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Konzert in der St.-Andreas-Kirche bietet musikalische Grenzgänge

Gershwin mit richtig viel Jazz

Lübbecke (WB). 34 Minuten hat sie gedauert: die Version von George Gershwins „Rhapsody in Blue“ (1924), die das Jazztrio Kordes-Tetzlaff-Godejohann am Sonntagabend in der St.-Andreas-Kirche präsentiert hat. Beeindruckendes Zusammenspiel mit der Orgel und perfekte Übergänge in Jazz-typische Improvisations-Teile hat den Akteuren mehrfach tosenden Applaus eines großen Publikums eingebracht – zu Recht.

Joscha Westerkamp

Jazz und mehr gab es am Sonntagabend in der St.-Andreas-Kirche in Lübbecke zu erleben: Das Trio mit Olaf Kordes (Flügel), Wolfgang Tetzlaff (Kontrabass) und Karl Godejohann (Schlagzeug) spielte unter anderem George Gershwin. Foto: Joscha Westerkamp

Das Konzert – entstanden in Zusammenarbeit zwischen dem Lübbecker Jazz-Club und der Musikabteilung der Kirche – begann erstmal ganz fern vom Jazz, nämlich etwa 400 Jahre vorher in der Musikgeschichte, mit Martin Luthers „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir“; ein Choralsatz von Johann Sebastian Bach, gespielt an der Orgel von Jürgen Sonnentheil. Nach einigen Minuten eindringlicher Kirchenmusik wandelte sich die Stimmung plötzlich; Olaf Kordes stieg am Flügel ein und übernahm, die Orgel hörte auf. Kontrabass (Wolfgang Tetzlaff) und Schlagzeug (Karl Godejohann) kamen dazu, und auf einmal wurde, was eben noch einem Gottesdienst hätte entsprungen sein können, zum Aufmarsch der Jazzmusik.

Los geht es 400 Jahre früher

Immer ausdrucksstärker wurde das Stück, je freier und improvisierter es wurde, immer mehr kontrastierte es zu seinem Vorgänger. Mit dem Einstieg des Flügels hatte es sich nahtlos zu einem zweiten Stück gewandelt: der „Milonga für Herrn L.“, komponiert von Olaf Kordes – inspiriert durch Astor Piazzollas „Milonga Del Ángel“ und eben „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir.“

Es war ein gelungener Einstieg in das Konzert, dem nun der Höhepunkt des Abends folgen sollte: die Rhapsody in Blue, gespielt vom Jazztrio zusammen mit Orgel, also eine Orgeltranskription von Barry Jordan und Jürgen Sonnentheil, im Jazzarrangement von Olaf Kordes. Es begann mit der Orgel; dazu gelegentlich leise Perkussion. Das Stück nahm einen ruhigen Anfang, ehe der Flügel dazu kam und es sich zunehmend mehr aufbaute zu einem kräftigen, virtuosen, klangvollen Werk. „George Gershwin“, erklärte Kordes später, „hat sich damals nicht getraut, einen Improvisations-Teil hineinzunehmen. Wir haben gedacht, wir machen das einfach und bringen das Stück dem Jazz wieder nach Hause.“

Auf beeindruckende Weise fügte sich die Orgel mal unter die Stimmgewalt des Trios, um dann in weniger fulminanten Stellen solistisch wieder aufzutauchen. Doch nicht nur sie, auch Klavier, Kontrabass und Schlagzeug hatten ihre eigenen Soli, die immer wieder für Umbrüche und Kontraste sorgten. Das gut halbstündige Stück hätte kaum abwechslungsreicher sein können. Gerade noch leise und bedächtig – nahezu ganz zum Stillstand gekommen –, sprangen nur wenige Minuten darauf die Finger des Pianisten nur so über die Tasten, während er mit seinem Fuß auf dem Boden trommelte; dazu Schlagzeug und Bass. Und dann wieder die sanften Töne von Glockenspiel und Triangel.

„Over the Rainbow“

Das Stück nahm ein überaus imposantes Ende; und tobend war der Applaus, der darauf folgte. Eine derartige Begeisterung samt Fußgetrommel hat die Kirche wohl länger nicht mehr erlebt. Vorbei war das Konzert damit nicht. Ähnlich den ersten beiden Stücken des Abends folgte wieder ein Werk, das erst im Original auf der Orgel gespielt wurde und dann in Kordes’ Version fürs Trio: Martin Luthers „Verleih uns Frieden gnädiglich“ im Choralsatz von Felix Mendelssohn-Bartholdy für Orgel. Die darauf folgende und davon inspirierte Jazzversion hieß – ein bisschen moderner – „Song for Peace“. Als weitere Zugabe gab es dann noch „Over the Rainbow“ in direktem Zusammenspiel mit Orgel und Trio, das sich wieder sehr frei um das Original herumbewegte: eben genau das, was eine gute Jazzcombo bieten sollte.

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