In Corona-Zeiten: IHK stellt Ergebnisse der Herbst-Konjunkturumfrage vor
„Mit voller Wucht getroffen“
Lübbecke/Minden (WB/hja/stl). Trotz einer leichten Verbesserung befindet sich die gewerbliche Wirtschaft im Mühlenkreis weiterhin in einer Krisensituation. Das erklärten das IHK-Vollversammlungsmitglied Christoph Barre aus Lübbecke und der Leiter der IHK-Zweigstelle Minden, Karl-Ernst Hunting, bei der Vorstellung der Ergebnisse der Herbstumfrage der Industrie- und Handelskammer.
Die Dramatik der aktuellen Situation für Hotellerie und Gastronomie zeichnete der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Nordrhein-Westfalen, Bernd Niemeier (Lindgart Hotel Minden), auf. Das Pressegespräch fand im Haus der Werbeagentur Handmade Interactive in Lübbecke statt.
„Die konjunkturelle Lage hat sich zwar im Vergleich zur Sonderumfrage im Sommer leicht verbessert, stellt sich aber insgesamt noch als sehr schlecht dar. Die Branchen sind allerdings unterschiedlich stark betroffen“, so die einhellige Meinung. An der Befragung beteiligten sich zwischen Mitte August und Mitte September 334 Unternehmen mit insgesamt 22.000 Beschäftigten aus den Branchen Industrie, Handel und Dienstleistung.
Leichte Erholung
Es gebe trotz der leichten wirtschaftlichen Erholung „keinen Grund zu frohlocken“, erklärte Hunting. Das wird auch im so genannten IHK-Konjunkturklimaindikator deutlich, der die momentane Lage und die Zukunftserwartungen der Unternehmen gleichermaßen berücksichtigt. Zwar hat sich dieser Indikator für den Kreis Minden-Lübbecke von 57 Punkten im Sommer auf aktuell 87 deutlich verbessert, liegt aber weiterhin noch deutlich unter der Marke 100, die die Grenze zwischen einer positiven und negativen Konjunktur darstellt. Hinzu kommt, dass der Mühlenkreis im ostwestfälischen Ranking mit diesem Wert den letzten Platz einnimmt. Angeführt wird der Indikator-Vergleich vom Kreis Gütersloh mit 111 Punkten. Der ostwestfälische Durchschnitt liegt bei 102.
Christoph Barre betonte, es sei jetzt wichtig, die in den Konjunkturpaketen verabredeten Investitionen zügig umzusetzen, um Forschung, Entwicklung, Digitalisierung und Zukunftstechnologien zu beschleunigen. Als weitere Maßnahme nannte er Steuersenkungen für Unternehmen.
Umfragewerte oft negativ
Mit wenigen Ausnahmen seien die Umfragewerte in den drei Sektoren Industrie, Handel und Dienstleistungen negativ, so die IHK-Vertreter. Dabei kommen die schlechtesten Umfrageergebnisse aus der Industrie und die besten Umfragewerte aus der Dienstleistungsbranche. Barre: „Die Unternehmen bereiten sich mit gezielten Maßnahmen wie Rationalisierungen und Produktinnovationen auf eine positive zukünftige Entwicklung nach der Pandemie vor.“
Allerdings seien die Zukunftserwartungen für die Erträge in allen drei Branchen noch negativ. Der mit Abstand schlechteste Wert stammt aus der Industrie, wo rund 52 Prozent der befragten Betriebe von sinkenden Erträgen ausgehen. Karl-Ernst Hunting: „Beim Handel sind es etwa 43 Prozent und bei den Dienstleistern rund 29 Prozent.“
Aufgrund der schlechten Lage gehen die Betriebe im Mühlenkreis insgesamt von einem Beschäftigtenabbau aus, wie die Konjunkturumfrage zeigt. Das gilt vor allem für die Industrie. Dort wollen zwar zehn Prozent der Unternehmen die Beschäftigung steigern. Aber etwa 28 Prozent gehen von einem Personalabbau aus. Werde dieser Wert mit den Beschäftigten in den Unternehmen gewichtet, rechneten rund 44 Prozent der Betriebe mit einem Beschäftigtenabbau, resümierte Hunting.
Dienstleistungssektor
„Im Dienstleistungssektor planen rund 17 Prozent Personalaufbau und 10 Prozent Personalabbau. Im Handel wollen 13 Prozent Neueinstellungen vornehmen und 15 Prozent Entlassungen“, so der IHK-Zweigstellenleiter. Barre sagte vor diesem Hintergrund, dass die Betriebe den Fachkräftemangel zwar nicht mehr als sehr großes wirtschaftliches Risiko ansähen: „Die Unternehmen sollten aus strategischen Gesichtspunkten aber ihre zukünftig benötigten Fachkräfte weiter ausbilden.“
Gastgeber Christian Joseph von Handmade Interactions erläuterte, wie stark seine Branche vom Corona-Virus getroffen worden sei. Messen und Ausstellungen seien reihenweise ausgefallen, „das hat uns mit voller Wucht getroffen.“ Ein großes Lob sprach er, wie Christoph Barre, der Politik aus, die mit dem Kurzarbeitergeld schnell und gut reagiert habe.
Kurzarbeit für Gastronomie
Stark betroffen von den Folgen der Pandemie zeigt sich auch die heimische Hotellerie und Gastronomie, die mit am stärksten betroffen sei, so Dehoga-Präsident Bernd Niemeier. 94 Prozent der Mitarbeiter seien oder sind noch in Kurzarbeit. „Ein Wort, dass wir bislang in unserer Branche praktisch nicht kannten“, das aber aus aktueller Sicht ein Instrument sei, das viele gerettet habe.
Probleme durch Jahreszeit
Die größten Probleme erwartet Niemeier in der kalten und nassen Jahreszeit. Die Frage sei: „Kommen die Gäste, die im Sommer draußen sitzen konnten, auch in die Betriebe rein?“ Ein weiterer Aspekt sei, dass Veranstaltungen wie Familienfeste oder Betriebsfeiern kaum geplant werden könnten wegen der Abhängigkeit von Infektionszahlen in den Regionen.
Bernd Niemeier betonte, dass etwa 72 Prozent der Mitgliedsbetriebe in ihrer Existenz gefährdet seien. Rund 35 Prozent liefen in die Insolvenz, „die werden wir verlieren“. Dabei seien in der Gastronomie aktuell etwa 60 Prozent des Umsatzes im Vergleich zu den Vorjahren zu verzeichnen, im Hotelgewerbe 50 Prozent. „Das reicht nicht, trotz Überbrückungshilfen und der Möglichkeit von Kurzarbeit.“ Die Perspektivlosigkeit bilde dabei das größte Problem. Denn die Branche rechne frühesten in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 mit einer Verbesserung.
Startseite