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TV-Korrespondent Udo Lielischkies spricht in Bad Oeynhausen über seine Zeit in Russland

Blick hinter die Kreml-Fassaden

Bad Oeynhausen  (WB). Udo Lielischkies kennt Russland wie nur wenige. Das war aber nicht immer so. Als der Fernsehkorrespondent im Jahr 1999 vom ARD-Studio Brüssel ins ARD-Studio Moskau wechselte, hatte er zur Vorbereitung gerade einmal einen vierwöchigen Sprachkurs absolviert. „Ich war trotzdem ganz entspannt und unaufgeregt. Ich hatte mir fest vorgenommen, Russland zu verstehen und dort spannende Filme zu drehen“, sagte der 66-Jährige am Donnerstagabend bei einer Lesung in der Druckerei.

Malte Samtenschnieder

Mehr als zwei Stunden hat Fernsehkorrespondent Udo Lielischkies bei einer Lesung im Begegnungszentrum Druckerei über seine Erlebnisse in Russland gesprochen. Foto: Malte Samtenschnieder

Eigentlich war die Begegnung mit Udo Lielischkies viel mehr als eine Lesung. Ausgehend von seinem Buch „Im Schatten des Kreml – unterwegs in Putins Russland“ ließ der Autor das Publikum anekdotenreich daran teilhalben, was er von 1999 bis 2006 und dann noch einmal von 2012 bis 2018 in Russland erlebte. Die Jahre von 2006 bis 2012 spielten in diesem Zusammenhang keine Rolle. In dieser Zeit war Udo Lielischkies nämlich in den USA für das ARD-Studio in Washington im Einsatz.

Obwohl der Fernsehkorrespondent während seiner Arbeit in Russland profunde Einblicke in die Politik des Kreml erlangte, blieb ihm nach eigenen Angaben ein Interview mit Wladimir Putin verwehrt. Dass er das ARD-Studio Moskau von 2014 bis 2018 sogar leitete, habe nicht als Legitimation für ein Gespräch mit dem Machthaber gereicht. „Er hat sich prinzipiell nur mit Direktoren von ausländischen Fernsehsendern unterhalten“, sagte Udo Lielischkies.

Begründet habe er das mit dem Wunsch, mit seinen Gesprächspartnern auf Augenhöhe sprechen zu können. Dahinter gesteckt habe aber etwas anderes: „Er hat darauf gebaut, dass die Senderverantwortlichen nicht so kritische Nachfragen stellen können, weil sie schlichtweg nicht über das Hintergrundwissen ihrer Reporter verfügen, die Tag für Tag – und das meist über längere Zeit – in Russland im Einsatz sind.“

Zwiegespräch mit dem Publikum

Während des mehr als zweistündigen Zwiegesprächs mit dem Publikum verband Udo Lielischkies Passagen aus seinem Buch, Anekdoten aus seinem Privatleben und Analysen der politischen Verhältnisse in Russland seit der Jahrtausendwende zu einem unterhaltsamen Mix. So erfuhren die Zuhörer etwa, dass er seine spätere Frau Katja in der Anfangsphase seines Russland-Abenteuers kennenlernte, als diese versuchte, ihm das Leben und den Alltag in Moskau näherzubringen.

Auch eine Herleitung der Machtfülle Wladimir Putins durfte natürlich nicht fehlen. Sie gliederte sich in zwei Teilbereiche. „In seinen ersten beiden Amtszeiten als russischer Präsident hat Wladimir Putin davon profitiert, dass sich der Ölpreis mehr als verfünffacht hat“, sagte Udo Lielischkies. Das habe vielen Russen Wohlstand beschert.

Von diesem Phänomen habe er in seiner dritten und vierten Amtszeit – nach einem Zwischenspiel als Ministerpräsident, das erforderlich war, um die russische Verfassung nicht durch die dritte Wahl zum Präsidenten in Folge zu brechen – allerdings nicht mehr profitieren können.

„Stattdessen versucht er nun, das russische Volk gegen vermeintliche Feinde im Westen zu einen“, erläuterte der Russlandexperte. In diesem Zusammenhang seien insbesondere der Ukraine-Konflikt und die Annexion der Krim zu sehen. Udo Lielischkies: „Laut einer Umfrage würden sich mehr als 90 Prozent der Deutschen ein besseres Verhältnis zu Russland wüschen.“

Aktueller Bezug zum Fall Nawalny

Obwohl Udo Lielischkies seit dem Wechsel in den Ruhestand 2018 in Brühl bei Köln lebt, war er auf Nachfrage auch gerne bereit, aktuelle Ereignisse etwa rund um Alexej Nawalny zu kommentieren. „Warum hat Russland den vergifteten Kreml-Kritiker ausfliegen lassen, damit er in Deutschland behandelt werden kann?“, wollten gleich mehrere Zuhörer angesichts der daraus resultierenden diplomatischen Verwicklungen wissen.

Vermutlich habe Russland nicht damit gerechnet, dass es gelingen würde, zu ermitteln, mit welcher Substanz Alexej Nawalny vergiftet wurde, meinte Udo Lielischkies. In der Vergangenheit habe es der Kreml bisweilen aber genau darauf angelegt. Udo Lielischkies: „Durch die Art des benutzten Giftes sollte unmissverständlich klar gemacht werden, wer seine Finger im Spiel hatte.“

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