Stadtentwicklungsausschuss: Marketing-Experte Frank Heinze referiert über die Zukunft des Einzelhandels
„Der Umbruch ist gewaltig“
Espelkamp
Die Zukunft des Einzelhandels sieht alles andere als rosig aus. Dies hat jetzt Marketing-Experte Frank Heinze im Ausschuss für Stadtentwicklung und Klimaschutz erläutert. Er spricht von einem „gewaltigen Umbruch“.
„Der Online-Handel ist der Gewinner der Corona-Pandemie.“ Frank Heinze, Marketing-Experte vom Büro Heinze und Partner, wurde während der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Klimaschutz deutlich.
Ursprünglich sollte Heinze über die Zukunft des Einzelhandels in nicht-öffentlicher Sitzung referieren. Das vehemente Vorgehen von Paul-Gerhard Seidel, Fraktionsvorsitzender der Unabhängigen, bewirkte jedoch, dass der Vortrag Heinzes in öffentlicher Sitzung stattfand. Und dieser Vortrag hatte es durchaus in sich. Zeichnete dieser doch ein recht düsteres Bild für den Einzelhandel vor Ort. So habe der Online-Handel – im Vergleich zum Vorjahr – in der zweiten Corona-Welle mehr als 30 Prozent Zuwachs zu verzeichnen. „Die breite Bevölkerung hat gelernt, im Online-Handel einzukaufen“, sagte Heinze.
Die Zahlen
Er machte jedoch auch darauf aufmerksam, dass das „Sterben des Traditionshandels schon seit Jahren sichtbar“ geworden sei und „weiß Gott nicht neu ist“. Daher sprach er von einer erwartbaren, aber auch erschreckenden Entwicklung und untermauerte dies mit Zahlen. Demnach habe der Marktanteil des inhabergeführten Fachhandels, der nicht in Filialen organisiert ist, im Jahr 2000 noch 31 Prozent betragen, 2019 jedoch nur noch 15,5 Prozent. „Das ist der Trend. Wir stoßen an unsere Grenzen. Der Umbruch ist gewaltig.“ Heinze stellte mehrere Thesen auf. Er erwartet, dass der Online-Handel weiter gewinnen wird und die Corona-Pandemie lediglich der Brandbeschleuniger sei. Durch den Bedeutungsverlust des Einzelhandels vor allem in kleinen Zentren werde es dazu kommen, dass der Online-Handel künftig ein Drittel der Marktanteile bekommen werde. „Das ist etwa eine Verdoppelung von dem, was wir jetzt haben“, so Heinze. Er sieht vor allem den „nicht-filialisierten Einzelhandel“ als Verlierer. Dadurch drohe kleineren Stadtzentren eine „Funktionsentleerung“.
Nun hatte Heinze aber nicht nur negative Nachrichten im Gepäck. Der Handel befinde sich schon länger im Wandel. Und genau dabei müsse man den Handel unterstützen. Dies sei eine Möglichkeit. So sieht er durchaus Optionen für den Fachhandel und die weitere Bedeutung der Stadtzentren. Die Zukunft der Innenstadt liege dort, wo Schaufenster seien. Dort träfen sich die Menschen. Innenstädte hätten viele soziale Aspekte. Eine Neuausrichtung des Handels auf die neuen Gegebenheiten könne proaktiv unterstützt werden.
Frank Heinze
Eine Innenstadt halte viele Funktionen bereit und es gebe vielfältige Möglichkeiten zur Gestaltung der Zentren. Heinze sprach von Möglichkeitsräumen. Die Zentren könnten als emotionale Bezugspunkte entwickelt werden. Denn: „Die Innenstädte sind Identifikationsstandorte und Integrationsorte.“ Innenstädte seien Schaufenster und Debattierorte. Und nicht zuletzt habe eine Innenstadt auch eine Treffpunktfunktion. Heinze wählte ein einfaches Beispiel – das Bürgerhaus in Espelkamp. Dieses liege ja auch zentral in der Innenstadt. Die Zentren seien die „Visitenkarte für die Gäste“. Für die Bürger habe das Stadtzentrum zudem eine „emotionale Qualität“. Welche Maßnahmen nun genau für Espelkamp in Frage kommen, um den Einzelhandel in der Breslauer Straße zu beleben, wurde im öffentlichen Teil nicht diskutiert.
In diesem Zusammenhang ist aber auch ein Beschluss für den westlichen Teil der Breslauer Straße zu sehen. Dafür nämlich wurde im Stadtentwicklungsausschuss eine Veränderungssperre beschlossen – bei zwei Gegenstimmen von Unabhängige und FDP.
Veränderungssperre
Durch die Veränderungssperre wird bewirkt, dass in den Erdgeschossen keine Wohnungen entstehen dürfen. Johannes Hatebur, zuständiger Sachgebietsleiter, erläuterte, dass mit dieser Veränderungssperre Innenstadt und Einzelhandel belebt werden sollen. „Man sollte nicht im vorauseilenden Gehorsam dem Internethandel Tür und Tor öffnen“, warnte er vor Wohnungen im Erdgeschoss.
Die Diskussion um eine Veränderungssperre ist notwendig geworden, da von einem ehemaligen Einzelhändler der Antrag zur Umnutzung eines Ladenlokals im Erdgeschoss in Wohneinheiten gestellt wurde. „Wenn man keine Veränderungssperre erlässt, müsste man den Bauantrag genehmigen“, sagte Hatebur. Bei einer Antrags-Genehmigung würde man einen Präzedenzfall schaffen.
Paul-Gerhard Seidel
Paul-Gerhard Seidel befürwortete die Möglichkeiten, Wohnungen in ehemaligen Ladenlokalen im Westen der „Breslauer“ zu genehmigen. Er bezeichnete die Veränderungssperre als „unangebracht“. Veranstaltungen wie der Automarkt würden dort gar nicht stattfinden. Eine Vergrößerung von Einzelhandelsflächen durch Zusammenziehen von Ladenlokalen wäre nicht sinnvoll, da so etwas gar nicht nachgefragt werde in Espelkamp. Imbiss und Gastronomie seien bereits zu Genüge auf der Breslauer Straße vorhanden. Und er sehe eine solche Umwandlung von Handels- in Wohnraum durchaus als Belebung an. „Wenn dort Menschen wohnen, sind dort auch Menschen.“ Die Veränderungssperre wurde jedoch mit großer Mehrheit vom Ausschuss befürwortet.
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