Wolfgang Labudde (64) kann trotz ALS-Erkrankung endlich zu Hause leben
Wieder selbstbestimmt
Rahden (WB). Acht Mal ist Wolfgang Labudde in den vergangenen sechs Jahren von einer Pflege-WG in die nächste umgezogen. »Entweder gefiel es mir dort nicht, oder sie war zu weit weg.« Dank eines gesetzlichen Fördermittels – des sogenannten Persönlichen Budgets – kann er jetzt endlich wieder zu Hause leben.
Der Rahdener hat Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Er muss künstlich beatmet werden und ist auf ständige Betreuung angewiesen. Ganz langsam hat sich die Krankheit bei Wolfgang Labudde entwickelt. Anfangs konnte er immer schlechter laufen, stürzte mehrfach. »Die Krankheit wurde erst nicht richtig erkannt und auf ein Problem in meinem Rücken geschoben«, sagt der 64-Jährige.
Als er permanent Hilfe brauchte, zog er in eine erste Pflege-WG
Nach weiteren Untersuchungen stellten die Ärzte dann schließlich 2012 fest, dass es sich bei ihm um eine atypische Motoneuronen-Erkrankung von ALS handelt, bei der die Muskeln und das Nervensystem nachlassen und auch die Atmung nicht mehr selbstständig funktioniert. Als er schließlich permanent auf Hilfe angewiesen war, zog Wolfgang Labudde in eine erste Pflege-WG. Von dort aus ging es dann noch in sieben weitere. »Wirklich schön lebt man da allerdings nicht«, erzählt er.
Im Kopf ist Labudde topfit. Er ist Schalke-Fan und eigentlich ein sehr kommunikativer Mensch. »Ich bin ein richtiger Draußen-Mensch, sitze im Garten und unterhalte mich gerne mit meinen Nachbarn. In den Pflege-WGs kann man aber nunmal nicht einfach machen, worauf man Lust hat«, sagt er.
Leverkusener Firma hilft Betroffenen bei Beantragung
Vor einem halben Jahr erzählte Labuddes damaliger Pflegechef in seiner letzten WG ihm dann von dem Persönlichen Budget (siehe Stichwort).
Über einen Verein in Brandenburg, der ALS-Kranke unterstützt, fand Wolfgang Labudde schließlich den Kontakt zu der Firma Sebeko in Leverkusen, die sich unter anderem darauf spezialisiert hat, Betroffene bei der Beantragung des Persönlichen Budgets zu helfen. »Die haben sich dann bei mir auch um alles gekümmert und alles Nötige mit meiner Krankenkasse geregelt«, sagt der 64-Jährige.
Das Persönliche Budget
Seit 2008 können Behinderte entscheiden, dass Leistungen für sie nicht mehr an klassische Behinderteneinrichtungen gezahlt werden, sondern sie selbst das Geld bekommen und ihr Leben nach eigenen Vorstellungen organisieren. Dazu gehört dann aber auch, Arbeitgeber für die eigenen Pflegekräfte zu werden. Es gibt inzwischen Firmen, die diesen organisatorischen Teil übernehmen. Im Sozialgesetzbuch beziehungsweise im Rehabilitationsrecht ist festgelegt, dass jeder behinderte Mensch unabhängig von Art und Schwere der Beeinträchtigung Hilfen in Form von Geld erhalten kann. Die Höhe des Budgets wird an den Pflegebedarf angepasst.
Von fünf Pflegekräften rund um die Uhr versorgt
Durch diese Unterstützung und durch das Persönliche Budget konnte Wolfgang Labudde vor vier Wochen seine letzte Pflege-WG verlassen und wieder in die gemeinsame Wohnung mit seiner Frau Brigitte einziehen. Dort wird er seitdem von insgesamt fünf festangestellten Pflegekräften sowie einer Aushilfe rund um die Uhr versorgt, die von dem Persönlichen Budget bezahlt werden.
Eine der Pflegekräfte ist Claudia Kuhlmann, die sich genauso wie ihre Kollegen jeweils in zwölf-Stunden-Schichten um Wolfgang Labudde kümmert. Die 46-Jährige ist bereits seit 30 Jahren in der Pflege und von dem neuen Arbeitsalltag ausschließlich mit einem Patienten begeistert: »Es ist ein ganz anderes Arbeiten, wir haben alle Freiheiten in diesem Job. Und es hat ein bisschen was von Familienanschluss.« Zudem könne sie ihre Mischlingshündin Abby mit zu Familie Labudde nehmen. Diese sei mit Wolfgang Labudde mittlerweile schon ein Herz und eine Seele geworden und passe stets auf, dass kein Fremder dem Rollstuhl des 64-Jährigen zu nahe komme.
Im Garten sitzen und Besuch von Tochter und Enkelin bekommen
Offiziell beschäftigt Wolfgang Labudde seine Pflegekräfte. »Er ist unser Chef. Wir sind ganz normal bei ihm angestellt«, sagt Claudia Kuhlmann. Labudde: »Die Kassen überweisen mir das Geld für die Gehälter, und Sebeko überweist es dann weiter.« Die Leute von Sebeko seien es auch, die sich für ihn um die Abrechnungen und alles weitere Bürokratische kümmerten. Für weitere Belange hat er zudem einen unabhängigen Pflegeberater, den der Kreis Minden-Lübbecke bezahlt. Auch für die Dienste von Sebeko muss der Rahdener nicht selbst aufkommen. »Unser Honorar wird zusätzlich zu dem Persönlichen Budget gezahlt«, sagt eine Sprecherin.
»Jeder Mensch in einer Situation wie meiner sollte – wenn es funktioniert – darüber nachdenken, wieder nach Hause zu gehen«, sagt Labudde. Er genieße es sehr, jetzt jederzeit in seinem Garten sitzen und immer Besuch von seiner Tochter und der Enkelin empfangen zu können.
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