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Youtube-Video legt Datenskandal offen – Bürens Bürgermeister handelt rasch

Alte Klinik plötzlich in aller Munde

Büren

Von wegen unbeschwerte Tage an der Ostsee! Ein Youtube-Video hat dafür gesorgt, dass Bürens Bürgermeister Burkhard Schwuchow früher in seine Stadt zurückkehrte und das seit Jahren geschlossene Sankt-Nikolaus-Hospital plötzlich in aller Munde ist. Dort liegen offenbar tausende Patientenakten ungeschützt herum.

Von Dietmar Kemper

Durch ein Youtube-Video ist das St.-Nikolaus-Hospital in Büren bundesweit bekannt geworden. Und das, obwohl es schon seit zehn Jahren geschlossen ist. Foto: Alexander Gionis

Der Videojournalist Marvin W. zeigt in seinem 23-minütigen Film auf Youtube, wie er mit zwei Begleitern ins Gebäude gelangt und nach wenigen Sekunden auf Berge von Patientenakten stößt. Er sei von Bürgern aus Büren gebeten worden, den Skandal publik zu machen, sagte Marvin W. am Montag dem WESTFÄLISCHEN VOLKSBLATT.

Und tatsächlich habe er am 10. Mai in dem ehemaligen Krankenhaus frei herumspazieren können. Für seine Reihe „Lost Places“ besucht der Youtuber regelmäßig Orte, die aufgegeben wurden, wie zum Beispiel Kirchen. „Es ist spannend, die Vergangenheit noch mal aufleben zu lassen“, beschrieb der Mann mit dem Künstlernamen „ItsMarvin“ seine Motivation.

Marvin W.

Auf Sensationsjournalismus sei er nicht aus, behauptete der 30-Jährige aus Gladbeck: „Wir suchen nicht immer nach Skandalen oder nach Leichen. In diesem Fall wollten wir übermitteln, dass es in Büren einen kleinen Datenskandal gibt. Wir wollten aber niemanden an den Pranger stellen.“

Dass er zum Gegenstand einer Anzeige wegen Hausfriedensbruchs werden dürfte, lässt ihn nach eigenen Worten kalt: „Das wird im Sande verlaufen.“ Die Türen seien nicht verschlossen gewesen und auch andere Personen hätten vor ihm das Gebäude betreten.

Bürens Bürgermeister Burkhard Schwuchow nahm am Montag im Gespräch mit dem WV Stellung zu dem Video und den Folgen. Dass die Stadt dadurch einen Imageschaden erleiden könnte, befürchtet er nicht: „Büren war und ist nicht in der Verantwortung für das Krankenhaus.“ Die Verantwortung für die Zustände im und am Gebäude trage „in jedem Fall Marseille“.

Krankenhauskonzern sei zuständig

Der private Krankenhauskonzern Marseille Kliniken AG habe damals das Krankenhaus für den symbolischen Preis von einem Euro erworben und zwei Gesellschaften gegründet, eine für den Betrieb des Hospitals und eine für die Vermögenswerte wie das Grundstück. Nach der Schließung 2010 habe der Konzern das Areal nicht an die Stadt verkauft und sei deshalb dafür nach wie vor zuständig.

Der damalige Insolvenzverwalter, so der Bürgermeister weiter, habe dafür gesorgt, dass Akten sicher aufbewahrt worden seien: „Das hat ja scheinbar auch zehn Jahre gut funktioniert, aber jetzt schützt Marseille die sensiblen Bereiche nicht.“

Obwohl nicht Eigentümerin, habe die Stadt Büren deshalb nach Bekanntwerden des Videos „schnell und angemessen reagiert“ und den Schutz der Daten übernommen, sagte Burkhard Schwuchow weiter: „Ich habe in dem Gebäude und auf dem Gelände eigentlich nichts zu suchen und wenn man so will selbst Hausfriedensbruch begangen, aber ich musste dafür sorgen, dass die Daten geschützt werden und niemand mehr Zugriff darauf hat.“

In Absprache mit dem Leiter des städtischen Ordnungsamtes, Manuel Krenz, dem Ordnungsamt des Kreises Paderborn sowie der Polizei wurden das Gebäude am Samstag abgesperrt und die Räume mit den Patientenakten zusätzlich baulich gesichert. Die Stadt veranlasste außerdem zusätzliche Kontrollen durch örtliche Sicherheitsunternehmen.

Gespräche mit Kreisordnungsamt und Bezirksregierung

„Diese werden uneingeschränkt fortgeführt, bis eine rechtssichere Lösung mit dem Umgang der Patientenakten gefunden wurde“, betont die Verwaltung. Schwuchow kündigte für den heutigen Dienstag entsprechende Gespräche mit dem Kreisordnungsamt und der Bezirksregierung Detmold an.

An die Zeit im Oktober 2010, als das Sankt-Nikolaus-Hospital geschlossen wurde und die letzten Patienten die Zimmer des Krankenhauses verließen, das 152 Jahre zuvor gegründet worden war, kann sich Burkhard Schwuchow noch gut erinnern. Damals war er seit kurzem im Amt und er weiß: „Der Verlust des Krankenhauses hat den Bürenern weh getan.“

Das tut es zum Beispiel Bernhard Götte heute noch. „Ich als Bürener, in diesem Hause geboren, bin entsetzt“, machte er gegenüber dieser Zeitung deutlich und fragt: „Ist es Normalität, dass ein Gebäude leerstehend und verwaist vergammelt, das einstmals eine millionenschwere Immobilie der Kirche war? Und nun kommt noch hinzu, dass anscheinend die Sicherheit von wichtigen, aufbewahrungspflichtigen Dokumenten grob fahrlässig vernachlässigt wird oder wurde.“

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