Vermisste Bad Lippspringerin: Spekulationen machen Arbeit für Polizei nicht leichter
Keine Spur von Scarlett S.
Todtmoos/Bad Lippspringe (WB/mba). Der Fall bewegt offenbar viele Menschen in Deutschland: Seit sechs Wochen fehlt von Scarlett S. jede Spur. Immer noch gehen Hinweise auf den Verbleib der 26-jährigen Bad Lippspringerin bei der Polizei ein, etwas Konkretes war bislang aber nicht dabei, sagt Mark Heinemann, Sprecher der Paderborner Polizei, die die Ermittlungen mittlerweile wieder übernommen hat. In den sozialen Netzwerken werden unterdessen zum Teil krude Theorien verbreitet, was die Arbeit der Polizei nicht gerade leichter macht.
„Wir sehen das aus Sicht der Angehörigen“, sagt Heinemann. Jede neue Theorie belaste sie zusätzlich. Das sei nicht schön für die Angehörigen. Es hätten sich schon Hellseher, Wünschelrutengänger und selbsternannte Profiler gemeldet. Erst vor wenigen Tagen habe ein Mann bei der Polizei angerufen, der den Bad Lippspringer Vermisstenfall mit der Nawalny-Vergiftung in Verbindung gebracht hat. Heinemann wehrt sich auch gegen den Vorwurf, der in einigen Blogs erhoben worden sein soll, die Polizei täte in dem Fall nichts oder zu wenig. Er betont: „Wir haben alles Menschenmögliche unternommen.“ Mehrfach hatten Polizei, Feuerwehr und Bergwacht nach der Frau gesucht. Auch Hubschrauber, Rettungshunde und das Drohnenteam der Bergwacht waren im Einsatz.
Handy war am 10. September das letzte Mal an
Wie berichtet, wollte die 26-Jährige, die als gut trainiert und als erfahrene Wanderin gilt, Anfang September alleine den 119 Kilometer langen Schluchtensteig im Südschwarzwald wandern. Am 10. September hatte sie noch in einem Supermarkt in Todtmoos eingekauft. Dabei wurde sie von der Videoüberwachung fotografiert. Seitdem fehlt jedes Lebenszeichen von ihr. Ihr Handy war am 10. September das letzte Mal aktiviert. „Seitdem war es nicht mehr an“, sagt Heinemann.
Polizei: Details zur Reise bis zum Verschwinden
Auf Basis der Zeugenaussagen und der vorliegenden Handy-Daten könne die Reise der Bad Lippspringerin bis zum Zeitpunkt des Verschwindens nahezu nahtlos nachvollzogen werden, teilte die Polizei Paderborn am 25. September mit. Und weiter: „Besonders wichtig für die Ermittlungen waren die letzten Etappen des Schluchtensteigs. So steht fest, dass die Frau vom Schluchsee nach St. Blasien wanderte. Allerdings übernachtete sie nicht in St. Blasien, sondern fuhr mit dem Bus zum nächsten Etappenziel nach Todtmoos. Sie schlief von Dienstag auf Mittwoch, 9. September, in dem Hotel und fuhr morgens wieder nach St. Blasien, um die Etappe nach Todtmoos auch zu Fuß zu bewältigen. Nach der zweiten Nacht in dem Todtmooser Hotel brach die 26-Jährige am Donnerstag, 10. September, morgens zur letzten Etappe nach Wehr auf. An diesem Vormittag kaufte sie noch in einem Edeka-Markt ein. Auf Bildern der Überwachungskamera ist sie mit kompletter Wanderausstattung zu sehen. Sie verließ das Geschäft und schlug den Weg in Richtung Einstieg zum Schluchtensteig ein. Noch in der Ortschaft Todtmoos verlor sich dann die Spur. Es gibt bislang keine Hinweise, dass sie ihr Ziel, die Ortschaft Wehr, erreicht hat.“
Wie die Zeitung „Südkurier“ berichtet, kommt es im Südschwarzwald abseits der Wege und in entlegenen Schluchten und Tälern offenbar immer noch zu privaten und teilweise gefährlichen Suchaktionen nach der Bad Lippspringerin. Manche Aktionen würden im Internet mit Videos dokumentiert. In Internetgruppen wird darüber hinaus spekuliert, was passiert sein könnte. In manchen Foren werden die Nutzer sogar dazu aufgerufen, Ideen zu entwickeln, was geschehen sein könnte.
Ermittler gehen von einem Unglück aus
Für die Polizei sind das Gerüchte und Halbwahrheiten, oft werden dabei Fakten verdreht. Auf Facebook wird beispielsweise über Entführungs- und Verbrechensszenarien spekuliert. Einige dieser Kommentare wurden mittlerweile von den Administratoren der Gruppen gelöscht. Die Ermittler gehen weiterhin davon aus, dass sich die 26-Jährige am 10. September alleine auf die letzte Etappe des Schluchtensteigs von Todtmoos nach Wehr auf den Weg gemacht hat und verunglückt ist. Hinweise auf ein Verbrechen oder auf einen Suizid gibt es nicht. Die Polizei setzt ihre Hoffnung darauf, dass es möglicherweise weitere Kontakt-Personen gibt, die sich bislang nicht gemeldet haben.
Unfälle sind im Schluchtensteig keine Seltenheit. Nach einem Bericht der „Augsburger Allgemeinen“ hat die Bergwacht dort jährlich mehr als 20 Sucheinsätze. Dass Menschen spurlos verschwinden, kommt allerdings selten vor. Manche Opfer sollen jedoch erst Wochen später entdeckt worden sein. Steinschlag, Baumsturz, Astbruch, Erdrutsche: Der Steig ist nicht zu unterschätzen, teilweise handelt es sich um alpines Gelände. In mehreren Bereichen gibt es kein Netz. „Viele unterschätzen die Schwierigkeit des Geländes, trinken und essen zu wenig, sind unterzuckert, dehydriert. Dann schwinden die Kräfte, sie stürzen, stolpern und rutschen ab“, sagte Ranger Martin Schwenninger der Zeitung.
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