Corona-Protestierer ziehen am Montagabend durch Minden – Staatsschutz nimmt Ermittlungen auf
Aufmarsch vor Privathaus der Landrätin
Minden
Vor dem Privathaus von Landrätin Anna Katharina Bölling (CDU) in Minden hat es am Montagabend einen Aufmarsch von Gegnern der Corona-Maßnahmen gegeben. Die Polizei war mit einem größeren Aufgebot vor Ort und riegelte die Straße ab. Nach etwa einer halben Stunde war die Aktion ohne weitere Vorkommnisse vorbei. Die Ansammlung löste sich auf.
Begonnen hatte der Marsch vor das Haus der Landrätin gegen 18 Uhr als ruhiger „Spaziergang“ durch die Stadt, wie er bereits seit einigen Wochen in Minden und anderen Minden-Lübbecker Kommunen üblich geworden ist. Wie die Polizei Minden-Lübbecke angibt, waren 150 bis 180 Teilnehmer dabei. Vom Simeonsplatz aus ging es Richtung „Birne“, dem Bundesstraßen-Oval in Minden.
Dann ergriff ein polizeibekannter Querdenker die Initiative und dirigierte den Zug in Richtung Privathaus der Landrätin. Rund 70 Menschen folgten, wurden von der Polizei dann unmittelbar vor dem Wohnhaus abgefangen.
Polizeisprecher Ralf Steinmeyer kündigte an, ein Ermittlungsverfahren gegen den mutmaßlichen Leiter der nicht angemeldeten Versammlung einzuleiten. „Hier ist eine rote Linie überschritten worden“, sagte Steinmeyer.
Zudem hat der Staatsschutz der Polizei Bielefeld die Bearbeitung des Vorfalls übernommen. „Zu diesem frühen Zeitpunkt der Ermittlungen können aber noch keine Angaben zu möglichen Ermittlungsansätzen gemacht werden“, erklärte Polizeisprecherin Hella Christoph am Dienstag.
Die Landrätin ist derzeit im Urlaub. Ihr allgemeiner Vertreter im Kreishaus, Sozialdezernent Hans-Joerg Deichholz sagte am Dienstag: „Wenn politischer Protest in den privaten Bereich getragen wird, ist eine Grenze überschritten worden.“ Der Protest habe der Funktion, dem Amt gegolten. “Die Landräte wie auch die Bürgermeister sind diejenigen, die die Maßnahmen von Bund und Land umsetzen. Das ist nicht immer angenehm und Protest gehört dazu.“ In diesem Fall sei nun die Polizei zuständig. „Wir lassen das Kreishaus geöffnet und sind für die Bürger da“, so Deichholz weiter.
Sozialdezernent Hans-Joerg Deichholz
FDP-Bundestagsabgeordneter Frank Schäffler drückte via „Twitter“ seine Solidarität mit der Landrätin aus: „Das halte ich für völlig unakzeptabel“, sagte er zu dem Vorfall. Der heimische SPD-Bundestagsabgeordnete Achim Post sprach von einer „unentschuldbaren Grenzüberschreitung“. Post dankte der Polizei, „die umsichtig die rechte unserer Landrätin Anna Bölling geschützt hat – gegen selbst ernannte Querdenker, gegen eine kleine radikale Minderheit“. Er sei sich sicher, dass im Mühlenkreis und in ganz Deutschland die übergroße Mehrheit „für unsere Demokratie einsteht“ und mit Leuten nichts zu tun haben wolle, „denen offensichtlich jeglicher persönlicher Anstand und jeglicher demokratischer Mindeststandard abhandengekommen ist“.
In einschlägigen Telegram-Gruppen der Querdenker und Corona-Skeptiker/Leugner gab es viel Lob für den „Spaziergang“ in Minden und die große Teilnehmerzahl („Läuft“), aber auch Kritik an dem Aufmarsch vor dem Haus der Landrätin. So schreibt ein Gruppenmitglied: „Leider war die Routenführung am Schluss etwas zu provokativ. Das war nicht nötig und hat dem ganzen Anliegen eher geschadet.“ Unter dem Motto „Am/Ab 3. geht die Lutzi ab im Mühlenkreis“ werden auf diversen Seiten für diese Woche weitere Termine in verschiedenen Kommunen angekündigt.
"Spaziergänge" auch in Lübbecke und Espelkamp
Nahezu zeitgleich bewegte sich in Lübbecke ein stiller Menschenzug am Montagabend durch die Innenstadt. In sozialen Medien war zu einem „Spaziergang“ aufgerufen worden. Schon an den beiden vorangegangenen Montagen, 20. und 27. Dezember, hatte es Aktionen unter der Überschrift „Lübbecke geht spazieren“ gegeben. Zunächst waren es nach Polizeiangaben etwa 50, dann 65 Teilnehmer, darunter auch Kinder.
Ein weiterer „stiller Protest“ gegen die Corona-Politik fand am Montagabend vor dem Rathaus in Espelkamp statt. Dort versammelten sich rund 40 Teilnehmer. Polizei-Pressesprecher Ralf Steinmeyer bestätigte, dass diese Versammlung der erste angemeldete Spaziergang im Altkreis überhaupt gewesen sei. Der 63-jährige Dietrich Janzen habe diesen kurzfristig am Montagnachmittag angemeldet.
Mit Lichtern und ohne Redebeiträge machten die Demonstranten auf ihr Anliegen aufmerksam. Der Abend verlief friedlich. Initiator Dietrich Janzen ist Mitglied im Espelkamper Rat für die Partei Bündnis C und hat in der jüngeren Vergangenheit bereits mehrfach mit seiner kritischen Haltung zu den Corona-Auflagen auf sich aufmerksam gemacht.
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