Mindener Waldorf-Pädagoge soll Kontakte zur »Artgemeinschaft« haben – Entlassung gefordert
Lehrer aus der rechten Szene?
Minden (WB). Hat ein Lehrer der Freien Waldorfschule Minden bewusst Kontakte zur rechten Szene gepflegt? Diese Frage drängt sich Kollegium und Eltern auf. Ob der Mann nach den Sommerferien weiter an der Schule unterrichten darf, soll sich in den kommenden Tagen entscheiden.
Dass der Pädagoge in Organisationen mit rechtsextremer Ausrichtung aktiv war, steht fest. Dem gegenüber stehe sein Engagement in der Sensibilisierung der Schüler gegen rechtes Gedankengut. »Er war Ende der 90er Jahre der Erste, der eine Fahrt nach Dachau organisiert hat«, sagte ein Sprecher der Schule, der namentlich nicht genannt werden möchte. Dieser Spagat stelle ein »Riesenproblem« dar.
Lehrer reagierte erschrocken auf die Vorwürfe
Laut geworden waren die Vorwürfe gegen den Pädagogen Ende April. Schüler hatten auf Medienberichte über einen Nazi-Friedhof bei Oldenburg hingewiesen, die »Ahnenstätte Conneforde«. Vorsitzender ist seit 2008 ausgerechnet der Lehrer der Mindener Waldorfschule. Sein Vorgänger: NPD-Bundestagskandidat Alfred Manke. Der Lehrer sei erschreckt gewesen, als er mit den Vorwürfen konfrontiert wurde, erzählte der Schulsprecher, »ganz groß erschreckt«.
Um die Situation aufzuklären, bildete die Schule eine Arbeitsgruppe. Diverse Publikationen des Pädagogen wurden zusammengetragen und untersucht. Texte des 53-Jährigen erschienen etwa in der Zeitschrift »Mensch und Maß« vom Bund für Gotterkenntnis und in der Monatsschrift »Glauben und Wirken« vom Bund Deutscher Unitarier (BDU), dem er bis vor etwa 15 Jahren angehörte.
»In den Texten konnten wir keine rechtsextremen, antisemitischen oder nationalsozialistischen Inhalte finden«, erklärte der Sprecher der Waldorfschule. Allerdings gebe es diverse Beziehungen »ins Umfeld des rechtsextremen Bereichs«. Und wegen der Vielzahl der Kontakte sei es unwahrscheinlich, dass dem Lehrer der Bezug zur rechten Szene nicht bewusst gewesen sei.
Rechtsextremismus sei ihm zuwider
Genau das hatte der Pädagoge, der 1992 aus Argentinien nach Deutschland gekommen war, aber kommuniziert. »Er hat sogar sehr deutlich gesagt, dass er Rechtsextremismus grundsätzlich ablehnt, dass er ihm zuwider ist«, berichtete der Schulsprecher.
Mittlerweile wurde der Bund der Freien Waldorfschulen (BdFWS) über die Ereignisse informiert, die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus aus Herford mit der Aufklärung beauftragt. Die kommt zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Schule: »Die Texte, das ist schon bemerkenswert, verzichten auf neonazistische Stellungnahmen«, resümiert Karsten Wilke von der Herforder Beratungsstelle. »Der Gesamtzusammenhang, in dem diese Texte publiziert werden, steht aber eindeutig für solche Positionen.«
In neonazistische Organisation gerät man nicht zufällig
Noch dazu wurde am Dienstag die Teilnahme des Lehrers an Treffen der sogenannten »Artgemeinschaft« bekannt. Wilke beschreibt diese neonazistische Organisation als »eine Art Inner Circle« mit extrem hohen Barrieren. Mit anderen Worten: Da kann man nicht zufällig hineingeraten.
Rechtsextremismus sei mit dem Selbstverständnis der Waldorfschulen nicht vereinbar, betonte Henning Kullak-Ublick vom Vorstand des BdFWS. Deshalb forderten der BdFWS und die Arbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen in NRW (ARGE) die Entlassung des Lehrers.
Lehrer wird vorerst nicht unterrichten
Die Freie Waldorfschule ist eine selbstverwaltete Privatschule. Einen Direktor gibt es nicht, auch keine Verbeamtung unter den Lehrern. Entscheidungen trifft die sogenannte Schulführungskonferenz, die noch in dieser Woche klären will, ob der Lehrer nach den Ferien wieder unterrichten darf.
Vorher wird er definitiv nicht mehr im Klassenzimmer stehen: Der Pädagoge ist seit Montag und noch die gesamte Woche krankgeschrieben. Der Sprecher kündigte gestern an: »Für den Fall, dass wir uns entscheiden, dass der Kollege nicht sofort entlassen wird, wird er voraussichtlich vom Unterricht suspendiert werden.«
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