Mord in Westenholz: Gerichtsmediziner hält Tatversion des Angeklagten für plausibel
Kommt es zur Prozesswende?
Westenholz/Paderborn (WB). Im mutmaßlichen Mordfall des Westenholzer Rentners, der vor dem Schwurgericht verhandelt wird, sorgt die nüchterne Feststellung eines Gutachters für eine Überraschung: Der 84-Jährige könnte tatsächlich so zu Tode gekommen sein, wie der Angeklagte es vor zwei Tagen geschildert hatte – durch den verunglückten Wurf eines Vorschlaghammers. Prozessbeobachter sprechen sogar von einer Wende in diesem Fall.
Der Rentner war, wie mehrfach berichtet, im vergangenen Oktober tot in seinem Haus gefunden worden, offenkundig erschlagen. Nach bisherigen Erkenntnissen und seinem eigenen Geständnis in dem Prozess vor dem Paderborner Schwurgericht hatte der 48-jährige ehemalige Pflegesohn des Toten versucht, die Leiche zu verbrennen.
Allerdings beruft sich der Angeklagte auf einen Unfall, während die Staatsanwaltschaft ihm einen Mord zur Last legt. Fest steht: Ein 6,3 Kilogramm schwerer Vorschlaghammer traf den 84-Jährigen mit solcher Wucht auf den Kopf, dass er an den Verletzungen starb.
„Stumpfe Gewalt von erheblicher Intensität“
Dr. Bernd Karger aus Münster, in diesem Prozess rechtsmedizinischer Sachverständiger, zieht in seinem Gutachten den Schluss: Es könnte tatsächlich so gewesen sein, wie der 48-Jährige beteuert – dass er den Hammer von hinten über den am Tisch sitzenden Pflegevater habe werfen wollen, und dass jener genau in diesem Moment den Kopf gehoben habe und getroffen worden sei.
Karger nennt es „stumpfe Gewalt von erheblicher Intensität“, die auf den Schädel eingewirkt hatte, spricht von „sternförmiger Fraktur des Scheitelbeins“, von „umfassender Verbrennung“ und „deutlicher Brandzehrung“ an der Leiche, die eine Untersuchung der tödlichen Verletzung erschwert hätten. In seinem Vortrag, der maßgebliche Bedeutung hat für die Aufklärung des exakten Tathergangs, geht es auch um die Flugbahn des Hammers und eine Rotationsbewegung, die diesem wegen des hohen Gewichts des Hammerkopfs eine „erhebliche Wucht“ verleihe. Kargers Feststellung, mit der Leidenschaftslosigkeit des Rechtsmediziners: „Gerät ein Objekt in den Weg des Hammerkopfs, ist zu erwarten, dass es schwer beschädigt wird.“ Die Stelle der Verletzung am Kopf des Toten sei durchaus mit dem zu vereinbaren, was der Angeklagte geschildert habe – auch der Bruch zweier Halswirbel könne damit korrespondieren.
Angehörige schildern Alkoholsucht des Angeklagten
Weniger überraschend, aber nicht minder aufschlussreich sind die Aussagen der Schwester und der Tochter des Angeklagten. Beide hätten wegen der engen Verwandtschaft zu dem 48-Jährigen ein Recht, die Aussage zu verweigern – klären aber das Schwurgericht bereitwillig über die Alkohol-, Drogen- und allgemeine Lebensprobleme des Angeklagten auf.
„Er trinkt seit er 17 ist“, sagt die etwas ältere Schwester, trotz mehrerer Entgiftungen habe er es nie geschafft, von der Sucht loszukommen. „Er ist jemand, der Hilfe braucht.“ Sie habe ihrem Vater oft geholfen, Briefe an Behörden zu schreiben, weil er das selbst kaum könne, berichtet die Tochter. Dass sie aus dem Testament des 84-Jährigen nun die Alleinerbin sei, habe sie erst vom Amtsgericht Delbrück erfahren – ihr Vater hatte in der Untersuchungshaft das Erbe ausgeschlagen.
Prozess wird am 4. Juni fortgesetzt
Auch die Person des Getöteten spielt in den Aussagen eine Rolle. Ihr Bruder sei nach Westenholz zurückgekehrt, um dem früheren Pflegevater zu helfen und sich um ihn zu kümmern, erklärt die Schwester. Der 48-Jährige habe sich verpflichtet gefühlt, weil das Ehepaar ihn damals aus dem Heim zu sich geholt und ihm eine Heimat gegeben habe. Aber der 84-Jährige sei „sehr fordernd“ und „sehr hart“ gewesen, „es war für meinen Bruder alles sehr anstrengend“.
Der Prozess vor dem Schwurgericht wird am 4. Juni fortgesetzt. Dann soll ein Sachverständiger über die Suchterkrankungen und den psychischen Zustand des Angeklagten berichten.
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