden, aber das Ergebnis liege noch nicht vor. Der Richter schickte ihn nach Hause, ließ den Saal ausgiebig lüften und verhandelte die Sache zu Ende.

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