Mediziner (66) lässt vor Gericht Geständnis vorlesen
Reha-Arzt missbraucht Patientinnen
Bad Oeynhausen (WB)
In der Reha-Klinik „Porta Westfalica“ in Bad Oeynhausen sind offenbar über längere Zeit Patientinnen von einem Arzt sexuell missbraucht worden, zum Teil mehrfach. Vor dem Landgericht Bielefeld ließ der inzwischen entlassene Arzt (66) am Dienstag von seiner Verteidigerin Nicole Friedrich ein knappes Geständnis vorlesen.
Das Schöffengericht Herford hatte den erfahrenen Mediziner und Universitätsdozenten, der 2010 aus Rumänien gekommen war, im Juni vergangenen Jahres wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Er ging in Berufung zum Landgericht Bielefeld, das den Fall jetzt erneut verhandelt.
Verteidigerin Nicole Friedrich aus Minden hatte dem Gericht kurz zuvor einen Deal angeboten: Ein Geständnis gegen die Aussicht, nur eine Bewährungsstrafe zu bekommen. Doch darauf ließ sich der Vorsitzende Richter Dr. Thorsten Gerdes nicht ein. Da die Staatsanwaltschaft aber signalisierte, bei einem Geständnis nicht unbedingt auf einer Haftstrafe ohne Bewährung zu bestehen, trug die Verteidigerin vor: „Die Vorwürfe der Anklage stimmen. Es tut meinem Mandanten leid.“
Die Ermittler wissen von vier Fällen, in denen der Arzt Frauen missbraucht haben soll, aber vor Gericht geht es nur um zwei Fälle – zum einen, weil nicht alle Aussagen von Opfern gerichtsverwertbar erschienen, zum anderen, weil nicht alle Opfer aussagen wollen. So soll eine Muslima erklärt haben, ihr Vater und ihr Bruder würden den Arzt töten, wenn sie von seinen Übergriffen erführen.
Drei Zeuginnen hat das Gericht geladen, die erste wurde am Dienstag gehört. Die Verkäuferin aus dem Ruhrgebiet war 2017 nach ihrem dritten Bandscheibenvorfall in der Klinik. „In der zweiten Woche wurde der Stationsarzt komisch. Er sagte, bei Frauen hänge alles zusammen, und fragte mich nach meiner Periode. Ich musste mich hinlegen. Er zog mir meine Leggings herunter und war mit seinen Händen zwischen meinen Beinen. Ich war so geschockt, dass ich nichts gesagt habe.“ Sie habe dann vergeblich den Oberarzt gebeten, ihr einen anderen Arzt zuzuteilen. „Ich habe ihm aber auch nicht den wahren Grund genannt, weil ich mich geschämt habe.“
Der Stationsarzt habe sie dann aufgefordert, zu den folgenden Terminen in einem Kleid zu erscheinen, was sie auch getan habe. „Bei einer Untersuchung hat er sich hinter mich gestellt, meine Brust angefasst und das Kleid hochgehoben. Er hat sich an mich gedrückt, und ich habe seinen Penis gespürt. Es war schrecklich. Ich wollte nur noch weg.“
Die folgenden Behandlungstermine habe der Arzt auf abends gelegt, wenn keine Schwester mehr dagewesen sei. „Er wollte mich unbedingt in meinem Zimmer behandeln. Er sagte, er wolle mir zeigen, wie ein Mann einer Frau helfen könne.“ Er habe sie massiert und an den Innenseiten der Oberschenkel angefasst. Als sie ihm bei anderer Gelegenheit deutlich gemacht habe, dass sie das nicht wolle, habe er ihr gedroht: „Er sagte, wenn er in seinen Bericht schreibt, dass ich gar nicht krank bin, muss ich die Kur selbst bezahlen.“
Die Reha sei „der Horror“ gewesen. „Ich habe abends meine Tür mit Möbeln verbarrikadiert. Es ging nicht mehr um meine Gesundheit, sondern nur noch um die Frage, wie ich dem Arzt ausweichen konnte.“ Sie habe damals eine andere Patientin kennengelernt, die nach einer Woche sehr verändert gewesen sei und nichts mehr gegessen habe. „Wir haben gesprochen und herausgefunden, dass wir das selbe Problem hatten.“
Der Vorsitzende Richter wollte wissen, warum sie damals nicht zur Polizei gegangen sei. Die Zeugin: „Mir hat doch niemand geglaubt. In der Klinik hatte ich es einer leitenden Mitarbeiterin erzählt, und später zu Hause meinem Arzt. Aber der hat das runtergespielt.“
Das Gericht hörte auch den Geschäftsführer der Klinik. Er beschrieb den Arzt als „ruhig, nett, bescheiden und unauffällig“. Allerdings sei sein Hang zu Frauen bekannt gewesen. „Deshalb haben wir ihn auch von der Onkologie, wo die meisten Frauen arbeiten, in die Orthopädie versetzt.“
Zweimal sei der Arzt abgemahnt worden, weil Patientinnen sich von ihm falsch angefasst gefühlt hätten. „Und warum haben sie ihn dann nicht entlassen?“, wollte Dr. Gerdes wissen. Seine Erfahrung habe ihn gelehrt, sagte der Geschäftsführer, dass man beim Arbeitsgericht ohne handfeste Beweise unterliege. „Mir waren die Schilderungen der Frauen zu vage.“
Die Bezirksregierung in Detmold hat dem Arzt die Zulassung entzogen. Seine Klage dagegen hat das Verwaltungsgericht Minden im Oktober abgewiesen.
Der Strafprozess geht am 28. Januar weiter.
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