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Komplette Planung im Kreis Paderborn über den Haufen geworfen – Ärzte fordern mehr Wertschätzung für medizinisches Personal

Kurzfristiger Impfstopp sorgt für Ärger

Paderborn

Die kurzfristige Nachricht des NRW-Gesundheitsministeriums, dass vorübergehend keine Impfdosen mehr geliefert werden, hat am Mittwoch auch im Kreis Paderborn für Ärger und Enttäuschung gesorgt.

Ingo Schmitz und Matthias Band

Eigentlich sollten in den Impfzentren der Krankenhäuser am Dienstag auf Hochtouren Krankenhaus-Mitarbeiter aus den Risikobereichen geimpft werden. Stattdessen leere Räumlichkeiten und ein „arbeitsloses“ Impf-Team. Hier Betriebsärztin Dr. Vanda Amedick auf der verwaisten „Impf-Station“ der Karl-Hansen-Klinik.

„So kann man mit uns nicht umgehen“, ärgerte sich Dr. Gregor Haunerland, Bezirkschef der Ärztekammer und Leiter des Paderborner Impfzentrums, im Gespräch mit dem WESTFÄLISCHEN VOLKSBLATT.

Am Dienstagabend habe ihn die Information um 20.29 Uhr erreicht – mit sofortiger Wirkung. „Für die Kurzfristigkeit habe ich kein Verständnis“, sagte Haunerland. Dahinter stehe offenbar ein Planungsfehler imDüsseldorfer Ministerium, mutmaßte der Mediziner. „Das kann ich aber nicht beweisen. Der Vorwurf, der aber auf jeden Fall gerechtfertigt ist, betrifft den Stil des Schreibens. Der ist völlig indiskutabel. Das Wort ‚leider‘ kommt dem Autor nicht über die Feder. Es gibt überhaupt kein Bedauern oder die Bitte um Verständnis. Es fehlt auch eine Entschuldigung. Das werde ich so nicht auf sich beruhen lassen. Wir sind Partner des Gesundheitsministeriums und keine Dienstboten.“

Auch zu den Folgen äußerte sich Haunerland. So habe der Lieferstopp immerhin keine Auswirkungen auf den Personenkreis, der jetzt auf die zweite Impfung warte. Gemeint sind damit vor allem die Bewohner und Mitarbeiter von Seniorenheimen. „Für alle, die eine Erstimpfung erhalten haben, wird Impfstoff im Zentrallager NRW aufbewahrt. Jetzt zeigt sich, dass diese Bevorratung gut war. Alle Zweitimpfungen finden also statt. Aber alle Erstimpfungen fallen eben vorerst weg.“

Dr. Gregor Haunerland. Foto: Ingo Schmitz

Start verschiebt sich

Weil der Impfstoff fehlt, startet der Betrieb des Impfzentrums in der Sälzerhalle nicht am 1., sondern erst am 8. Februar. „Das ist ohne Frage bedauerlich, kann aber vorkommen“, stellte Haunerland mit Blick auf die Lieferprobleme des Herstellers Biontech fest, der schon in der vergangenen Woche auf das Problem aufmerksam gemacht hatte. Die Verschiebung des Startschusses im Impfzentrum sei aus seiner Sicht kein Problem. Die medizinische Versorgung im Kreis Paderborn sei so gut aufgestellt, dass man diesen Zeitverlust wieder aufholen könne, meinte Haunerland.

Kliniken enttäuscht

Große Enttäuschung gab es am Dienstag in den heimischen Krankenhäusern: „Am Montag sind wir voller Optimismus mit den Impfungen gestartet, die Impfbereitschaft ist hoch. Im St.-Vincenz-Krankenhaus konnten wir an den ersten beiden Tagen 290 Kollegen gegen das Coronavirus impfen. Nach nur zwei Tagen müssen wir nun eine Zwangspause einlegen, obwohl wir gerade einmal ein Drittel der Mitarbeiter aus den Risikobereichen impfen konnten. Weitere Verzögerungen verunsichern und entmutigen uns alle“, sagte Dr. Martin Baur, Ärztlicher Direktor am Vincenz-Krankenhaus.

Im MZG Bad Lippspringe konnten bislang nur 180 Mitarbeiter geimpft werden. Dies sei angesichts der in den Nachbarkreisen bereits aufgetretenen Virusmutationen und dem damit steigenden Ansteckungsrisiken sehr besorgniserregend. Auch im St.-Marien-Hospital Marsberg herrschte am Mittwoch Enttäuschung.

„Impfen statt klatschen“

Der organisatorische Aufwand in den Krankenhäusern, um eine reibungslose Impfung in hoher Taktzahl zu gewährleisten, sei hoch. „Alles umsonst“, war Siegfried Rörig, Kaufmännischer Direktor des Brüderkrankenhaus St. Josef, frustriert. „Das Zusammenstellen von krankenhauseigenen Impfteams, die Ausrichtung der Dienstpläne auf den Stationen, damit die Kollegen sowohl den ersten als auch den zweiten Impftermin wahrnehmen können, und vieles mehr: All dies müssen wir nun neu planen.“

Dr. Josef Düllings, Hauptgeschäftsführer der St.-Vincenz-Krankenhaus GmbH und Vorsitzender im Verband der Krankenhaus Direktoren Deutschlands fragte zudem: „Wie kann es sein, dass es in den Kliniken in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Bayern funktioniert und bei uns in NRW nicht?“ Achim Schäfer vom MZG in Bad Lippspringe ergänzte: „Unsere Mitarbeiter haben es verdient, zeitnah geimpft zu werden!“ Die Wertschätzung der Entscheider in den NRW-Ministerien gegenüber den Krankenhausmitarbeitern sei deutlich zu gering. „Impfen statt Klatschen“ sei das Gebot der Stunde. Wann es mit den Corona-Erstimpfungen weitergehen kann, wissen die Verantwortlichen in den Krankenhäusern nicht mit Sicherheit. Die Rede sei vom 1. Februar.

Altenheime verärgert

Auch in den Altenheimen im Kreis Paderborn hat die Nachricht am Mittwoch für Verärgerung gesorgt. „Ich bin aus allen Wolken gefallen, als ich das gehört habe. Das Impfen vorzubereiten, ist ein großer Papiertiger“, sagte Verena Ebbes, Leiterin des Seniorencentrums St. Bruno in Schloß Neuhaus, dieser Zeitung. „Wir waren wirklich froh, als wir alle Einverständniserklärungen zurückhatten. An diesem Freitag hätte es mit den Bewohnern losgehen sollen und am Samstag sollten die Mitarbeiter folgen. Hier herrscht eine riesengroße Enttäuschung, weil wir endlich einen Schritt in Richtung Normalität gehen wollten.“ Das ginge nun aber nicht.

Terminvergabe beginnt

Nach Aussage des Kreises Paderborn wird die angekündigte Terminvergabe zur Impfung für die über 80-Jährigen wie geplant am Montag, 25. Januar beginnen. Die rund 17.400 über 80-Jährigen im Kreis Paderborn hätten unverändert die Möglichkeit, von kommender Woche an über die kostenlose Rufnummer 0800/116117-02 sowie die inzwischen be­kannte Internetadresse www.116117.de einen Termin zu vereinbaren.

„Die ersten Bürger dürften bereits die Anschreiben des NRW-Gesundheitsministers Karl-Josef Laumann und Landrat Christoph Rüther in ihrem Briefkasten mit allen Infos rund um den Ablauf des Impfens haben“, heißt es beim Kreis. Damit die Corona-Schutzimpfung ihre volle Wirksamkeit entfaltet, ist eine zweite Impfung erforderlich. Die Senioren erhalten deshalb gleich zwei Impftermine im Abstand von etwa drei Wochen.

4642 Geimpfte

Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung haben im Kreis Paderborn seit dem 28. Dezember bislang 4642 Bewohner sowie Pflegekräfte in Alten- und ­Pflegeeinrichtungen die erste Impfung erhalten, 102 Personen bereits die zweite Impfung (Stand 19. Januar). Im Kreis Paderborn gibt es 42 vollstationäre Pflege­einrichtungen mit insgesamt 2800 Bewohnern sowie 3000 Mitarbeitern. Bereits 80 Prozent hätten also die Erstimpfung erhalten, teilte der Kreis mit.

Am Mittwoch wurde der 119. Todesfall in Zusammenhang mit einer Covid-19-Infektion im Kreis Paderborn bekannt, 70 Neuinfektionen wurden gemeldet. Zurzeit sind 436 Menschen offiziell mit dem Coronavirus infiziert.

Der Start im Impfzentrum in der Sälzerhalle verschiebt sich um eine Woche. Foto: Jörn Hannemann
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