Tagung über die Senne – Experte: Nationalparks lohnen sich
Die Zukunft nach den Panzern
Bad Lippspringe (WB). In einem Nationalpark würden Bäume stehend und nicht liegend verkauft, betont Hubert Job. Ein Nationalpark lohne sich ökologisch und wirtschaftlich, weil er viele Übernachtungsgäste anziehe, sagte der Regionalforscher der Uni Würzburg am Mittwoch in Bad Lippspringe.
Im Nationalpark Harz mit 1,74 Millionen Besuchern machten Übernachtungsgäste, die mehr Geld dalassen als Tagesgäste, mehr als die Hälfte aus, rechnete Job bei der Tagung »Heute Schießplatz – morgen Erlebnisraum?« zur Zukunft der Senne vor. Demnach bringen Besucher den deutschen Nationalparks einen Bruttoumsatz von 2,8 Milliarden Euro im Jahr ein. Zudem, bilanzierte Job, schaffe ein Nationalpark ein positives Image für eine Region.
»Senne soll den Menschen wiedergegeben werden«
16 Nationalparks gibt es in Deutschland – kommt die Senne bald hinzu? »Mit dem Nationalpark nimmt man uns die Senne weg«, drückte Bad Lippspringes Bürgermeister Andreas Bee (parteilos), selbst Verfechter der Nationalpark-Idee, eine in der Bevölkerung verbreitete Befürchtung aus.
Ein Nationalpark sei kein Umweltdiktat und werde nicht vor den Menschen abgeschottet, widersprach der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU): »Im Gegenteil: Die Senne soll den Menschen wiedergegeben werden.« Ein Nationalpark würde der Region ein Stück Stolz zusätzlich verschaffen, sagte er, nach dem Motto: »Wir sind für diese Nation eine relevante Region«. Der Mensch »verbrauche« und »bezwinge« Natur und deshalb gelte der Grundsatz: »Was man der Natur zurückgibt, ist ein Gewinn an Stabilität.« Zum Beispiel sei die Zahl der Insekten drastisch zurückgegangen.
Gebiet soll als nationales Naturerbe geschützt werden
Wie es mit der Senne weitergeht, hängt entscheidend davon ab, wann dort die militärische Nutzung endet. Einen konkreten Zeitpunkt gibt es nicht, vielmehr lassen die neu aufgeflammten Spannungen zwischen Russland und dem Westen einen baldigen Nationalpark unwahrscheinlich anmuten.
Der Förderverein Nationalpark Senne-Eggegebirge will aber nicht ewig warten und möchte in einem Modellprojekt die Waldflächen, die 60 Prozent des 10.000 Hektar großen Gebietes ausmachen, auch bei laufendem Betrieb auf dem Truppenübungsplatz als nationales Naturerbe schützen lassen.
Aus dem NRW-Umweltministerium habe es eine »positive Rückmeldung« gegeben, sagte die Vereinsvorsitzende Erdmute von Voithenberg. Als Leitbild und Alleinstellungsmerkmal für den späteren Nationalpark schwebt dem Verein vor: »Erhaltung alter Heide- und Offenlandschaften und neue Wildnis in den Waldgebieten.«
Truppenübungsplatz gehört zu artenreichsten Landschaften in NRW
Fraglos gehört der Truppenübungsplatz Senne zu den artenreichsten Landschaften in NRW, mit Sandmagerrasen, Mooren, Auen-, Eichen-, Birken- und Kiefernwäldern. Während die Naturparks in NRW hauptsächlich der Naherholung dienen, hat in einem Nationalpark der Artenschutz Vorrang.
75 Prozent der Fläche dürfen nicht landwirtschaftlich oder forstlich genutzt werden. Noch ist der 2004 gegründete Nationalpark Eifel der einzige im Land. Hunderttausende Wanderer zieht es dorthin – zum Wohle der Hoteliers. Allein der »Wildnistrail«, auf dem in vier Tagen die Sehenswürdigkeiten erwandert werden können, sorgte zwischen 2006 und 2016 für 16 451 zusätzliche Übernachtungen in der strukturschwachen Region.
Einen ähnlichen Effekt traut der Sprecher der Bezirkskonferenz Naturschutz OWL, Karsten Otte, einem Nationalpark Senne zu. Schon jetzt setze die Tourismuswirtschaft in der Region 2,3 Milliarden Euro im Jahr um. Offenbar spielen aber nicht nur Zahlen bei der Gründung von Nationalparks eine Rolle. Sie seien auch eine politisch-ideologische Angelegenheit, sagte Job von der Uni Würzburg.
Horst Seehofer befürworte Nationalparks, und deshalb werde Bayern wohl bald den dritten bekommen. Auf ähnliche Rückendeckung kann der heimische Förderverein nicht bauen – Ministerpräsident Armin Laschet und seine NRW-CDU stehen einem Nationalpark Senne bislang reserviert bis ablehnend gegenüber.
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