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Veränderungen bei Gemeindeversammlung bekannt gegeben - Paul-Gerhardt-Haus in Espelkamp ebenfalls betroffen

Rahden: Gemeinde will zwei Kirchen aufgeben

Rahden/Espelkamp

Die evangelische Kirchengemeinde Rahden steht vor großen Veränderungen, die auch mit schmerzhaften Einschnitten verbunden sind. Dies wurde bei der Gemeindeversammlung deutlich, zu der das Presbyterium eingeladen hatte. Drei Gebäude, darunter zwei Kirchen, sollen in den kommenden Jahren aufgegeben werden.

Die evangelische Kirchengemeinde Rahden will bis 2024 drei Gebäude schließen, darunter die Auferstehungskirche in Wehe. Dies wurde bei einer Gemeindeversammlung bekannt. Foto: Dieter Wehbrink

Nachdem Pfarrer Udo Schulte die Versammlung eröffnet und die 60 anwesenden Gemeindemitglieder begrüßt hatte, stellten er, Lena Heucher-Baßfeld, Brunhilde Meier und Gisela Kortenbruck die Situation der Gemeinde dar und zeigten auf, wie die Voraussetzungen für Gemeindearbeit in Rahden sich in den nächsten Jahren verändern werden.

Die Größe der Gemeinde und die Zahl der Pfarrstellen wird ebenso deutlich abnehmen wie die zur Verfügung stehenden Finanzmittel. Deshalb hat das Presbyterium beschlossen, die Weher Auferstehungskirche und die Tonnenheider Christuskirche ebenso aufzugeben wie das Paul-Gerhardt-Haus in Alt-Espelkamp. Bis Ende 2024 wird die Gemeinde die Häuser noch halten können. Dann müssen Anschlusslösungen gefunden sein.

Das Presbyterium reagiert damit auf aktuelle Entwicklungen und richtet sich neu aus, damit die Rahdener Gemeinde auch in Zukunft bei den Menschen sein kann. „Wir wollen uns nicht zurückziehen, wir wollen in den Ortschaften präsent sein,“ betonte Pfarrer Udo Schulte, der Vorsitzende des Presbyteriums, bei der Gemeindeversammlung, die im Rahdener Gemeindehaus stattfand. Doch die Nutzung der kirchlichen Räume wird sich in der Zukunft auf die St.-Johannis-Kirche und das benachbarte Gemeindehaus konzentrieren müssen.

60 Gemeindemitglieder waren zu der Versammlung im Rahdener Gemeindehaus gekommen, um sich über die aktuellen Entwicklungen zu informieren. Foto:

Udo Schulte ging auf das Leitwort der Gemeinde ein: „Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet!“ Von diesem Bibelvers erhoffe man sich Orientierung bei der Neuausrichtung angesichts der Herausforderungen dieser Zeit: "Diese Herausforderungen sind groß und die Entscheidungen, die daraus folgen müssen, fallen auch den Verantwortlichen schwer." Im Laufe des Abends wurde aber immer deutlicher, dass die Gemeinde kaum eine andere Möglichkeit hat als Gebäude aufzugeben. Die Vortragenden waren sehr um Transparenz bemüht. Zahlen, Analysen und Zukunftsperspektiven wurden ausführlich vorgestellt und anschließend diskutiert.

Pfarrer Udo Schulte berichtete, dass in den Jahren bis 2050 damit zu rechnen sei, dass die evangelische Kirche in Westfalen um die Hälfte ihrer Mitglieder schrumpfen werde. Ursache dafür ist unter anderem der sogenannte demografische Wandel der Gesellschaft – es werden weniger Kinder geboren und getauft als Menschen bestattet.

Zahl der Kirchenaustritte steigt stetig an

Hinzu kommt eine Entwicklung, die sich auch in Rahden feststellen lässt: die Zahl der Kirchenaustritte steigt stetig an. Dies hat auch Auswirkungen auf die Finanzen, mit denen die Rahdener Gemeinde planen kann; wobei nicht nur die Kirchensteuermittel zurückgehen, sondern durch steigende Preise gleichzeitig auch die Kaufkraft sinkt.

Das führt dazu, dass die Kirchengemeinde in diesem Jahr bereits 50.000 Euro aus Rücklagen nehmen muss, um die zu erwartende Deckungslücke im Gemeindehaushalt zu schließen. "Solche Entnahmen müssen die Ausnahme bleiben, sonst ist die Gemeinde mit ihrer aktuellen Rücklage in Höhe von rund 250.000 Euro bald nicht mehr handlungsfähig. Wir haben leider keine Schätze,“ betonte Pfarrer Schulte in seinem Vortrag.

Ebenfalls von der drohenden Schließung betroffen ist die Christuskirche in Tonnenheide. Foto: Dieter Wehbrink

Als nächstes gab Pfarrerin Lena Heucher-Baßfeld einen Überblick über die zu erwartende personelle Entwicklung der nächsten Jahre. Durch den Fachkräftemangel, der auch im Pfarrdienst immer deutlicher festzustellen ist, wird sich die Zahl der Pfarrstellen in den nächsten Jahren auf die Hälfte reduzieren. Ist zur Zeit noch eine Pfarrperson für rund 2700 Gemeindeglieder zuständig, geht die Landeskirche für 2030 mit einer Gemeindegliederzahl von 5000 pro Pfarrstelle aus.

Pfarrerin geht in den Ruhestand

Bereits jetzt sind erste Einschränkungen der Pfarrerzahl spürbar: Pfarrerin Wirwe Grau-Wahle wurde vor wenigen Tagen in den Ruhestand verabschiedet, ihre Stelle in der Altenheimseelsorge wird nicht wieder neu besetzt werden können. Die verbleibenden Pfarrpersonen werden also ab sofort auch für die Heime und ihre Bewohnerinnen und Bewohner zuständig sein, was natürlich nicht im bisherigen Umfang möglich sein wird.

Die Gemeindearbeit in der Region Rahden (gemeint sind die Kirchengemeinden Rahden und Pr. Ströhen) verteilt sich so auf vier Pfarrstellen, aktuell besetzt mit Pfarrer Udo Schulte, Pfarrerin Gisela Kortenbruck, Pfarrer Dr. Roland Mettenbrink und dem Pfarrehepaar Klaus-Hermann Heucher und Lena Heucher-Baßfeld, die sich eine Stelle teilen. Zur Zeit unterstützt zusätzlich noch Pfarrer Hagen Schillig das Pfarrteam, was aber nur zeitlich begrenzt möglich ist. Schließlich ist damit zu rechnen, dass es im Jahr 2030 nur noch zwei Pfarrstellen in der Rahdener Region geben wird.

Was die Zukunft des des Paul-Gerhardt-Hauses in Espelkamp angeht, möchte die Gemeinde mit möglichen Partnern und Interessenten ins Gespräch kommen. Foto: Dieter Wehbrink

"Sind wir aktuell im Hinblick auf die Pfarrpersonen in Rahden noch gut aufgestellt, sind erste personelle Engpässe schon jetzt für die Gemeinde spürbar." Lena Heucher-Baßfeld stellte fest, dass es in den vergangenen Jahren für Kantor Thomas Quellmalz immer schwieriger geworden sei, alle Gottesdienste mit guter Kirchenmusik zu versorgen. Die Gemeinde müsse hinnehmen, dass nicht alle Orgelbänke regelmäßig besetzt werden können.

Auch wenn die Zahl der Gottesdienste an manchen Predigtstellen schon jetzt zurückgehen wird, sollen alle Kirchen und Kapellen bis Ende 2024 in gewohnter Weise zu den wichtigen kirchlichen Feiertagen (zum Beispiel Weihnachten, Ostern, Pfingsten sowie Erntedank, Volkstrauertag und Ewigkeitssonntag) versorgt werden. In der St.-Johannis-Kirche wird wöchentlich und an Feiertagen immer Gottesdienst gefeiert, an den anderen Predigtstätten wird es pro Jahr etwa zehn Gottesdienste geben. Ab 2025 wird sich das gottesdienstliche Leben auf Rahden und die St.-Johannis-Kirche konzentrieren, weil sowohl die Gebäudesituation als auch die Zahl der dann noch vorhandenen Pfarrstellen (Ruhestand von Pfarrer Schulte und Pfarrerin Kortenbruck) dies nahelegen.

Als nächstes kam Presbyterin Brunhilde Meier darauf zu sprechen, was die beschriebenen Veränderungen für den Gebäudebestand der Gemeinde bedeuten. Schon seit Jahren hat die Gemeinde nicht mehr die finanziellen Mittel, um die Gebäude angemessen zu erhalten und die dringend nötigen Reserven zu bilden. Ein Blick auf die Ausnutzung zeigt, dass nur die Räume des Rahdener Gemeindehauses wirklich genutzt werden. Bei der St.-Johannis-Kirche kommt hinzu, dass sie als Baudenkmal ebenfalls zu erhalten ist.

Gemeinde stößt an ihre Grenzen

Ein Blick auf die Zahlen und Analysen zeigt allerdings, dass die Gemeinde damit an ihre Grenzen kommt. Deshalb wird man sich schon bald von den übrigen Gotteshäusern trennen müssen: für die Auferstehungskirche, die Christuskirche und das Paul-Gerhardt-Haus müssen Ideen und Konzepte zur weiteren Nutzung entwickelt werden. Doch insbesondere für die Christuskirche und die Auferstehungskirche wird dies schwer werden, weil die energetische Situation und der Zustand der Gebäude auch einen Investor vor fast unlösbare Aufgaben stellen würde. Deshalb wird es für die beiden Gebäude in Tonnenheide und Wehe um die Aufgabe der Gebäude und um eine neue Nutzung der Grundstücke gehen.

Im Fall des Paul-Gerhardt-Hauses in der Altgemeinde, das mit seinen 30 Jahren das modernste Gebäude der Gemeinde ist, möchte die Gemeinde mit möglichen Partnern und Interessenten ins Gespräch kommen. Erste Gespräche mit der Stadt Espelkamp bezüglich Paul-Gerhardt-Haus und mit der Stadt Rahden die beiden Kirchen im Ostbezirk betreffend haben bereits stattgefunden. Neben manchen anderen Fragen ist es der Gemeinde wichtig vor allem zu klären, wie für Trauerfeiern und Beerdigungen in den betroffenen Ortsteilen gute Lösungen gefunden werden können. Denn die Gemeinde will auch in Zukunft in Seelsorge und Verkündigung für ihre Mitglieder da sein.

Neue Impulse für die Gemeindearbeit

Deshalb werden schon jetzt neue Impulse für die Gemeindearbeit der Zukunft gesetzt. Darüber berichtete Pfarrerin Lena Heucher-Baßfeld: Neue Gottesdienstformen gibt es schon. Am Erntedank-Wochenende startet die „Familienkirche“, die sich in regelmäßigen Abständen samstags ab 17 Uhr an Familien mit Kindern wendet. Bereits seit zwei Jahren gibt es Jugendgottesdienste, die von der Jugend der Gemeinde gern besucht werden. Dort ist die  „Kirchplatz-WG“ zu Hause. Menschen, die nicht zum Gottesdienst am Sonntagmorgen kommen können, sind eingeladen zu den digitalen Gottesdiensten, die sich wöchentlich neu auf dem Youtube-Kanal der Gemeinde finden. Aktuell wird dieses Angebot so weiterentwickelt, dass es auch für die Bewohnerinnen und Bewohner in den Alten- und Pflegeheimen der Gemeinde zugänglich sein wird.

Auch in der Konfirmandenarbeit wird es mit Beginn des nächsten Jahres Veränderungen geben, die gerade noch in Vorbereitung sind. Und bei der Kinderbibelwoche, die sich schon seit Jahren großer Beliebtheit erfreut und die am 10. Oktober startet, werden alle zur Verfügung stehenden Plätze besetzt sein.

Abschließend richtete Udo Schulte im Namen des Presbyteriums den Blick in die weitere Zukunft: „Wir wollen als Gemeinde zusammenwachsen, sodass wir an einem Ort Gemeinschaft erleben können!“ Darum wird es in den nächsten Jahren gehen.

Pfarrerin Gisela Kortenbruck, die die anschließende Diskussion geleitet hatte, erinnerte zum Schluss an den Auftrag, den die Gemeinde in Christi Nachfolge bekommen hat: Beieinander zu sein, füreinander da zu sein und im Glauben an ihn in die Zukunft zu gehen. Sie schloss die Versammlung mit Gebet und Segen.

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