Zeitzeugen erinnern sich an verschüttete Kohleschächte in der Region – In Bohmte, aber auch zum Teil in Stemwede, wurde bis nach dem Zweiten Weltkrieg gefördert
Der Boden birgt viele ungelöste Rätsel
Stemwede
Der Ruhrbergbau, also der Steinkohlenbergbau im Ruhrgebiet, nahm der Legende nach seinen Anfang, als ein Hirtenjunge an der Ruhr morgens unter seinem abgebrannten Lagerfeuer glimmende Steine fand.
Die Steinkohle war entdeckt und eine riesige Entwicklung, der Ruhrbergbau mit der daraus folgenden Industrialisierung, nahm in den folgenden Jahrhunderten ihren Lauf – bis in die jüngste Gegenwart, als die gesamte Förderung wegen billigerer Kohle-Importe aus dem Ausland und alternativer Energien eingestellt wurde.
Auch in der hiesigen Region – in Levern, Sundern, Destel, Vehlage, Bohmte, Preußisch Oldendorf, Dahlinghausen sowie entlang des Wiehengebirges – suchte man im 19. Jahrhundert nach Steinkohle und Explorationen ergaben mehr oder weniger lukrative Vorkommen und nachhaltigen Abbau, vor allem in Bohmte.
Dort wurde sogar bis nach dem Zweiten Weltkrieg Steinkohle gefördert – und dies war wohl, neben Levern, die ergiebigste Quelle zum Abbau des schwarzen Goldes. In den anderen Regionen war das Aufkommen so geringfügig, dass es trotz teilweise hohen Aufwands nur bei Schürfversuchen blieb.
Grubenschächte, Schürflöcher und Aushebungen der aufgegebenen Förderversuche verblieben teilweise unterirdisch im Urzustand. Es existieren einige Berichte über die Kohleförderung und ihre Versuche sowie deren teilweise noch immer geheimnisvollen Orte. Allerdings gibt es auch im 21. Jahrhundert noch Zeitzeugen, die sich erinnern.
Reinhard Greger, studierter Geowissenschaftler und Hobby-Heimatkundler, traf Renate Dombrowski aus Levern, Jahrgang 1933, die zum Leverner Kohleabbau interessante Angaben machen kann. Neben den vorhandenen Aufzeichnungen über Lage und Abläufe der Bergwerke, der Schächte und Stollen, die verschüttet oder überbaut wurden, bringt Renate Dombrowski lebendige Zeitgeschichte in das Thema Kohle in Levern.
Sie schildert Folgendes: „Ich wohnte als Kind 1943/1944 in der Nähe des Buchhofes, wo sich auf dem Grundstück ein großer Abraumhaufen von Schiefergestein befand. In dessen Mitte war ein Loch, das den Zugang zu einem Stollentunnel freigab. An den freien Nachmittagen nutzten Jungen und Mädchen aus der Nachbarschaft diese Grube zum Spielen. Es war eine Mutprobe, in das Loch des Eingangs zu klettern, um sich in den geheimnisvollen dunklen Stollen vorzutasten. Da wollte ich als junges Mädchen den Jungs nicht nachstehen.
Wir Kinder kannten das Gelände sehr gut, denn nebenan befand sich 1944 in der Knopffabrik die Schule. Die ursprüngliche Schule war mit Soldaten belegt. Trotz der Warnung der Lehrer, den Stollen nicht zu betreten, war die Neugier größer und ich kletterte den mutigen Jungs nach.
Der Stollen war so hoch, dass ich als Zehnjährige dort gut stehen konnte (1,30 Meter). Er war mit Holzstempeln (Stützbalken) und Brettern abgestützt, 80 bis 100 Zentimeter breit. Nach ein paar Metern begannen die Feldbahnschienen. Man konnte sich vielleicht 100 bis 150 Meter durch die Dunkelheit vortasten – bis etwa auf Höhe von Lampen Haus – , weiter ging es nicht, denn dort war der Stollen eingefallen. Um keine Erschütterungen zu verursachen, gingen wir Kinder rückwärts wieder hinaus, zum Licht des Einstiegs zurück. Teilweise war auch über Geröll zu klettern. Es war schon unheimlich.“
Die Angaben zur Lage des Tunnels decken sich mit den Aussagen von Willi Lampe aus Levern, ebenfalls wohnhaft am Buchhof, der von einem alten Schacht am Rand seines Gartens berichtet. Dieser wurde später als Gartenbrunnen genutzt.
Auch dieser Schacht war sehr tief und mit Holz ausgekleidet. Heute deutet im Garten nur noch eine feuchte Stelle auf den im Laufe der Zeit zugeschütteten Hohlraum hin.
Heimatkundler und Geo-Experte Reinhard Greger erklärt dazu: „Ein Stollen war immer mit mehreren Schächten versehen – zwecks Lüftung, Förderung und Wasserhaltung. Die Stollen verliefen gradlinig, sodass dieser Leverner Stollen am Waldrand (Langenbergs Garten) geendet haben könnte. Dort findet sich noch heute über das gesamte Jahr eine nasse Stelle (Quelle) im Acker.
Entdeckt wurden kohlehaltigen Schieferschichten dort, wo sie – wie am Buchhof – an die Oberfläche traten, zum Beispiel infolge von Ausschachtungen für Grundmauern oder beim Brunnenbau.
Über ein gefährdetes Bauvorhaben durch unterirdische Hohlräume bei Ausschachtarbeiten für den Keller eines geplanten Neubaus in Levern wurde kürzlich berichtet. Auch in Levern müssen sich somit tiefer liegende Flöze befunden haben. Diese tiefer liegende zweite Kohleschicht befindet sich unter einer massiven Sandsteinbank und nicht in einer Schicht der sogenannten ‚Bröckelkohle‘ (bröckeliger Schiefer) und ist nicht so stark einsturzgefährdet.
Bei früheren Ausschachtarbeiten für einen Keller auf dem Hof Willi Lampe war man bereits auf diese harte Sandsteinschicht gestoßen. Tiefenbohrungen, die über die geologischen Verhältnisse eindeutige Aussagen zulassen, gibt es nicht ausreichend. So beherbergt Leverns Boden unterirdisch nicht nur Kohle, sondern auch ein bis heute dunkles ungelüftetes Geheimnis darüber, was zwischen 1830 und 1850 im Leverner Bergbauwesen tatsächlich geschah.“
Auch in Sundern wurden um diese Zeit Kohlevorkommen entdeckt, doch es blieb trotz aufwendiger Exploration in der Nähe des Glockenturms und auf dem Hügel (Hügelstraße/Tegedamm) nur bei Versuchen. Qualität und Quantität schienen für die Ausbeute zu gering.
Ursula Feiland, geborene Melcher, die ihre Kindheit und Jugendzeit in der Nähe des Glockenturms verbrachte, kann sich noch genau and den bekannten Schacht „Linaglück“ erinnern, der sich nicht auf dem Hügel befand, sondern in einer Wiese der Familie in der Nähe des Glockenturms.
Die Zeitzeugin berichtet: „Wir hatten auf der anderen Seite des Glockenturms unsere Wiese und dort war ein deklarierter Feuerlöschteich. In diesem Teich, der sehr tief war, befand sich der Schacht. Wir hatten dort eine Schwengelpumpe stehen und pumpten Wasser für die Kühe in einen ‚Tuppen‘ (Behälter).
In ganz trockenen Sommern Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre, wenn das Wasser nicht mehr so hoch stand und der Teich halbwegs ausgetrocknet war, konnte man sogar Bohlen des Schachtes in der Tiefe erkennen. Diese Stelle samt Teich ist dann später durch den Bau der L770 regelrecht verschütt gegangen. Die L770 wurde gegenüber dem alten Straßenverlauf tiefer gelegt und hat einen Teil dieser Wiese beansprucht. Infolge der neuen Straßenführung verschwand auch der Schacht.“
Mindestens ein weiterer Versuch in Sundern, nach Kohle zu schürfen, und ein entsprechender Schacht befand sich auf dem Hügel. Die Autorin dieses Artikels, die ebenfalls am Hügel ihre Kindheit und Jugendzeit verbrachte, erinnert sich an eine Abdeckung neben einem ehemaligen Schotterweg Richtung Tegedamm/Hügelstraße, gegenüber eines früheren Tennisplatzes. Von Erzählungen der Eltern weiß sie, dass dort ein Versuchsschacht war.
In den 1960er Jahren wurden nahe dieser Abdeckung Straßenbauarbeiten vorgenommen. Die Straße sollte eine Teerschicht bekommen. Bei den Vorarbeiten mit einer Raupe wurde der besagte Schacht plötzlich aufgerissen und freigelegt, sodass die Planierraupe der Firma Schlüter aus Rahden fast schräg über dem großen Trichter hing, der mindestens fünf Meter tief war.
Diese Vorkommnisse bezüglich der Lokalität decken sich mit Angaben aus einem Dokument von 1887, in Sütterlin geschrieben, mit folgendem Inhalt:
„Levern, den 28. Mai 1887. An das Amt Levern. Dem Amte zu Levern zeige ich hiermit ergebenst an. Bei meiner heutigen Patrouille in der Gemeinde Sundern fand ich, dass der Kohleschacht unweit vom Coloniat des Colon Kreienbrock eingestürzt ist, sodaß leicht ein Unglück passieren kann, da der eingestürzte Schacht unmittelbar am Wege und eine Tiefe von mindestens 3 Meter hat. Die Ursache hierzu muß wahrscheinlich von dem anhaltenden Regen gekommen sein. Ich ersuche daher das Amt resp. sonst das Weitere hierüber veranlassen zu wollen.“
Damit birgt auch Sunderns Hügel noch viele ungelöste Rätsel.
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