Kirsten John-Stucke spricht am ehemaligen KZ Niederhagen in Wewelsburg
»Erinnerung braucht einen Ort«
Wewelsburg (WB/eb). An die Opfer der SS-Gewalt und die Befreiung des Konzentrationslagers Niederhagen vor 74 Jahren haben Gäste aus Politik und Gesellschaft sowie Schüler in Wewelsburg erinnert.
Ans Mahnmal auf dem ehemaligen Appellplatz eingeladen hatten der Verein »Gedenktag 2. April« und die Stadt Büren. Mitgestaltet wurde die Gedenkstunde vom Kreismuseum Wewelsburg, Schülern der Realschule Steinhagen und der Folkgruppe »Lomir Tanzn« aus Tudorf.
Sinti und Roma seien neben den Juden diejenigen gewesen, die im KZ Niederhagen für die Vernichtungstransporte ausgesucht wurden, erinnerte Vereinsvorsitzender Volker Kohlschmidt. Und auch in der heutigen Gesellschaft stelle die Diskriminierung von Sinti und Roma noch immer ein großes Problem dar.
Volker Kohlschmidt
Mit den Schülern der Realschule habe man das Thema Rassismus im Alltag bearbeitet. Dabei, so Kohlschmidt weiter, sei man auf die »Zigeunersauce« gestoßen, eine Bezeichnung die unbedingt geändert werden sollte. Denn »Zigeuner« sei eine abwertende und beleidigende Bezeichnung. »Wir sollten den Sinti und Roma ein Stück ihrer Würde zurückgeben«, appellierte Kohlschmidt.
Die Gedenkansprache hielt Wewelsburgs Museumsleiterin Kirsten John-Stucke. Sie berichtete aus eigener Erfahrung, dass die persönlichen Begegnungen mit den Überlebenden der Konzentrationslager für sie prägend und mitentscheidet für die weitere Arbeit im Kreismuseum gewesen seien.
»Seitdem die Zeitzeugen verstummt sind und nicht mehr aus eigenen Erleben von den NS-Verbrechen berichten können, kommt den Gedenkorten selbst mehr Bedeutung zu«, sagte sie. Der historische Ort gerate zunehmend in den Fokus des Gedenkens und der Erinnerungskultur. Die baulichen Relikte wie in Wewelsburg der ehemalige Appellplatz und die im vergangenen Jahr unter Denkmalschutz gestellte ehemalige Häftlingsküche mit Anbau würden als sichtbare, steinerne Zeugen der NS-Verbrechen verstanden. »Die Erinnerung braucht einen Ort«, ist die Museumsleiterin überzeugt.
Noch immer kein leichter Prozess
Auch heute, 74 Jahre nach Kriegsende, sei es kein leichter Prozess, selbstkritisch und öffentlich über den Umgang mit Gebäuden aus der NS-Zeit nachzudenken sowie die Bedeutung der baulichen Zeugnisse für das kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft zu erkennen und zu bewahren.
»Trotz der hohen Wertschätzung, die Gedenk- und Lernorte von der Mehrheit der Bevölkerung heute erfahren und trotz der politischen Anerkennung ihrer Arbeit, stehen die Gedenkstätten in Deutschland vor entscheidenden, gesellschaftlichen Veränderungen und Herausforderungen«, betonte die Museumsleiterin. Auch die Erinnerungs- und Gedenkstätte Wewelsburg müsse sich diesen Herausforderungen stellen.
In seinen Grußworten sprach Bürens stellvertretender Bürgermeister Christian Bambeck von einem Ort des Dankes und der Demut. »Wir sind dankbar dafür, einen solchen Ort gegen das Vergessen zu haben.« Aktionen der Schülerinnen und Schüler sowie Musikbeiträge der Gruppe »Lomir Tanzn« rundeten die Gedenkveranstaltung ab.
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