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Vereinbarung ist unterschrieben: erstes schwarz-grünes Bündnis im Bad Oeynhausener Stadtrat – Zielsetzung:

Ökonomie und Ökologie im Einklang

Bad Oeynhausen

CDU und Grüne haben eine Bündnis-Vereinbarung unter­schrieben. Sie gilt für ihre Zusammenarbeit im Stadtrat in der bis 2025 laufenden Wahlperiode. Damit ist die erste schwarz-grüne Koalition im Rat besiegelt.

Claus Brand

Im Ratssaal haben die Fraktionschefs (vorne) Kurt Nagel (CDU) und Volker Brand (Grüne) die Bündnisvereinbarung unterzeichnet. Mit im Bild sind (hinten, von links): Dirk Büssing (CDU, Vize-Stadtverbandschef), Laura Ellen Smaczny (Vorsitzende Ortsverband Bündnis 90/Grüne), Andreas Edler (Grüne) und Julian Noweck (CDU). Foto: Claus Brand

Zusammen mit Bürgermeister Lars Bökenkröger und Vertretern ihrer Parteien haben die Fraktionschefs Kurt Nagel (CDU) und Volker Brand (Grüne) die Vereinbarung und ihre politischen Ansätze vorgestellt. Dies erfolgte nur kurze Zeit nach der 100-Tage-Bilanz von Bürgermeister Lars Bökenkröger (CDU).

Spätestens seit der gemeinsamen Ankündigung im Januar, den in der vorherigen Ratsperiode angestoßenen Umzug der Staatsbad GmbH in den Nordbahnhof nicht umsetzen zu wollen, liegt es auf der Hand, dass CDU und Grüne im Rat an einem Strang ziehen wollen. Die Stichworte „Nachhaltigkeit von Entscheidungen“ spielten schon beim Abschied vom Umzug der Staatsbad GmbH eine wichtige Rolle. Im Nordbahnhof wäre für die Mitarbeiter des Eigenbetriebes Staatsbad kein Platz gewesen. Dem Ansatz der Nachhaltigkeit soll auch bei der Prüfung weiterer Projekte – es wurde die Zahl um die 30 genannt – entscheidende Bedeutung zukommen. Bökenkröger ergänzte: „Es geht nicht nur darum, Projekte zurückzunehmen, sondern Fragen zu ihrer Nachhaltigkeit zu stellen: Was können wir uns erlauben? Wo können wir einen Stempel draufdrücken? Wo können wir eine andere Richtung geben als bislang gewollt?“

Nächster Schritt der politischen Arbeit beider Fraktionen sind so die Klausurtagungen zum jüngst vom Kämmerer eingebrachten Haushaltsentwurf 2021. Die Tagungen erfolgen dieses Mal noch getrennt, auch um fraktionsinterne Dinge zu regeln, um dann mit gemeinsamen Beratungen den Weg für die gemeinsame Verabschiedung des Haushaltes 2021 im Stadtrat zu ebnen.

„Mit der SPD wäre es uns nicht möglich gewesen, Dinge wieder zu drehen, wie die Entscheidung zur Touristinformation oder das Projekt Dritter Ort/Kulturzentrum noch einmal zu analysieren“, sagte Kurt Nagel.

So sei es beispielsweise auch Konsens, bei der Debatte zur möglichen Verlagerung des Busbahnhofes die in Auftrag gegebene und sich im Rathaus in der Bearbeitung befindende Machbarkeitsstudie abzuwarten, die in diesem Jahr vorliegen soll. Einfließen sollen dann Überlegungen, wie man den ÖPNV stärken kann, mit nach der Pandemie erhobenen Nutzungszahlen, unter anderem mit einer weiteren Optimierung der Taktung der Fahrpläne. Anknüpfen will man an den bestehenden Ratsbeschluss, bis 2025 den motorisierten Individualverkehr um 15 Prozent zu reduzieren. Auch der Stärkung der Elektromobilität und des Radverkehrs soll dabei eine wichtige Rolle zukommen. Brand: „Da haben wir kompetente Leute. Da sind wir dran.“ So setzen beide Fraktionen darauf, Kernkompetenzen zum Tragen zu bringen. Man wolle Ökologie und Ökonomie bei allen Projekten, gerade auch im Zusammenhang mit der Stadtentwicklung, unter dem Anspruch „der Klimaneutralität durch konsequente Vermeidung von CO2-Erzeugung“ unter einen Hut bringen.

Die Partner wollen das vom vorherigen Rat mit der Mehrheit des Vierer-Bündnisses aufgelegte Investitionsprogramm kritisch auf den Prüfstand stellen. Nagel: „Wir haben immer gesagt, 122 Millionen Euro in drei Jahren zu investieren, das kann man dem Bürger nicht verkaufen. Wir sammeln jetzt stückweise wieder ein, was in den vergangenen fünf Jahren verzapft worden ist. Bei vielen Projekten sollte es die vielen Zuschüsse geben, die dann doch nicht geflossen sind.“ Er nannte dazu die Projekte Rathaus-Anbau, Solegarten, Pflasterung vor der Wandelhalle oder Dritte Orte im Gebäudekomplex VHS/Druckerei. Brand ergänzte mit Blick auf den Haushaltsentwurf: „Und trotzdem geht es noch um über 45 Millionen Euro.“ Über allem stehe das Fragezeichen der finanziellen Folgen der Corona-Krise, die noch nicht abzusehen seien. Der Bürgermeister: „Aus den vergangenen fünf Jahren haben wir gelernt: Wir stoßen nicht alles an, sondern wir wollen auch etwas umsetzen. Das trägt auch das Bündnis.“

Als vorrangig sehen CDU und Grüne die Beschleunigung des Prozesses zum Rückbau der Mindener Straße/Kanalstraße durch eine Planungsvereinbarung, die der Stadt die tragende Rolle zuschreibt (siehe Aspekte). Investiert werden müsse weiter in die Modernisierung der Bildungseinrichtungen.

Bad Oeynhausener Aspekte

29 von 54 Sitzen im Rat, plus Bürgermeisterstimme: eine Mehrheit, auf der man sich nicht ausruhen kann und sollte, in der aber Gestaltungspotenzial für die nächsten fünf Jahre liegt.

In einer fünfseitigen Bündnisvereinbarung haben CDU und Grüne nun die Grundzüge ihrer Politik mit schwarz-grünem Anstrich formuliert. Festgehalten ist, was sie zu deren Grundlage machen, aber auch, wie sie miteinander umgehen wollen – im politischen Alltag, aber auch bei Meinungsverschiedenheiten in Sachfragen. Hier klare Spielregeln zu haben, ist für den Erfolg einer Koalition oft entscheidend, auch wenn beide Seiten diesen Begriff für ihre Zusammenarbeit nicht gewählt haben.

Vielfältige Kommunikation auf verschiedenen Ebenen soll eines der Rezepte zum Erfolg dieser politischen Ehe auf Zeit sein. Dazu gehören als Bausteine mindestens zweimonatliche Treffen der Fraktionsspitzen und je zwei weiterer Parteimitglieder und bei Bedarf kurzfristige Koalitionstreffen, abgestimmt durch die Fraktionsspitzen.

An vielen Stellen tauchen in der Bündnisvereinbarung Formulierungen auf, die dem Thema Klima beziehungsweise Klimaneutralität große Bedeutung zuschreiben. Sicher ein Stück Ausdruck grüner Politik, aber auch der Tatsache, dass die lokale CDU sich diesen Ansätzen gegenüber aufgeschlossen zeigt und an bereits bestehende Ansätze anknüpfen will. Dazu zählt, den motorisierten Individualverkehr in der Stadt bis 2025 um 15 Prozent reduzieren zu wollen. Hätte die lokale CDU den Begriff Klimaneutralität erst gestern für sich entdeckt, wäre die Zusammenarbeit mit den Grünen wohl kaum möglich gewesen. Doch beim Thema ÖPNV könnte der Teufel noch im Detail stecken.

Nicht zu kurz kommen soll auf dem politischen Tableau auch, „die Stadt durch gezielte Wirtschaftsförderung zu stärken“ – aber eben mit dem Nachsatz, „für die Angebotsverbesserung durch die Ansiedlung von innovativen und ökologisch orientierten Unternehmen“ eintreten zu wollen. Eine Vereinbarkeit mit Blick auf die ökologische Fortentwicklung der Stadt einerseits und ihre erfolgreiche ökonomische Zukunft andererseits hinzubekommen, diesen Anspruch erheben die neuen Partner. Ob das gelingt, daran werden sie sich messen lassen müssen.

Entscheidend für die Bewertung der Arbeit von Schwarz-Grün wird vor allem ein Erfolg bei der Beschleunigung des Prozesses zum Rückbau der Mindener Straße sein. Bürgermeister Lars Bökenkröger (CDU) hat sich für dieses Frühjahr eine Vereinbarung zum Ziel gesetzt, die die Planungshoheit für die ehemalige Stadtautobahn bei eben der Stadt ansiedelt, auch wenn ihr nur der Abschnitt der Mindener Straße gehört. Es ist eine wahre Herkulesaufgabe, eine solche Planung ins Ziel zu führen. Der Anspruch, zu ersten baulichen Schritten 2023 zu kommen: ambitioniert!

Und was zählt noch in einer erfolgreichen politischen Ehe? Dass die Handelnden miteinander können. CDU-Fraktionschef Kurt Nagel und sein Pendant bei den Grünen, Volker Brand, berufen sich als Spitzenvertreter ihrer Parteien dabei auf den Respekt und den Umgang miteinander auch schon zu Zeiten anderer Mehrheiten im Rat. Die Fetzen sind zwischen ihnen persönlich in politischen Debatten rückblickend zwar kaum geflogen. Die Tagespolitik wird aber die eine oder andere Bewährungsprobe bescheren, auch ihnen.

In Bad Oeynhausen ist Schwarz-Grün politisches Neuland, andernorts schon ein bekanntes Modell. Der Wähler hat jedenfalls im September 2020 dafür die Option geschaffen. Er wird es auch sein, der dieses Bündnis bewertet.

Und dann gibt es noch einen unmissverständlichen Schlusssatz der Vereinbarung: „Eine Zusammenarbeit oder bewusste Mehrheitsbeschaffung mit der AfD schließen CDU und Bündnis 90/Die Grünen – auch im Dissensfall – aus.“ Richtig so. Claus Brand

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