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35-jähriger Kazim landet als Flüchtling in Espelkamp – Odyssee endet mit blauem Auge

Happy-End nach drei Jahren Flucht

Espelkamp

Mit einer Auseinandersetzung im Espelkamper Flüchtlingswohnheim am Hindenburgring endet die dreijährige Flucht des 35-jährigen politischen Flüchtlings Kazim und seiner Familie. Kazim musste nach dem Streit von Sanitätern versorgt werden. Doch nun scheint sich alles zum Guten zu wenden.

Von Felix Quebbemann

Kazim und seine Familie ziehen vom Espelkamper Flüchtlingswohnheim nach Leverkusen. Foto: Felix Quebbemann

Das Auge von Kazim ist noch leicht verfärbt. Es ist noch deutlich zu erkennen, dass er dort vor ein paar Tagen einen heftigen Bluterguss hatte. Der rührt von einer Auseinandersetzung im Flüchtlingswohnheim in Espelkamp.
Dies bezeichnet den vorläufigen Schlusspunkt einer Flucht, die vor drei Jahren begann. Da nämlich hatte sich Kazim dazu entschieden, sein Heimatland, die Türkei, zu verlassen. Zu groß wurden die Angst vor und der Druck seitens des Erdogan-Regimes. Denn Kazim sagt eindeutig. „Ich bin gegen Erdogan.“

Probleme

Diese Einstellung bescherte ihm große Probleme indem Land, in dem Präsident Erdogan quasi allmächtig ist. Wegen dieser Einstellung „haben sie mich entlassen“, sagt Kazim. Zuvor hatte er fünf Jahre als Wirtschaftsingenieur bei einem Regierungsunternehmen gearbeitet – unter anderem in Ankara, Istanbul und Izmir.

Doch dann wurde der Alltag schwierig; die Angst, aufgrund seiner politischen Einstellung verhaftet zu werden, stieg. „Ich wäre ins Gefängnis gekommen“, sagt der 35-Jährige. Für Kazim stand fest. „Ich muss fliehen.“

Vor drei Jahren wurde dieser Entschluss in die Tat umgesetzt. Während seine Frau unbehelligt mit einem Flugzeug nach Griechenland reisen konnte, setzte Kazim mit einem Schiff über.
Wenige Tage blieben sie in Griechenland. Dann ging es weiter nach Deutschland. Dort landeten sie zunächst in Herford, wo sie 20 Monate blieben.

Die nächste Station war Espelkamp. Dort wohnte er zusammen mit seiner Frau, seiner Schwiegermutter und neuerdings dem vor zwei Monaten geborenen Töchterchen im Flüchtlingswohnheim am Hindenburgring.

So sehen die Wohncontainer am Hindenburgring in Espelkamp aus. Foto: Felix Quebbemann

Mittlerweile drei Jahre waren sie schon ohne feste Bleibe in Deutschland. Doch es zeichnete sich Besserung ab. Über einen Bekannten hatte Kazim Kontakt nach Leverkusen geknüpft, um als Wirtschaftsingenieur arbeiten zu können. Das Ende der Odyssee war greifbar nahe. Doch sollte es nicht ganz so glatt laufen.

Am Freitag, 21. Januar, gegen 5 Uhr polterte es gegen die Tür. Der Nachbar im Wohnheim beschwerte sich lautstark über den Lärm aus Kazims Wohnbereich. Schlussendlich soll der 38-jährige Mann aus Afrika, so der Polizeibericht, kurz nachdem Kazim die Tür geöffnet hatte, mit der Faust zugeschlagen und den 35-Jährigen am Auge verletzt haben. Die Verletzung wurden von herbeigerufenen Sanitätern vor Ort verpflegt.

Polizei bestätigt Vorfall

Polizeipressesprecher Ralf Steinmeyer bestätigte auf Anfrage, dass es zu dem betreffenden Vorfall eine Anzeige von Kazim gebe. „Es handelt sich um einfache Körperverletzung“, so Steinmeyer.

Kazim habe die Polizei gerufen und   ihr mitgeteilt, dass sein Töchterchen gegen 5 Uhr angefangen habe zu schreien. So steht es im Bericht. Der Afrikaner hingegen gab an, dass   in der Wohnung des 35-Jährigen „immer Party gemacht“ werde. Den Schlag gab er nicht zu. Vielmehr soll sich Kazim die Verletzung beim Schließen der Tür zugezogen habe. Die habe er sich gegen das Auge gehauen.

Kazim erstattete Anzeige und kann immer noch nicht fassen, dass sein Nachbar im Flüchtlingswohnheim so reagierte. Seine Frau und seine Schwiegermutter hätten sich seitdem nicht mehr sicher gefühlt. Ein Freund aus Bünde kam schließlich vorbei und nahm die Familie bei sich auf. Der 35-Jährige wollte mit seiner Familie nur weg aus dem Heim. Seine Frau sei durch den Vorfall traumatisiert. Warum der 38-Jährige so reagiert habe, kann sich Kazim nicht erklären. Dem Vorwurf der ständigen Partys entgegnet er: „Wir haben ein kleines Baby. Wir haben nichts Lautes gemacht.“

Entscheidung der Staatsanwaltschaft

Vermutungen, durch Handlungen wie die des 38-jährigen Afrikaners könne eine drohende Abschiebung verzögert werden, widersprach der Kreis als zuständige Ausländerbehörde teilweise. „Sofern der Ausländerbehörde bekannt ist, dass gegen einen Ausländer, der abgeschoben werden soll, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet oder öffentliche Klage erhoben wurde, hat die Ausländerbehörde nach Paragraf 72 Absatz 4 Aufenthaltsgesetz vor der Abschiebung die zuständige Staatsanwaltschaft zu beteiligen. In einem solchen Fall darf die Abschiebung nur im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft vorgenommen werden. Somit kommt es auf die Entscheidung der Staatsanwaltschaft an“, erklärte Pressesprecherin Dagmar Selle auf Anfrage.

Happy-End

Für Kazim jedenfalls ist das Kapitel Espelkamp zugeschlagen. Nun könnte sich für ihn und seine Familie aber alles zum Guten wenden. Am Freitag, 28. Januar, konnte er nach Leverkusen fahren. Dort hat er die Anstellung als Wirtschaftsingenieur bekommen – und eine eigene Wohnung. Das werde vor allem seine Frau freuen, sagt der 35-Jährige mit einem Lächeln.

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